Update zum Lieferkettengesetz für Deutschland: Social Compliance

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veröffentlicht am 7. Dezember 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von José A. Campos Nave und Clemens Bauer


Lieferkettengesetze regeln die Verantwortung von Unternehmen in globalen Lieferketten. Während Social Responsibility in der Wirtschaftswelt bislang nur im Rahmen von freiwilliger Selbstverpflichtung gelebt wird, ist nun auch in Deutschland ein Lieferkettengesetz (sog. „Sorgfaltspflichtengesetz“) geplant.

Vor dem Hintergrund einer aktuellen Volksabstimmung über eine solche Gesetzesinitiative in der Schweiz, fasst dieser Artikel den aktuellen Stand des Lieferkettengesetzes in Deutschland zusammen.

  

  

Haftung von Unternehmen für Menschenrechte und Umweltstandards – Lieferkettengesetze weltweit

In der Schweiz fand am 29.11.2020 eine Volksabstimmung zur sogenannten „Konzernverantwortungsinitiative“ statt. Ziel dieser Initiative war es, die Schweizer Unternehmen zur Einhaltung der Unternehmensverantwortung, insbesondere im Hinblick auf soziale und ökologische Standards, zu verpflichten. Im Rahmen des Referendums hatten die Schweizer die Wahl zwischen dem umfassenden Gesetzesentwurf der „Konzernverantwortungsinitiative“ und einem abgeschwächten Gegenentwurf der Schweizer Bundesversammlung.

Aufgrund der Mehrheitserfordernisse setzte sich schließlich der Vorschlag der Schweizer Bundesversammlung durch. Die Schweiz reiht sich damit in eine Reihe von Staaten ein, die Regelungen geschaffen haben, die Unternehmen zu Menschenrechts- und Umweltschutz zu verpflichten.

Eine bekannte europäische Regelung stellt beispielsweise das französische „Loi de Vigilance“ aus dem Jahr 2017 dar, vor dessen Hintergrund zuletzt ein Verfahren gegen den französischen Ölkonzern Total im Hinblick auf frühere Geschäftstätigkeit in Uganda für Schlagzeilen sorgte. In Großbritannien existiert mit dem „Modern Slavery Act“ eine Regelung, die Unternehmen einer bestimmten Größenordnung Pflichten im Kampf gegen Menschenhandel und Sklaverei auferlegt.

Bundesentwicklungsminister Müller kommentierte die Schweizer Volksabstimmung als Signal für Deutschland und sieht durch das Referendum die seit Langem stattfindende Diskussion über die Einführung eines Lieferkettengesetzes erneut in den Fokus gerückt.


Chronologie Lieferkettengesetz für Deutschland

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht die Einführung eines Lieferkettengesetzes vor, falls eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen zur Sicherstellung der Menschenrechte in globalen Lieferketten nicht ausreichend ist.

Im Rahmen des sogenannten „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“, wurden im Jahr 2016 durch die Bundesregierung über 7.300 größere Unternehmen über die Einhaltung von sozialen (Mindest-) Standards in der Lieferkette befragt. Die Ergebnisse der Sorgfaltsanalyse haben ergeben, dass etwa 50 % der Unternehmen keine besonderen Standards in der unternehmerischen Sorgfalt aufwenden. 

Durch diese Rückmeldungen veranlasst, hat sich die Politik zur Einführung eines verbindlichen Verhaltensmaßstabs entschlossen.

Mögliche Regelungsinhalte des „Sorgfaltspflichtengesetzes“

Die geplanten Inhalte des deutschen Lieferkettengesetzes, dem „Bundesgesetzes über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten (Sorgfaltspflichtengesetz)“, wurden zuerst durch die Presse veröffentlicht und haben kontroverse Reaktionen hervorgerufen.

Der Anwendungsbereich des Gesetzes soll für alle in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter eröffnet sein, unabhängig davon, ob es sich um im Inland oder Ausland gegründete Gesellschaften handelt.

Die gesetzlich festgelegten Sorgfaltspflichten sehen vor, dass Geschäftsbeziehungen auf Risikofaktoren zu überprüfen sind, insbesondere darauf, ob sich Wertschöpfungsketten potentiell oder tatsächlich nachteilig auf international anerkannte Menschenrechte auswirken (insb. Verbot von Kinderarbeit, Sicherstellung von ökologischen und sozialen Mindeststandards im Hinblick auf Arbeitsbedingungen).

Die relevanten Risikofelder knüpfen dabei an internationale Regelwerke zur Einhaltung von Sozialstandards, namentlich die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte sowie an die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen an. 

Vor diesem Hintergrund begründet das Gesetz eine Bemühungs- und keine Erfolgspflicht – Unternehmen sollen gemeinsam mit Ihren Zulieferern oder innerhalb der Branche Risikofelder ermitteln und nach Lösungen suchen. 

Neben der Risiko-Analyse spielen Risiko-Managementsysteme zur Schadensvermeidung eine entscheidende Rolle. Das Risikomanagement soll im Hinblick auf Art und Umfang der Geschäftstätigkeit sowie dem individuellen Kontext angemessen sein. Kriterien, die hierbei angesetzt werden, sind die Risikowahrscheinlichkeit, Schadensschwere sowie die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Lieferkette.

