Das Arbeitsverhältnis der Zukunft – zwischen Crowd Working, Cloudworking und Metaverse

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veröffentlicht am 8. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Der Ausdruck „Halbwertszeit des Wissens“ wird zuweilen mit dem Zeitraum assoziiert, der benötigt wird, bis die bisher geltenden (wissenschaftlichen) Erkenntnisse durch neue Entdeckungen als überholt gelten. In diesem Kontext wird ebenfalls häufig festgestellt, dass sich diese Halbwertszeit insbesondere im Hinblick auf Technologie rapide verringert.



Diese Erkenntnis gilt selbstredend auch im Arbeitsverhältnis. Die fortschreitende Digitalisierung verändert nicht nur unsern Alltag, sondern auch die gesamte Arbeitswelt. Nimmt man die aktuelle öffentliche Diskussion ernst, so werden Arbeitsplätze in der Zukunft (nahezu) ausschließlich virtuelle Bestandteile haben. In diesem Zusammenhang soll – so entsteht der Eindruck – das Metaverse eine elementare Rolle spielen. Es braucht nicht viel Fantasie, damit man bei dem Gedanken an einen virtuellen Raum, respektive eine virtuelle Welt an den von Regisseur Steven Spielberg geschaffenen Film „Ready Player One“ denkt. In dieser Romanverfilmung verbringen die Menschen ihre Zeit lieber in der sogenannten Oasis, einer virtuellen Parallelwelt, als in der physischen Welt.

So spannend diese Vorstellung klingt, so wenig lassen sich die tatsächlichen Auswirkungen auf die Arbeitswelt prognostizieren. Berücksichtigt man, dass es aller Voraussicht noch viele Jahre dauern wird, bis das Metaverse tatsächlich in der aktuell anvisierten Version funktionsfähig ist, so erscheint das Thema aktuell noch vergleichsweise irrelevant. Dass das Thema für Arbeitgeber dennoch bereits jetzt interessant ist, zeigt der nachfolgende Beitrag.


Die Arbeitswelt im stetigen Wandel – Worüber wird eigentlich diskutiert? 

Beim Metaverse handelt es sich um einen virtuellen Raum, in dem Menschen mithilfe von Virtual-Reality-Technologien als Avatare miteinander interagieren können. Avatare sind wiederum diejenigen Figuren, die Nutzer in dem virtuellen Raum zugeordnet werden und oftmals von diesem nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltet werden können. 

Ohnehin ist ist auch der Arbeitsalltag bereits heute von digitalen Anwendungen durchzogen. Exemplarisch hierfür ist etwa das computerbasierte Arbeiten im „paperless Office“,  „Remote Working“, live getrackte Arbeitsfortschritte oder mittels künstlicher Intelligenz optimierte Bewerbungsverfahren. Überides können Inginieursteams die Reparatur etwaiger Maschinen unabhängig von ihrem Arbeitsort leiten, indem der Maschinenführer sein Sichtfeld mittels Videoübertragung teilt. Auch lassen sich Maschinen für die Produktion mithilfe von unmittelbar anpassbaren 3D-Modellen einfacher konzipieren. In der Immobilienwirtschaft sind ebenfalls Vorteile erkennbar. Architekten können virtuelle Umgebungen nutzen, um durch richtige Planung die Beleuchtung mittels Tageslicht zu maximieren. 

Aktuell stehen auch nachfolgende Technologien im Fokus der Diskussion: 

  • Virtual Reality (VR) steht für computergenerierte Wirklichkeit mit dreidimensionaler Darstellung. Von besonderer Relevanz sind aus aktueller Perspektive sogenannte „VR-Brillen“. VR kann über elektrische Impulse theoretisch auch mit weiteren Sinneseindrücken kombiniert werden. Exemplarisch können so auch Berührungen ebenso wie klimatische Effekte simuliert werden. 
  • Augmented Reality (AR) lässt sich mit „Erweiterte/angereicherte Realität“ übersetzten und bezeichnet die Kombination aus digitalen Elementen und der realen Welt. Im Gegensatz zur VR bildet hier die reale Umgebung den Ausgangspunkt, in welche sodann digitale Objekte visuell eingefügt werden. 
  • Wearables umschreiben Computertechnologien, die am Körper getragen werden. Gemeint sind exemplarisch Smart-Watches oder Smart-Glasses. 
  • Künstliche Intelligenz, oft synonym auch als Artificial Intelligence (AI) bezeichnet, beschriebt den Überbegriff für Anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen und lernen, urteilen oder eigenständig Probleme lösen.
  • Cloud Computing beschreibt ein Geschäftsmodell, das bei Bedarf – meist über das Internet und geräteunabhängig –geteilte Computerressourcen als Dienstleistung, etwa in Form von Servern, Datenspeicher oder Applikationen, bereitstellt und nach Nutzung abrechnet.

Optimierung von Arbeitsabläufen, Zeit- und Geldersparnis, Erschließung völlig neuer Geschäftsfelder sind nur wenige der erhofften Vorteile. Für Arbeitnehmer kann ein digitaler Arbeitsplatz zudem Beitrag zu einer verbesserten Work-Life-Balance und Erweiterung seiner Karrieremöglichkeiten sein.

