Sorgfaltspflicht in der Lieferkette in Italien: Gesetzgebung im Aufbau

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veröffentlicht am 12. Oktober 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Lieferketten sind der Motor der globalen Wirtschaft, da sie durch die weltweite Ver­brei­tung von Produkten und Dienstleistungen Unternehmen und Einzelpersonen über geografische, industrielle, kulturelle und regulatorische Grenzen hinweg miteinander verbinden. Nachhaltiges Lieferkettenmanagement wird zu einem immer wichtigeren Element der unternehmerischen Nachhaltigkeit, da es die Überprüfung der ökolo­gi­schen, sozialen und ökonomischen (s.g. „ESG“) Auswirkungen von Unternehmen er­mög­licht und durch die Analyse des Lebenszyklus von Waren und Dienstleistungen eine gute Unternehmensführung fördert. Das Ziel des nachhaltigen Lieferketten­managements ist es, den langfristigen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Wert von Produkten und Dienstleistungen auf dem Markt zu schaffen und zu steigern und gleichzeitig faire Geschäftspraktiken für alle beteiligten Akteure zu fördern und zu schützen. In diesem Sinne wird nachhaltiges Lieferkettenmanagement auch zu einer Geschäftschance, denn es bietet Unternehmen die Möglichkeit, die Qualität ihrer Produkte oder Dienstleistungen weiterhin zu gewährleisten, Betriebs- und Reputa­tions­risiken besser zu managen und die Kontinuität des Geschäftsbetriebs zu sichern, was sogar ganz erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hat.



In den letzten Jahren hat sich die öffentliche Debatte stark auf die Notwendigkeit konzentriert, einen Sorgfalts­pflicht­prozess in der Lieferkette einzuführen, um Menschenrechtsverletzungen (einschließlich moderner For­men der Sklaverei und Kinderarbeit) zu verhindern, abzumildern und zu beheben. Außerdem um Umwelt­stan­dards zu fördern und aufrechtzuerhalten, die es den Unternehmen ermöglichen, verantwortungsvoll zu produ­zieren und faire Geschäftspraktiken anzuwenden. 


Während auf EU-Ebene die Veröffentlichung der Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Be­reich der Nachhaltigkeit („CS3D“) im Jahr 2024 erwartet wird[1], hat Italien im Gegensatz zu anderen euro­päi­schen Staaten noch kein spezifisches Gesetz verabschiedet, das den Unternehmen eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung von Sorgfaltsprüfungen in der Lieferkette in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt auferlegt. Nichtsdestotrotz müssen Unternehmen, die in Italien tätig sind, im ESG-Kontext einige spe­zi­fi­sche, von Europa abgeleitete Verpflichtungen beachten, sowohl in Bezug auf die Sorgfaltspflicht bei der Lieferung bestimmter Vermögenswerte als auch in Bezug auf die ESG-Berichterstattung.
 

Sorgfaltspflichten bei der Lieferung bestimmter Waren

Zunächst sollte die Verordnung (EU) 2017/821 („Konfliktmineralien-Verordnung“) – und die Gesetzesverordnung 13/2021, mit der ihre ordnungsgemäße Umsetzung auf nationaler Ebene sichergestellt wird – erwähnt werden. Mit ihr wurden Sorgfaltspflichten für die Lieferkette für EU-Importeure von Zinn, Tantal und Wolfram, deren Mineralien und Gold aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten stammen, festgelegt, um deren verantwortungsvolle und transparente Beschaffung sicherzustellen. Die Lieferkette für diese Rohstoffe ist oft unklar und ihre Gewinnung kann unter Einsatz von Zwangsarbeit oder anderen Formen moderner Sklaverei erfolgen, wodurch auch Verbrechen wie Korruption, Geldwäsche oder die Finanzierung bewaffneter Gruppen erleichtert werden. Gemäß der Verordnung über Konfliktmineralien, die ab dem 1. Januar 2021 gilt, müssen europäische Import­un­ter­neh­men (einschließlich derjenigen, die in Italien tätig sind) daher Systeme und Verfahren einführen, um sicherzustellen, dass sie tatsächliche und potenzielle Risiken im Zusammenhang mit der Beschaffung dieser Metalle und Mineralien erkennen, verwalten und kommunizieren können, um deren negative Auswirkungen zu vermeiden oder abzumildern.

Kürzlich wurde die Verordnung (EU) 2023/1115 („Entwaldungsverordnung“) veröffentlicht, die Regeln für das Inverkehrbringen und die Bereitstellung auf dem EU-Markt sowie die Ausfuhr aus der EU von bestimmten Rohstoffen (Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Sojabohnen und Holz) und von Produkten, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert werden oder aus ihnen bestehen, festlegt, um die Entwaldung und die durch ihren Verbrauch verursachte Waldschädigung einzudämmen. Die ab dem 30. Dezember 2024 geltende Entwaldungsverordnung verpflichtet Unternehmen (einschließlich italienischer Unternehmen), die solche Produkte auf dem EU-Markt in Verkehr bringen oder exportieren,

  • alle genannten Rohstoffe und relevanten Produkte mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen, um sicherzustellen, dass sie den Erwartungen hinsichtlich der Nicht-Entwaldung entsprechen und 
  • den zuständigen Behörden über ein zu diesem Zweck eingerichtetes Informationssystem eine Erklärung vorzulegen, in der bestätigt wird, dass die Prüfung mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt wurde und dass kein oder nur ein geringes Risiko festgestellt wurde.