Sichergestellt werden soll die Umsetzung der Sorgfaltspflichten durch ein Haftungsregime. Nach den ersten Plänen der beteiligten Ministerien können Verstöße Grundlage für Schadensersatzklagen privater Betroffener vor deutschen Gerichten im Rahmen ihrer internationalen Zuständigkeit sein, sofern die übrigen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch erfüllt sind. Dieser Punkt ist in der Praxis hoch umstritten und hat zu heftigem Widerspruch geführt.

Zusammengefasst sind folgende Sorgfaltspflichten zu erfüllen:
  • Risiken ermitteln und bewerten: Unternehmen werden verpflichtet, Risiken zu analysieren und dabei zu prüfen, ob sich deren Aktivitäten nachteilig auf Menschenrechte auswirken.
  • Maßnahmen ergreifen: Unternehmen werden verpflichtet, Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe zu implementieren und auf deren Wirksamkeit zu überprüfen. In diesem Zusammenhang sollen angemessene Risiko-Managementsysteme eingeführt werden.
  • Beschwerdemechanismus: Unternehmen werden verpflichtet, Verfahren zur Identifizierung von Menschenrechtsverletzungen einzuführen.
  • Reporting: Unternehmen werden verpflichtet, über das eigene unternehmerische Handeln in Bezug auf die Risikoelemente transparent öffentlich zu berichten.

Die Bedeutung der Compliance

Die Haftung der Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferkette führt zu weitreichenden Konsequenzen. Um das Haftungsrisiko zu begrenzen, müssen Unternehmen Vorkehrungen dafür treffen, dass im Rahmen der globalen Wertschöpfung Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden (Bemühungspflicht). 

Ungeachtet der Einführung eines spezifisch deutschen Liefergesetzes mit den vorgenannten Sorgfaltspflichten, müssen sich international aufgestellte Unternehmen bereits heute mit der Thematik der „Social Compliance“ beschäftigen. Denn die Sorgfaltspflichten leiten sich im Grundsatz aus den vielerorts bereits in nationales Recht umgesetzten Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte sowie aus den OECD Leitsätzen für multinationale Unternehmen ab, sind mithin völkerrechtlich anerkannt. 

Es ist damit zu rechnen, dass vor dem Hintergrund des wachsenden Bewusstseins für Menschenrechtsbeeinträchtigungen und Umweltschäden die Bestrebungen weltweit zunehmen werden, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen.

Unternehmen und deren Organe sollten deshalb damit beginnen, die Tätigkeit der eigenen Konzernunternehmen als auch von Zulieferern kritisch zu berücksichtigen. Denn Unternehmen haften bereits jetzt für Fälle von Beeinträchtigungen, die bei Erfüllung der Sorgfaltspflichten vorhersehbar und vermeidbar sind. Hieraus ergibt sich die Verpflichtung, je nach Art der Geschäftstätigkeit und individuellem Kontext Risiken auf eine angemessene Art zu ermitteln und zu bewerten, um eine Schadenswahrscheinlichkeit auszuschließen bzw. zu minimieren.

Bestehende Compliance-Managementsysteme sind folglich zu überprüfen und an die individuelle Risikosituation anzupassen. Dabei sind gerade unter Berücksichtigung des internationalen Kontext Möglichkeiten zu schaffen, in eine globale Lieferkette einzugreifen, diese zu überwachen und Abhilfemaßnahmen zu implementieren.

Auch wenn Details im Einzelfall fraglich sein können (insbesondere die Frage, welche Überwachungsmaßnahmen als „verhältnismäßig und zumutbar“ angesehen werden), existieren effektive Werkzeuge in Form von Compliance-Maßnahmen bereits heute. Denn ausschlaggebend und haftungsmindernd sind in der Regel bereits die Bemühungen der Unternehmen, die in entsprechenden Compliance-Managementsystemen zum Ausdruck kommen. 

Bevorzugtes Mittel können Unternehmensrichtlinien, Handlungsrichtlinien oder Systeme zur Aufdeckung von Fehlverhalten sein. 

Ausblick

Das deutsche Lieferkettengesetz ist innerhalb der Bundesregierung und zwischen den beteiligten Koalitionspartnern hoch umstritten. Zuletzt konnten mehrere Krisentreffen der großen Koalition keine gemeinsame Einigung erzielen. 

Der Union-Wirtschaftsflügel warnt in einem eigenem Positionspapier vor Belastungen der Wirtschaft und fordert Maßnahmen mit „Augenmaß“: „Übermäßiger und unnötiger Bürokratie- und Verwaltungsaufwand sowie Rechtsunsicherheit, Haftungs- und Regressrisiken müssen vermieden werden. Bei Verstößen dürfe es keine zivilrechtliche Haftung geben“. Wirtschaftsverbände und die Wirtschaftsweisen haben sich ebenfalls kritisch gegenüber dem Lieferkettengesetz positioniert.

Eine Einführung noch in dieser Legislaturperiode ist, insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Mehrbelastungen für Unternehmen, fraglich.
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