Frankreich und Italien: Einführung einer obligatorischen Angabe des Ursprungslands für Milch und Milchprodukte sowie Fleisch als Zutat

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Der Eurobarometer-Umfrage 2013 zufolge halten es die meisten EU-Bürger (84 Prozent) für notwendig, bei Milch das Ursprungsland anzugeben,  in dem die Milch gemolken oder verarbeitet wurde – ungeachtet, ob die Milch als solche verkauft oder als Zutat in Milchprodukten verwendet wird. Ein ähnlich hoher Prozentsatz von Befragten (88 Prozent) vertrat dieselbe Ansicht bei Rind-, Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch, wobei hier weniger der Geburtsort des Tieres, sondern vielmehr der Ort interessiert, an dem das Tier aufgezogen und geschlachtet wurde.
 
Seit langem drängen daher einige Mitgliedstaaten – allen voran Italien und Frankreich, die neben Deutschland zu den größten Agrarproduzenten der EU zählen – unter Verweis auf den Verbraucherschutz, wohl aber auch aus wirtschaftlichen Interessen (Stichwort: Schutz der heimischen Agrarproduktion, „Made in”), auf die Einführung der obligatorischen Angabe des Ursprungslands für Milch und Milchprodukte sowie Fleisch als Zutat auf EU-Ebene.

 

Vorschriften für Herkunftsangaben in der EU

EU-Vorschriften für eine obligatorische Ursprungskennzeichnung existieren zwar für mehrere Agrarerzeugnisse, u.a. für Honig, Obst, Gemüse, unverarbeiteten Fisch, Olivenöl, Wein, Eier und Rindfleisch. Zudem ist die Herkunftskennzeichnung bei vorverpacktem (frischem, gekühltem oder gefrorenem) Fleisch (Schwein, Schaf, Ziege, Geflügel) bereits verpflichtend. Das gilt jedoch nicht für Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse, so bspw. nicht für Wurst und nicht für verarbeitetes Fleisch, das als Zutat in Lebensmitteln verwendet wird. Auch für Bio-Lebensmittel gibt es Sondervorschriften zur Angabe der Herkunft. Sonderregeln bestehen darüber hinaus für sog. garantiert traditionelle Spezialitäten (z.B. Mozzarella, Pizza Napoletana) sowie für geschützte geografische Angaben und Ursprungsbezeichnungen (z.B. Parmigiano Reggiano, Allgäuer Emmentaler, Roquefort, Nürnberger Lebkuchen).
 
Mit Ausnahme dieser Spezialvorschriften sieht die derzeitige Rechtslage EU-weit als Regelfall jedoch vor, dass die Herkunftsangabe eines Lebensmittels oder seiner Zutaten freiwillig angegeben werden kann. Zwingend wird eine solche Angabe nur dann, wenn ansonsten der Verbraucher irregeführt wird (Art. 26 Abs. 2 lit. a) Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel – LMIV). Das gilt insbesondere, wenn die dem Lebensmittel beigefügten Informationen oder das Etikett insgesamt den Eindruck erwecken würden, das Lebensmittel komme aus einem anderen Ursprungsland/Herkunftsort als das tatsächlich der Fall ist (bspw. Abbildung von Landesflaggen, Landesfarben, landestypischen Sehenswürdigkeiten, regionaltypischen Trachten, Angabe von ausländischen Begriffen). Wird z.B. ein Mozzarella in einer Verpackung mit den italienischen Landesfarben oder mit einer Abbildung des schiefen Turms von Pisa vermarktet, obwohl er in Deutschland hergestellt ist, muss an einer gut sichtbaren Stelle deutlich und gut lesbar der Hinweis „hergestellt in Deutschland“ angebracht werden. Ein weiteres Beispiel ist „Warsteiner Bier“, das nicht in Warstein, sondern in Paderborn gebraut wird; auf der Etikette muss daher der tatsächliche Herstellungsort (Brauort) angegeben werden. Dieser „entlokalisierende Hinweis“ muss in unmittelbarer Nähe der Verkehrsbezeichnung und in einer nicht wesentlich kleineren Schriftgröße angebracht werden.
 

Nationale Alleingänge

In einem Bericht vom 20. Mai 2015 hatte die Europäische Kommission erläutert, warum sie diese EU-Regeln für ausreichend und angemessen hält. Da also eine Rechtsänderung auf EU-Ebene nicht zu erwarten war, haben sich Frankreich und Italien für nationale Alleingänge entschieden. In anderen Mitgliedstaaten, wie Litauen, Portugal, Rumänien, Griechenland und Finnland, bestehen ähnliche Gesetzesvorhaben.
 