Eine ähnliche Sorgfaltspflicht für die Beschaffung von Rohstoffen wurde vor kurzem auch für Batterien mit der Verordnung (EU) 2023/1542 („Batterieverordnung“) eingeführt, die unter anderem Anforderungen an Nach­hal­tig­­keit, Sicherheit, Kennzeichnung und Information für das Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme von Batterien in der EU sowie Mindestanforderungen für die Sammlung und Behandlung von Batterieabfällen und die Berichterstattung festlegt. Konkret müssen ab dem 18. Juli 2025 alle Unternehmen (einschließlich ita­lie­ni­scher Unternehmen), die Batterien auf den EU-Markt bringen (mit Ausnahme von KMU) eine Politik der Sorg­falts­pflicht in der Wertschöpfungskette entwickeln, umsetzen und durchführen, um die sozialen und öko­lo­gi­schen Risiken im Lebenszyklus der Batterien zu überprüfen. Diese Maßnahmen müssen dann von einem Dritten überprüft und regelmäßig kontrolliert werden.


Von der nichtfinanziellen Berichterstattung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen

Ein weiterer relevanter Rechtsakt für in Italien tätige Unternehmen, der jedoch nicht speziell Sorgfaltspflichten einführt, ist das Gesetzesdekret 254/2016 zur Umsetzung der Richtlinie 2014/95/EU (sog. „Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung“ oder „NFRD“). Mit diesem Dekret wurde für einige Unternehmen (z. B. große „Unternehmen von öffentlichem Interesse“) die Verpflichtung eingeführt, eine nichtfinanzielle Erklärung („NFD“) zu veröffentlichen, in der die vom Unternehmen umgesetzte Strategie für ein wirksames, integratives und zirkuläres Management sozialer und ethischer Auswirkungen dargelegt wird, in der die Strategien für Sicherheit und Gesundheit (der Öffentlichkeit und der Mitarbeiter), die Umwelt, die Achtung der Menschenrechte und die Korruptionsbekämpfung – auch in Bezug auf die Produktionskette – ausführlich erläutert werden.

Die Berichterstattungspraktiken werden sich in naher Zukunft ändern, sobald die EU-Richtlinie 2022/2464 über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen („CSRD“) in Italien umgesetzt ist. Zu den wich­tigs­ten Änderungen der CSRD gehören die Ausweitung des Kreises der verpflichteten Unternehmen (d.h. große, nicht börsennotierte Unternehmen und alle börsennotierten Unternehmen mit Ausnahme von Kleinst­un­ter­neh­men) und die Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung im Jahresfinanzbericht, die dem Gedanken folgt, dass Nachhaltigkeitsinformationen nicht mehr als "nicht-finanziell" eingestuft werden, sondern einen deutlichen Einfluss auf den Finanzplan des Unternehmens haben. Die Berichterstattungspflicht umfasst somit eine Bewertung der Governance-Praktiken eines Unternehmens, einschließlich einer ständigen Überwachung seiner Lieferkette und der damit verbundenen Risiken in den Bereichen Umwelt und Menschenrechte.


Wenn die „strafrechtliche“ Haftung von Unternehmen die ESG-Due-Diligence erfüllt

Relevant für in Italien tätige Unternehmen ist auch eine rein italienische Verordnung mit starken Bezügen zu Umwelt, Menschenrechten und Governance, nämlich das Gesetzesdekret 231/2001 (sog. „Dekret 231") über die verwaltungsrechtliche Haftung von Unternehmen bei Straftaten. Mit dem Dekret 231 wurde zum ersten Mal in Italien die Möglichkeit eingeführt, Unternehmen haftbar zu machen und zu bestrafen, wenn sie in ihrem In­teresse oder zu ihrem Vorteil bestimmte Arten von Straftaten (sog. „Vortaten") begehen, die von leitenden Per­so­nen und Personen, die ihrer Kontrolle unterliegen (d.h. Direktoren, Manager, Mitarbeiter usw.), begangen werden.


Der Katalog der Vortaten umfasst die meisten Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen wie Umwelt­ver­bre­chen, Tötung und schuldhafte Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften, Sklaverei, Menschenhandel, Zwangs­arbeit und Bestechung. Um eine Haftung gemäß Dekret 231 zu vermeiden, müssen Unternehmen nachweisen, dass sie wirksame Compliance-Programme (d.h. „Organisationsmodelle“) eingeführt und umgesetzt haben, die Verfahren und Verhaltensregeln enthalten, die darauf abzielen, das Risiko der Begehung von Vortaten in Bezug auf die sog. „risikobehafteten“ Aktivitäten des Unternehmens zu erkennen, zu verhindern und zu mindern.  Das bedeutet, dass das Dekret 231 von den Unternehmen im Wesentlichen verlangt, dass sie zur Vermeidung einer Haftung eine kontinuierliche Sorgfaltsprüfung durchführen, um zu ermitteln, zu verhindern, zu mindern und (intern) Rechenschaft darüber abzulegen, wie sie mit bestimmten Straftaten umgehen, die auch schwere Menschenrechts- und Umweltverletzungen darstellen.


Abschließende Überlegungen

Wie bereits erwähnt, gibt es zwar noch kein spezifisches Gesetz über die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette. Der Rechtsrahmen in Italien wird jedoch stark von den jüngsten Entwicklungen auf europäischer Ebene beeinflusst und die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ergeben sich aus der laufenden Umsetzung der verschiedenen oben beschriebenen europäischen Verpflichtungen. Daher wird es von entscheidender Bedeu­tung sein, wie der italienische Gesetzgeber diese umsetzen und in neue Verpflichtungen für im Inland tätige Unternehmen umwandeln wird.

 


[1] Die CS3D zielt darauf ab, eine gemeinsame Sorgfaltspflicht einzuführen, um den Beitrag der europäischen Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte und der Umwelt bei ihren Tätigkeiten und in den Wertschöpfungsketten, an denen sie beteiligt sind, zu fördern. Derzeit befindet sich CS3D noch im Genehmigungsverfahren durch die europäische Legislative.
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