Sektorübergreifende Investitionsprüfung von Direktinvestitionen: Rückblick auf 2022

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veröffentlicht am 22. Februar 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Nach mehrstufigen Verschärfungen des deutschen Rechtsrahmens zur außenwirt­schafts­­rechtlichen Investitionsprüfung oder „Foreign Direct Investment“ (FDI) in den vergangenen zwei Jahren gehört das Thema FDI neben der Fusionskontrolle auf die To-do-Liste bei Transaktionen. Im Jahr 2022 erhielten einige Transaktionen infolge ihres Scheiterns, also einer Teil- oder Volluntersagung, mediale Aufmerksamkeit. Aufgrund eines politischen Paradigmenwechsels Ende 2022 ist mit weiterer Komplexität von Prüfungsverfahren zu rechnen.



Die außenwirtschaftsrechtliche Investitionsprüfung führt – nach mehrstufigen Verschärfungen des deutschen Rechtsrahmens in den vergangenen zwei Jahren – im Transaktionsbereich kein Nischendasein mehr. Neben der Fusionskontrolle beim Erwerb von Stimmrechten an deutschen Zielunternehmen durch ausländische Käufer ist sie daher im Rahmen der Transaktionsplanung bei Unternehmenskauf, Anteilserwerb und internen Restruktu­rierungen zu beachten.


Ausgangslage: Der deutsche Rechtsrahmen kurz skizziert

Zuständig für die Investitionsprüfung ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) auf Grundlage des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV).

Die sektorübergreifende Investitionsprüfung, um die es hier geht, betrifft alle inländischen Zielgesellschaften – unabhängig vom Umsatz, der Mitarbeiterzahl oder anderen Kennzahlen –, die nicht der sektorspezifischen Inves­titionsprüfung zuzuordnen sind (Rüstungsgüter u. a). Bei einem Erwerb von 25 Prozent oder mehr der Stimm­­rechte durch einen Erwerber mit Sitz außerhalb der EU/EFTA (seit dem Brexit auch Erwerber aus dem Vereinigten Königreich) besteht von Amts wegen ein Prüfrecht des BMWK. Investitionen in Kritische Infra­struk­turen (Schwellenwert 10 Prozent) und Kritische Technologien (Schwellenwert 20 Prozent) sind melde­pflichtig. In die Prüfung werden dabei verschiedene Faktoren einbezogen, wie zum Beispiel Staatsnähe des Erwerbers oder Förderungen im Rahmen von EU-Projekten und Programmen. Bei der Prüfung wird nicht nur der direkte Erwerber betrachtet, sondern auch der mittelbare Erwerber mit (in der Regel) einem Beteiligungsanteil von mindestens 25 Prozent oder Kontrollbefugnis (z.B. bei Fondsstrukturen).

Liegt eine Meldepflicht vor, besteht ein dem fusionskontrollrechtlichen vergleichbares (strafbewährtes) Voll­zugs­verbot der Transaktion bis zur Freigabe. Die Meldepflicht besteht mit Unterzeichnung des Kaufver­trages. Die Meldung erfolgt durch den direkten Erwerber.


In vielen Fällen bietet es sich in der Praxis an, zur Erlangung von Transaktionssicherheit von Fällen, bei denen die Beteiligten davon ausgehen, dass kein sensibler Erwerb vorliegt, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung einzuholen. Ohne die Einholung einer solchen besteht das Risiko, dass die Transaktion innerhalb von fünf Jahren seit Unterzeichnung des Kaufvertrages von Amts wegen aufgegriffen und mit einem anderen Ergebnis geprüft und beschieden werden kann.


Prüfverfahren im Jahr 2022

Laut BMWK machten sektorübergreifende Verfahren den weitaus größeren Teil der nationalen Prüfverfahren beim BMWK im Jahr 2022 aus (86 Prozent). Insgesamt sind 306 nationale Verfahren nach der AWV einge­gan­gen. Für das Vorjahr wurden ebenfalls 306 eingegangene nationale Verfahren gemeldet, für 2020 waren es 160, für 2019 waren es 106 und für 2018 waren es 78. Bereits diese Zahlen zeigen die gestiegene Bedeutung der Investitionsprüfung in den vergangenen Jahren.


Öffentlich bekannt gewordene Transaktionen 2022

Untersagungen von Transaktionen im sektorübergreifenden Investitionsverfahren sind zwar bisher noch rar, öffentlich bekannt gewordene gescheiterte, teil- und volluntersagte Transaktionen im Jahr 2022, lassen jedoch darauf schließen, dass Prüfverfahren im Bereich der Kritischen Infrastrukturen und Kritischen Technologien noch sorgfältiger als bisher durchgeführt werden, verbunden mit höheren Anforderungen die Verfahrenslänge ausdehnen dürfe.