Frankreich

So ist am 1. Januar 2017 in Frankreich eine nationale Regelung in Kraft getreten (siehe Décret n° 2016-1137), nach der die Angabe der Herkunft von Milch und Fleisch in vorverpackten, verarbeiteten Lebensmitteln verpflichtend ist (zunächst für einen Zeitraum von 2 Jahren). Lebensmittel, die Rind-, Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch als Zutat in einem verarbeiteten Produkt enthalten, müssen das Land der Geburt, Aufzucht und Schlachtung des Tieres angeben. Bei Milch und Milchprodukten müssen Angaben über das Land gemacht werden, in dem die Milch gemolken wurde und in dem sie verpackt oder verarbeitet wurde. Allerdings wurden in Frankreich per Verwaltungserlass (siehe Arrêté du 28 septembre 2016) Schwellenwerte festgelegt, unterhalb derer keine Ursprungslandkennzeichnung erfolgen muss. Sie liegen bei 50 Prozent für Milch als Zutat in einem Milchprodukt und bei 8 Prozent für Fleisch als Zutat in einem verarbeiteten Produkt.
 

Italien

Ähnliche Regeln zur Ursprungslandkennzeichnung gelten ab April 2017 für vorerst 2 Jahre in Italien (siehe D.M. 9 dicembre 2016), jedoch beschränkt auf Milch und Milchprodukte. Ein weiterer Unterschied zur französischen Regelung besteht darin, dass in Italien keine Schwellenwerte gelten, d.h. für Milch als Zutat in Milchprodukten unabhängig von der verwendeten Menge immer die Herkunft angegeben werden muss.
  
Das anzugebende Ursprungsland bestimmt sich hierbei nach den Kriterien des Warenursprungsbegriffs des Europäischen Zollkodexes (Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013). Der Verstoß gegen diese Vorschriften wird in Italien und Frankreich mit Geldbuße sanktioniert (es sei denn, es handelt sich um eine Straftat).
 

Konkrete Folgen für die Herkunftskennzeichnung von Milch und Milchprodukten in Frankreich und Italien

Was speziell Milch und Milchprodukte anbelangt, bedeutet das konkret, dass vorverpackte Lebensmittel wie Vollmilch, Käse, Buttermilch, saure Milch, saurer Rahm, Joghurt, Kefir und andere fermentierte oder gesäuerte Milch künftig grundsätzlich die Ursprungsangabe auf der Verpackung tragen müssen, wenn sie in Italien bzw. Frankreich vermarktet werden und, beschränkt auf Frankreich, mehr als 50 Prozent des Lebensmittels ausmachen. Ursprungsangabe bedeutet – wie bereits angemerkt – die Angabe des Landes, in dem die Milch gemolken wurde sowie die Angabe des Landes, in dem sie abgepackt oder verarbeitet wurde. Sowohl die französische als auch die italienische Regelung sehen Formulierungsbeispiele vor. Wenn es sich z.B. um dasselbe Land handelt, ist in Italien die Angabe „origine del latte” (= Herkunft der Milch) gefolgt von der Landesangabe ausreichend. Wenn das Melken und Verpacken bzw. Verarbeiten in verschiedenen EU-Ländern erfolgte, können hingegen folgende Formulierungen verwendet werden: „latte di Paesi UE” (= Milch aus EU-Ländern) bezogen auf den Ort des Melkens und „latte condizionato o trasformato in Paesi UE” (= in EU-Ländern abgepackte oder verarbeitete Milch) für den Verpackungs- bzw. Verarbeitungsort. Wenn diese Orte in Drittstaaten liegen, kann das hingegen wie folgt angegeben werden: „latte di Paesi non UE” für den Ort des Melkens und „latte condizionato o trasformato in Paesi non UE” für den Verpackungs- bzw. Verarbeitungsort. Freilich sind das nur Formulierungsmöglichkeiten, die das Gesetz „vorschlägt”. Davon abweichende Ausdrucksweisen sind zulässig, sofern der Ort des Melkens sowie der Ort der Verpackung bzw. Verarbeitung korrekt angegeben werden.
 

Geltungsbereich der französischen und italienischen Regelung

Allerdings gilt die Pflicht der Ursprungslandangabe i.d.R. nur für in Italien und Frankreich hergestellte und vermarktete Milch, Milchprodukte und (nur für Frankreich) Fleisch enthaltende Erzeugnisse. Denn die jeweiligen nationalen Gesetze sehen ausdrücklich vor, dass diese Regelung nicht für solche Produkte gilt, die in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittländern rechtmäßig hergestellt oder vermarktet werden. Da eine solche Pflicht bspw. in Deutschland oder Österreich nicht gilt, können dort hergestellte oder vermarktete Milch sowie Milchprodukte (Käse, Jogurt usw.) nach Italien eingeführt und dort vermarktet werden, ohne dass das Land, in dem die Milch gemolken wurde und das Land, in dem sie abgepackt oder verarbeitet wurde, angegeben werden muss.
 
Damit ist fraglich, ob die Neuregelung tatsächlich geeignet ist, die Verbraucher und die heimische Produktion zu schützen. Denn ein in Deutschland mit deutscher Milch hergestellter Mozzarella darf in Italien auch ohne die Herkunftsangabe der Milch verkauft werden. Die Befürworter der in Italien nun geltenden Pflicht zur Herkunftsangabe wollten aber gerade auch vermeiden, dass sog. „Italian Sounding“-Produkte, wie Mozzarella, vom Verbraucher fälschlicherweise für in Italien mit italienischen Zutaten hergestellte Produkte gehalten werden könnten. Das wird nicht erreicht, weil im Ausland hergestellte Milchprodukte, nicht von der Angabepflicht des Ursprungslands erfasst sind, es sei denn, eine solche gilt auch im Herkunftsland (was in den meisten Fällen nicht zutreffen wird).
 

