Kündigungsschutz in der „Probezeit“: Benachteiligung von Hinweisgebern

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veröffentlicht am 28. November 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Das seit 2. Juli 2023 geltende Hinweisgeberschutzgesetz gewährt einen Sonderkündi­gungsschutz ab Beginn eines Arbeitsverhältnisses, unabhängig von der Unterneh­mens­­größe. Arbeitgeber müssen daher damit rechnen, für jede ausgesprochene Kün­digung objektive Gründe nachweisen zu müssen.


„Probezeit“ für Kündigungsschutz irrelevant

Die Probezeit in Arbeitsverhältnissen wird häufig mit erleichterten Kündigungsmöglichkeiten verbunden. Das zeigt sich an Anfragen, wie eine vereinbarte Probezeit verlängert werden könne – wenn es eigentlich darum geht, das Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) hinauszuzögern. Nur letzteres verpflichtet den Arbeitgeber im Falle eines Rechtsstreites zum Nachweis bestehender Kündigungsgründe.
 
Die fehlerhafte Vermengung der Rechtsfolgen liegt an einer Überschneidung der jeweiligen Fristen: Eine Probe­zeit mit der Folge kürzerer Kündigungsfristen kann bis zur Dauer von sechs Monaten vereinbart werden. Das KSchG mit der Einschränkung von Kündigungsmöglichkeiten für Arbeitgeber gilt nicht innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses. Eine vereinbarte Probezeit hat also keinerlei Auswirkungen auf die Anforderungen der Kündigung durch den Arbeitgeber, sondern reduziert die Kündigungsfristen und erhöht die Kündigungstermine.

Sonderkündigungsschutz ab Beginn des Arbeitsverhältnisses

Dennoch besteht für Beschäftigte auch außerhalb des KSchG ein Kündigungsschutz in Sondersituationen – und damit auch ab Beginn des Arbeitsverhältnisses. So gilt unabhängig von Beschäftigungsdauer oder der Betriebsgröße der Sonderkündigungsschutz bei Schwangerschaft (§ 17 MuSchG) oder Elternzeit (§ 18 BEEG). Ebenso sind Arbeitgeberkündigungen wegen eines Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 4 BGB) oder als diskrimi­nierende Handlung (§ 7 AGG) unwirksam, ganz unabhängig von der Beschäftigungsdauer der jeweils Betrof­fenen oder der Betriebsgröße des Arbeitgebers.

Während der bisherige Sonderkündigungsschutz auf Eigenschaften der Beschäftigten (Schwangerschaft) oder Entscheidungen der Arbeitgeber (Betriebsübergang, Diskriminierung) beruht, vermittelt seit dem 2. Juli 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) einen Sonderkündigungsschutz, den Beschäftigte selbst für sich herbeiführen können.

Verbotene Benachteiligungen

Nach § 36 Abs. 1 HinSchG sind Repressalien gegen Hinweisgeber verboten. Hinweisgeber sind Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über bestimmte Rechtsverstöße erlangt haben und diese an Meldestellen weitergeben. Der Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung kann eine verbotene Rep­ressalie sein.

Zu dem Verbot kommt eine Beweislastregelung hinzu: Machen Hinweisgeber geltend, eine Benachteiligung infolge ihrer Meldung eines Verstoßes erlitten zu haben, so wird gesetzlich vermutet, dass die Benachteiligung eine verbotene Repressalie ist.
 
Der Anwendungsbereich des Sonderkündigungsschutzes ist also einfach eröffnet: Gekündigte Personen müs­sen lediglich (i) darlegen und beweisen, dass sie vor Zugang der Kündigung einen Verstoß nach dem HinSchG gemeldet haben und (ii) geltend machen, dass ihnen infolge der Meldung gekündigt wurde. Dann ist es am Arbeitgeber zu beweisen, dass (i) die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder (ii) nicht auf der Meldung beruhte, also nicht kausal war.
 
§ 8 Abs. 1 HinSchG ordnet für Meldestellen sowie die mit der Entgegennahme von Meldungen oder das Ergrei­fen von Folgemaßnahmen zuständigen Personen eine Vertraulichkeit u.a. der Identität der hinweisgebenden Person an. Ordnungsgemäß eingerichtete und betriebene Meldestellen können Arbeitgebern daher den Nach­weis erleich­tern, dass eine ausgesprochene Kündigung nicht auf einer Meldung von Hinweisgebern beruht.

Allerdings besteht das Risiko, dass Arbeitgeber den gesetzmäßigen Betrieb der Meldestellen nicht nachweisen können. Zudem könnten Hinweisgeber selbst auf die Vertraulichkeit verzichten, Arbeitgeber ausdrücklich über erfolgte Meldungen von Verstößen informieren und somit bösgläubig machen. In diesen Fällen müssen Arbeit­geber darlegen und beweisen, dass die Kündigung auf objektiv nachvollziehbaren Gründen beruhte. Die Ge­setzesbegründung nennt beispielhaft betriebsbedingte Gründe oder strafrechtlich relevantes Fehlverhalten der hinweisgebenden Person als Gründe, deren Vorliegen dann vom Arbeitgeber bewiesen werden muss.

Folgen

Scheitert der Entlastungsnachweis durch den Arbeitgeber, ist eine ausgesprochene Kündigung wegen Verstoß gegen § 36 HinSchG unwirksam. Den unwirksam Gekündigten stehen Ansprüche auf Schadenersatz gem. § 37 HinSchG zu. Unabhängig davon ist das Ergreifen von Repressalien sowie bereits der Versuch davon mit Buß­geldern von bis zu 50.000 Euro bedroht.

Fazit

Der Anwendungsbereich des HinSchG ist nach § 2 sehr weit gefasst. Er umfasst Bereiche, in denen erfahrungs­gemäß Rechtsverstöße durch Unternehmen wahrscheinlich sind.

Beim Ausspruch von Kündigungen durch Arbeitgeber müssen diese daher auch außerhalb des KSchG damit rechnen, vor einem Arbeitsgericht sachliche Kündigungsgründe darlegen und beweisen zu müssen. Arbeitgeber sollten sich daher bereits vor Ausspruch einer Kündigung vergewissern, dass sie über solche Gründe verfügen.

Bei „querulatorischen“ Arbeitnehmern wird es auch in den ersten Monaten eines Arbeitsverhältnisses eher nicht ausreichen, eine Kündigung damit zu begründen, dass sie „einfach nicht zu uns passen“.
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