Aktueller Entwicklungsstand 

Künftig soll die Möglichkeit bestehen, dass sich Mitarbeiter global im Metaverse treffen und visuell veranschaulicht gemeinsam an Projekten arbeiten können. Mit anderen Worten würde das herkömmliche Büro obsolet, indem Arbeitnehmer physisch zwar global verteilt, jedoch virtuell an demselben Ort sind. Es könnten Büroflächen gespart werden, Beschäftigte weltweit rekrutiert werden und Sprachbarrieren mit Hilfe KI basierter Übersetzungssoftware überwunden werden.

Unabhängig von Einzelanwendungen – exemplarisch die zuvor benannten VR-Brillen – existiert allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch kein virtueller Raum, in den man die Arbeitswelt „physisch“ verlagern könnte. Das Metaverse ist technologisch noch nicht derart fortgeschritten, dass es eine tatsächliche Alternative zur Videokonferenz oder bekannten Modellen der Remote-Work darstellt. Man ist mithin noch etwas entfernt von der Welt, die dem Zuschauer in „Ready Player One“ vorgestellt wird. 

Die bekanntesten Plattformen sind etwa „The Sandbox“ oder „Decentraland“. Aber auch Marktgiganten wie Apple, Microsoft, Amazon und Meta wagen mit riesigen Investitionen ihren Markteinstieg. Während der Metaverse-Markt im Jahr 2022 ein Gesamtvolumen von knapp 50 Milliarden Dollar erreichen wird, könnte er Schätzungen zufolge bis 2030 auf 680 Milliarden Dollar steigen. 

Allgemeine rechtliche und regulatorische Voraussetzungen

Die Grundvoraussetzungen der arbeitsrechtlich konformen Einbindung einer virtuellen Realität wie dem Metaverse weichen nicht von den Anforderungen an IT-Systeme im Allgemeinen ab. Regelmäßig wird sicherzustellen sein, dass die vertraglichen Rahmenbedingungen an die betriebliche Wirklichkeit angepasst sind. Werden betriebs- odere produktionskritische Prozesse virtualisiert, gilt dies in besonderem Maße. Das Arbeitsrecht wirkt insofern wie ein Brennglas, das die vertraglichen und allgemein gültigen, regulatorischen Anforderungen auf den Arbeitnehmer als Subjekt des Wirtschaftslebens konkretisiert. Passen Verträge mit Dienstleistern nicht zu den Bedürfnissen eines Unternehmens, werden sich derartige Diskrepanzen auch im Arbeitsverhältnis niederschlagen. Aus regulatorischer Sicht, liegen vor allem die geplanten datenrechtlichen Grundlagen auf europäischer Ebene und die die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) im Fokus. 

Digitale Transformation als Treiber für Änderungen im Arbeitsrecht

Zunächst ist zu konstatieren, dass im Kontext digitaler Transformation wahrscheinlich viele Aspekte des Arbeitsverhältnisses neu definiert werden müssen. Exemplarisch ist etwa denkbar, dass Arbeitnehmerüberwachung intensiver oder sogar geringer wird. Gerade letzteres ist bereits jetzt teilweise zu erkennen. Konkret werden teilweise direkte, „harte“ Weisungen durch „Nudging“, also Mitttel subtiler Verhaltenssteuerung ersetzt. Dieses Phänomen könnte sich durch eine zunehmend dezentrale Arbeitswelt bereits dehalb häufen, da die unmittelbare – physische – Kontrolle schwerer wird.  

Unabhängig vom physischen Ort der Arbeitsleistung ist der Arbeitgeber überdies weiterhin an Fürsorge- und Überwachungspflichten gebunden, wobei diese natürlich in Abhängigkeit des Einzelfalls unterschiedlich ausgestaltet sind. Zu denken wären etwa an nachfolgende potenzielle Problemfelder: 

Digitalisierung korreliert zwangsläufig mit der Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten. Je mehr Daten durch digitale Anwendungen anfallen, umso eher besteht exemplarisch auch die Gefahr einer unzulässigen Arbeitnehmerüberwachung und das Risiko unzulässiger Datenspeicherung. Während der Arbeitgeber technische und organisatorische Maßnahmen für die Arbeit in Präsenz unproblematisch treffen kann, sind diese an die Umstände des mobilen Arbeitens und des Arbeitens im Metaverse entsprechend anzupassen und es sind arbeitgeberseitig dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Datensicherheit zu treffen. Ständige Erreichbarkeit und die extensive Nutzung von Bildschirmen können sich zudem schädlich auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken. Diese Folgen müssen wiederum im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes berücksichtigt werden. Zudem hat der Arbeitgeber auch nach Einführung der Technologien eine ständige Anpassungspflicht zu beachten, um die kontinuierliche Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu sichern. 