Notwendigkeit von Herkunftsangaben

Eine solche Ursprungslandangabe ist aber auch überhaupt nicht notwendig, denn der aufgeklärte Durchschnittsverbraucher, auf den in der EU abzustellen ist, geht nicht davon aus, dass Mozzarella, nur weil es sich um einen italienischen Begriff handelt, zwingend ein italienisches Produkt ist. Nur wenn die Aufmachung eines Mozzarellas derart ist, dass der Verbraucher tatsächlich annehmen könnte, er sei in Italien hergestellt, so z.B. weil die Mozzarella-Verpackung die italienischen Landesfarben trägt, ist die Angabe des Herkunftslands aufgrund der Irreführungsverbotsvorschriften notwendig, wenn der Mozzarella nicht in Italien hergestellt wurde. Nicht notwendig ist aber auch in solchen Fällen die Angabe des Melkorts und der Verpackung oder Verarbeitung der verwendeten Milch. Ausreichend ist nach der derzeitigen EU Rechtslage vielmehr die Angabe des Ursprungslandes des Endprodukts (und nicht seiner Zutaten). Das ist entweder das Land, in dem das Produkt vollständig gewonnen oder hergestellt worden ist oder, wenn an der Herstellung mehr als ein Land beteiligt ist, das Land, in dem das Produkt der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen wurde, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt (siehe Art. 60 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 952/2013).
 
Diese Ausführungen zeigen, dass die in Italien und Frankreich neu eingeführte Pflicht zur Angabe des Ursprungslandes für vorverpackte Milch und Milchprodukte sowie (beschränkt auf Frankreich) für bestimmte Fleischarten, die als Zutaten in vorverpackten, verarbeiteten Lebensmitteln verwendet werden, seinen Zweck verfehlt und nur einen weiteren Mehraufwand sowohl für die Überwachungsbehörden als auch für die betroffenen Lebensmittelunternehmer darstellt. Zudem besteht gerade für die von der nationalen Ursprungsangaben-Pflicht betroffenen Lebensmittel die Gefahr, dass deren Preise zu Lasten der Verbraucher steigen, da diese Pflicht voraussichtlich Zusatzkosten mit sich bringen wird, die i.d.R. an die Verbraucher weitergegeben werden.
 

Neues Gesetzesvorhaben in Italien

Dennoch geht Italien in Sachen Ursprungsangaben für Agrarlebensmittel unbeirrt seinen Weg und verfolgt eifrig bereits ein weiteres Gesetzesvorhaben, das die verpflichtende Angabe des Herkunftslandes des in Pasta verwendeten Getreides vorsieht. Dabei verkennen die Befürworter einer solchen Neuregelung, dass im Fall von Pasta das qualitätsbildende Merkmal nicht der Herkunftsort des Getreides ist, sondern vielmehr die Verarbeitung, insbesondere die Rezeptur bzw. die Mischung und die Anteile der einzelnen Getreidezutaten zur Herstellung von Pasta. Die italienischen Pasta-Bäcker sind berühmt für ihre  Mischverhältniskenntnisse. Warum sollte ihnen also geschadet werden, wenn sie zur Herstellung der Pasta Getreide aus anderen Ländern verwenden? Gründe der Lebensmittelsicherheit können jedenfalls nicht angeführt werden, da alle Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die EU-weit und damit auch in Italien verwendet und vermarktet werden, weder gesundheitsschädlich noch für den menschlichen Verzehr ungeeignet (z.B. ekelerregend) sein dürfen. Hersteller, die hervorheben möchten, dass ihre Pasta in Italien und mit in Italien angebautem Getreide hergestellt ist, können das tun, indem sie diese Angabe freiwillig auf der Verpackung angeben. Verbraucher, denen es wichtig ist, nur aus italienischen Zutaten bestehende Produkte zu verzehren, haben damit die Möglichkeit, sie bewusst auszuwählen.
 

Fazit

Ausgenommen die Lebensmittel, für die der EU-Gesetzgeber aus spezifischen Gründen die Herkunftskennzeichnung zur Pflicht gemacht hat, ist die freiwillige Herkunftskennzeichnung eine angemessene Lösung, um Verbraucherinteressen und Wirtschaftsinteressen in Einklang zu bringen.
Die italienischen und französischen Regeln, die die obligatorische Angabe des Ursprungslands für Milch und Milchprodukte sowie für bestimmte als Zutat in verarbeiteten Produkten verwendete Fleischsorten eingeführt haben, gelten vorerst nur für eine begrenzte Zeit. Es bleibt zu hoffen, dass die Befürworter dieser Regeln und insbesondere der Gesetzgeber in der „Experimentierzeit“ eines Besseren belehrt werden.
 

zuletzt aktualisiert am 30.01.2017​

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