Unzulässige Superlative in digitaler Werbung – Was Unternehmen jetzt beachten müssen

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 21. August 2025 | Lesedauer ca. 3 Minuten
 

Wer mit Superlativen wirbt, muss liefern – das gilt auch für Anbieter digitaler Lern­​platt​­​formen. Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (Az.: 9 U 443/25) entschieden, dass die Bewerbung eines LMS (Lernmanagement-System) als „das einfachste und effizienteste“ irreführend ist, wenn keine objektiv belegbare Spitzen­​stellung vorliegt. Das Urteil stärkt die Anforderungen an die Lauterkeit digitaler Werbung und gibt Unternehmen klare Leitlinien für zulässige Werbeaussagen vor.​

 



Hintergrund des Falls

Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei Anbieter von Lernmanagementsystemen, die ihre Produkte online und über Google Ads bewarben. Die Verfügungsbeklagte nutzte dabei Aussagen wie „das einfachste und effizienteste Lernmanagementsystem“ und „die einfachste & effizienteste LMS-Lösung“. Die Verfügungs­​klägerin sah darin eine wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung und mahnte ab – zunächst erfolglos. Erst das OLG Koblenz gab ihr Recht.
 

Rechtliche Einordnung

Das Gericht stufte die Aussagen als Spitzenstellungsbehauptungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG ein. Solche Aussagen sind nur zulässig, wenn sie objektiv nachprüfbar und tatsächlich zutreffend sind. Das OLG stellte klar: Begriffe wie „einfachste“ und „effizienteste“ sind keine bloßen subjektiven Wertungen, sondern enthalten einen Tatsachenkern, der sich anhand von Kriterien wie ISO-Normen, Bedienbarkeit, Klickzahlen oder „Time on Task“ objektivieren lässt.

Da die Verfügungsbeklagte eine solche Spitzenstellung nicht nachweisen konnt​e, lag eine irreführende geschäftliche Handlung vor – und damit ein Wettbewerbsverstoß. Die Aussagen sind unlauter im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG und geeignet, Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie bei zutreffender Information nicht getroffen hätten. 

Prozessuale Besonderheiten

Bemerkenswert ist, dass das LG Mainz die Klage zunächst abgewiesen hatte. Das Gericht erkannte zwar einen Wettbewerbsverstoß, stufte diesen jedoch als geringfügig ein und bewertete die Abmahnung als rechtsmissbräuchlich – unter anderem wegen einer angeblich überhöhten Vertragsstrafe und einem zu hoch angesetzten Gegenstandswert. Das OLG Koblenz widersprach dieser Einschätzung deutlich. 

Es nahm allerdings zunächst an, dass die für die beantragte einstweilige Verfügung erforderliche Dringlichkeit vorlag. Die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 1 UWG  war von der Verfügungsbeklagten nicht damit erfolgreich widerlegt worden, dass die angegriffenen Behauptungen bereits seit 2024 auf ihrer Website veröffentlicht waren. Denn nach Auffassung des Gerichts bestehe keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht. Auch die Ausschöpfung der Berufungsfristen durch die Verfügungsklägerin in der zweiten Instanz sei nicht als „Selbstwiderlegung“ zu werten. Eine andere Sichtweise würde zu einer faktischen Verkürzung der gesetzlichen Fristen und damit einer Umgehung der Entscheidung des Gesetzgebers, Hauptsache und Eilverfahren bezüglich der Rechtsmittelfristen gleich zu behandeln führen, so das Gericht.

Zudem verneinte das Gericht einen Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG. Weder die Höhe der Vertragsstrafe noch die Gestaltung der Abmahnung oder die Streitwertangabe seien so überzogen, dass sie den Vorwurf des Missbrauchs rechtfertigten. Die Verfügungsklägerin habe vielmehr ein legitimes Interesse an der Unterbindung der Verstöße, was sie auch durch weitere erfolgreiche Verfahren dokumentiert habe.

Bemerkenswert ist auch die Klarstellung zur Auslegung der Unterlassungserklärung: Die Verfügungsklägerin hatte darin eine Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ unter Ausschluss von § 348 HGB gefordert. Die Verfügungsbeklagte sah darin eine verschuldensunabhängige Sanktion und damit einen Indikator für eine rechtsmißbräuchliche Abmahnung.

Das OLG Koblenz stellte jedoch klar: Die Formulierung sei nicht wörtlich, sondern im Lichte der Verkehrssitte und des objektiven Empfängerhorizonts auszulegen (§ 133 BGB). Eine Vertragsstrafe, die bei schuldlosen Verstößen griffe, wäre widersinnig, gerade weil § 348 HGB die Herabsetzung bei schuldhaftem Verhalten ausschließe. Für jeden verständigen Empfänger sei erkennbar, dass die Vertragsstrafe nur bei schuldhaften Zuwiderhandlungen gemeint sein könne und die Formulierung ein redaktionelles Missgeschick der Verfügungsklägerin darstelle darstelle.

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der korrekten Auslegung von Erklärungen. Allein aufgrund sprachlicher Ungenauigkeiten in der Vorformulierung der Unterlassungserklärung darf ein Rechtsmissbrauch nicht vorschnell unterstellt werden.

Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil ist ein Weckruf für die Legal Compliance im Marketing. Unternehmen sollten:
  • Superlative wie „beste“, „einfachste“ oder „effizienteste“ nur mit belastbaren Nachweisen verwenden
  • auch sonstige werbliche Aussagen im Bereich der Spitzenstellungs- oder Spitzengruppen-Werbung regelmäßig auf ihre objektive Nachprüfbarkeit prüfen
  • die Prüfung dieser Punkte durch interne Prozesse zur Werbefreigabe absichern und im Zweifel juristischen Rat einholen
  • bei Abmahnungen prüfen​ (lassen), ob die Werbeaussage tatsächlich gegen das UWG verstößt, die  Formulierung der  Unterlassungserklärung der Rechtsverletzung entspricht und die sonstigen geltend gemachten Ansprüche wirklich bestehen

Fazit

Das OLG Koblenz setzt ein deutliches Zeichen gegen unlautere Spitzenwerbung. Wer mit Superlativen wirbt, muss objektiv belegen können, dass er der Beste ist. Sonst drohen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche und der nicht zu unterschätzende Imageschaden für das Unternehmen, der bei Rechtsverstößen immer „mitschwingt“.​
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