Zusätzlich birgt die ständige Erreichbarkeit Herausforderungen für die Einhaltung der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit. Hier ist insbesondere zu beachten, dass durch die dauerhafte Verwendung von Technik eine Art unzulässige „Grauzone“ zwischen Arbeitszeit und Freizeit entstehen kann. Dieses Problem wird in der Literatur auch unter dem Begriff „Entgrenzung des Arbeitsverhältnisses“ diskutiert. In der Praxis wird dieses Problem exemplarisch durch etwaige Verhaltensrichtlinien eingegrenzt, mit denen Arbeitgber konkrete Vorgaben zu Zeit und Nutzung der arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellten Technik machen. Gehen Änderungen des Betriebsablaufs mit der Einführung neuer Technologien einher oder werden Arbeitnehmer hierdurch überwacht, sind diese ebenfalls mitbestimmungspflichtig. 

Schließlich darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass neue Technologien nichtdiskriminierend oder ausgrenzend für ältere oder behinderte Mitarbeiter wirken. Nutzerakzeptanz ist daher insbesondere durch Schulung und Qualifizierung der Arbeitnehmer zu schaffen.  

Wie bringe ich das Metaverse ins Arbeitsverhältnis? 

Die Frage, wie Arbeitgeber das Metaverse in Unternehmen einführen, lässt sich abstrakt nicht beantworten. Häufig wird etwa – sofern ein Betriebsrat gebildet wurde – eine Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Einführung neuer Technologien das Mittel der Wahl zur Regelung etwaiger Konturen sein. Exemplarisch können Kontrollrechte und Datenverarbeitungsbefugnisse des Arbeitgebers festlegt und für die Betroffenen transparent dargestellt werden. Alternativ wäre etwa auch daran zu denken, die Konturen mittels IT-Verhaltens- und -Nutzungsrichtlinien zu definieren. 

(Beschäftigten-)Datenschutzrecht im Metaverse

Die DS-GVO ist, wie viele andere Gesetze auch, technikneutral ausgestaltet und findet somit grundsätzlich auch im Metaverse Anwendung. Dabei ist es vor allem von der künftigen technischen Ausgestaltung des Metaverse abhängig, ob und inwieweit personenbezogene Daten verarbeitet werden. Dies hängt auch davon ab, inwieweit hier Privacy-by-Design Anwendung findet.

Bei der Entwicklung des Metaverse in der Arbeitswelt sind mit zunehmendem Fortschreiten auch weitere datenschutzrechtliche Themenfelder zu beachten. Im Rahmen dieser Plattformen wird künftig die Frage der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit zu stellen sein. Möglich erscheinen hierbei die gemeinsame Verantwortlichkeit zusammen mit dem Anbieter des Metaverse, die Auftragsdatenverarbeitung sowie die alleinige Verantwortlichkeit des Arbeitsgebers. Dies hängt maßgeblich von der technischen Ausgestaltung ab und lässt sich daher noch nicht prognostizieren. Außerdem ist zu prüfen, ob es einer Datenschutzfolgeabschätzung bedarf. Die globale Verteilung der Mitarbeiter und auch der Standort der Server geht datenschutzrechtlich mit der Frage der Zulässigkeit der Übermittlung in Drittstaaten einher. Im Rahmen des Beschäftigtendatenschutzes wird zudem auch die Frage der Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung zu beantworten sein. Insgesamt bleibt daher abzuwarten, wie das Metaverse ausgestaltet sein wird, inwieweit hier das Datenschutzrecht greift und ob möglicherweise sogar durch Privacy-by-Design hier eine weitergehende Regulierung ausbleiben kann.

Sanktionen bei Fehlverhalten

Das Fehlverhalten auch und gerade in der digitalen Sphäre vorkommen wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Dass Menschen – begünstigt durch die Anonymität – im virtuellen Raum möglicherweise sogar zu besonders negativen Verhaltensweisen neigen, lässt sich etwa anhand „Shit-Storms“ sowie sozialer Ausgrenzung in sozialen Medien, oder Fällen sexueller Belästigung veranschaulichen. 

Fallen Arbeitnehmer durch unangebrachte Verhaltensweisen auf, so kann der Arbeitgeber auch bezüglich des Verhaltens im virtuellen Raum auf das gesamte arbeitsrechtliche Instrumentarium zurückgreifen.

Fazit

Wie bei jeder technologischen Neuerung sollten Arbeitgeber die zahlreichen kreativen Optionen der virtuellen Welt nicht ungenutzt lassen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass bereits eine Vielzahl technologischer Neuerungen nutzbar ist. Dabei müssen zuerst die „rechtlichen Hausaufgaben“ zwischen Untenehmen und Anbietern erledigt werden. So dann muss eine sachgerechte Implementierung in die Prozesse eines Unternehmens erfolgen. Auch müssen Arbeitgeber im Zweifel Beschäftigte und den Betriebsrat frühzeitig für die sich abzeichnenden Veränderungen gewinnen. In welchem Umfang das Metaverse das Arbeitsverhältnis beeinflussen wird, lässt sich allerdings noch nicht final beurteilen. Die gegenwärtige Situation erinnert an die Veröffentlichung von SecondLife, welches auf im Wesentlichen ähnliche Grundgedanken der Interaktion von Menschen aufgebaut war und nach einem gewaltigen Hype mittlerweile in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist. Es bleibt abzuwarten, ob dem Metaverse ein ähnliches Schicksal blüht.


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