Siltronic AG

Der Erwerb der Siltronic AG im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebotes durch GlobalWafers (Taiwan) war Anfang des Jahres 2022 infolge des Ablaufs der Frist des Übernahmeangebotes gescheitert, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlag – eine Voraussetzung für den Vollzug der Über­nahme. Das BMWK verwies darauf, dass bis zum Ablauf der Frist nicht alle notwendigen Prüfungsschritte im Rahmen der Investitionsprüfung abgeschlossen werden konnten; in diesem Fall bezogen auf die an Auflagen geknüpfte kartellrechtliche Genehmigung durch chinesische Behörden. Der Versuch von GlobalWafers im Nachgang die Freigabe der Transaktion im Wege eines Eilantrages auf Basis einer Freigabefiktion wegen Untä­tig­keit des BMWK gerichtlich feststellen zu lassen, wurde in zwei Instanzen verworfen.


HHLA/Hamburger Hafen

Am 26. Oktober 2022 hatte das Bundeskabinett, das bei Untersagungsverfügungen zuständig ist, eine Teil­unter­sagung im Investitionsprüfverfahren Hamburger Hafen beschlossen. Damit kann der chinesische Erwer­ber, das Staatsunternehmen Cosco, nur einen Anteil unterhalb der Sperrminorität (25 Prozent) an der HHLA Container Terminal Tollerort GmbH (Kritische Infrastruktur Transport/Hafen) erwerben. Ein weiterge­hender Erwerb oberhalb dieses Schwellenwerts wurde untersagt, ebenso Sonderrechte, die zu einem atypi­schen Kontrollerwerb führen könnten. Damit wurde laut Pressemitteilung des BMWK „eine strategische Beteiligung an der HHLA CTT verhindert und der Erwerb auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert. Grund für die Teil­unter­sagung ist das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit.“ Über eine Finalisierung der Transaktion ist derzeit nichts bekannt.[1]


Elmos Semiconductor SE

Gänzlich untersagt wurde am 9. November 2022 der Erwerb der Elmos Semiconductor SE, die in Dortmund eine Chipfabrik betreibt, durch ein chinesisches Unternehmen. Der Pressemitteilung des BMWK vom selben Tag kann entnommen werden, dass die Untersagung erfolgt sei, der Erwerb die öffentliche Ordnung und Sicherheit Deutschlands gefährdet habe. Mildere Mittel, wie z.B. eine Genehmigung des Erwerbs mit Auflagen, seien nicht geeignet, die identifizierten Gefahren zu beseitigen. Bundesminister Dr. Robert Habeck wird in der Pressemit­teilung zitiert, wonach bei Firmenübernahmen dann genau hinschaut werden müsse, wenn es um wichtige Infra­strukturen gehe oder wenn die Gefahr bestehe, dass Technologie an Erwerber aus Nicht- EU-Ländern abfließe. Er betonte, dass es gerade im wichtigen Bereich der Halbleiterindustrie wichtig sei, die technolo­gi­sche und wirtschaftliche Souveränität Deutschlands und auch Europas zu schützen.[2]

Die Besonderheit bei diesem Fall ist, dass der Untersagung eine längere Prüfung vorangegangen war und – bis zu einer überraschenden (Letzt-)Entscheidung auf politischer Ebene betreffend chinesischer Direktinvesti­tionen – die Beteiligten davon ausgegangen waren, dass der Erwerb freigegeben werden würde. Elmos hat an­ge­kündigt die Untersagung gerichtlich überprüfen lassen zu wollen.


Fazit

Obwohl die Bundesregierung nach der Untersagung des Erwerbs Elmos hervorgehoben hat, dass Deutschland weiterhin ein offener Investitionsstandort sei [3], dürfte davon auszugehen sein, dass derzeit innerhalb der gesam­ten Wertschöpfungskette im Bereich Halbleiter Erwerbe von Stimmrechten oberhalb des Schwellen­wertes (20 Prozent) durch chinesische Investoren nicht freigegeben werden.  Abzuwarten ist, ob der Schwellen­wert weiter abgesenkt wird. Angesichts der Bestrebungen auf europäischer und nationaler Ebene hinsichtlich der Siche­rung der Lieferketten im Bereich Halbleiter, ist zudem davon auszugehen, dass die Komplexität und Prüfungs­dichte von Transaktionen mit Erwerbern aus anderen nicht-EU/EFTA Staaten (z.B. USA) steigen wird. 



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