„Generationenübergang – eine hochkomplexe Aufgabe“ – Beitrag von Christian Rödl in der Börsen-Zeitung

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Quelle: Börsen-Zeitung, veröffentlicht am 21. Oktober 2024​

 

Die Metropolregion Nürnberg ist das industrielle Herz Bayerns. Nicht nur bekannte Konzerne sind von hier aus aktiv, sondern auch eine Vielzahl von mittelständischen Familienunternehmen prägt die Region, viele darunter „Hidden Champions“, die eine führende Rolle in ihrer Branche entwickelt und von Franken aus in die ganze Welt expandiert haben.

 
  


Lesen Sie das Interview gerne auch als P​DF​.​
  
  
​Im internationalen Wettbewerb stehen diese Unternehmen, im Vergleich mit ihren oftmals über den Kapital­markt finanzierten Konkurrenten, vor einer besonderen Herausforderung: der Sicherung des Unternehmens im Rahmen des Generationenwechsels der Unternehmerfamilie. Kein börsennotierter Konzern braucht der Gestaltung der Erbfolge seiner Aktionäre einen Gedanken zu widmen. 

Vor der Existenzfrage​

Für ein Familienunternehmen ist die Unternehmensnachfolge ein zentraler Faktor, entscheidet sie doch über die unternehmerische Leitungsmacht ebenso wie zukünftige Entscheidungsstrukturen und nicht zuletzt den finanziellen Spielraum des Unternehmens, der durch die Finanzierung einer etwa anfallenden Erbschaftsteuer empfindlich beschnitten werden kann. Im mehr oder weniger regelmäßigen Generationenabstand wird das Familienunternehmen daher vor die Existenzfrage gestellt.​
 
Die jahrzehntelange und intensive Beratungserfahrung von Rödl & Partner in der Unternehmensnachfolge zeigt eines: Eine erfolgreiche Unternehmensübergabe hängt in erster Linie von den „Köpfen“ ab. Fehlende, zu viele, ungeeignete oder zerstrittene potenzielle Nachfolger sind das größte Risiko. Steht kein (geeigneter) Nachfolger beziehungsweise keine (geeignete) Nachfolgerin zur Verfügung, beginnt die familienexterne Suche, etwa im Kreis des Managements.
 
Nicht selten wird versucht, mittels komplexer Stiftungskonstruktionen den idealen Nachfolger selbst zu kreieren. Auch hier gilt: Ohne wirklich fähige und dem Unternehmen loyal verpflichtete Personen geht so etwas nicht. Oftmals bleibt dann nur der Verkauf als Nachfolgelösung, der die Existenz des Unternehmens zwar sichert, aber die Prägung als Familienunternehmen in vielen Fällen beendet.
 
Ebenso problematisch sind Familiensituationen, in denen es nicht „den einen“ Nachfolger gibt, sondern verschiedene Personen bedacht werden müssen. Unterschiedliche Altersschichten, Qualifikationen, unter­nehmerische Auffassungen bis hin zu familiären Konflikten können eine explosive Gemengelage bilden. Diese zu erkennen und mutige Entscheidungen zu treffen, ist eine Herausforderung für den Unternehmer und muss dann sehr sorgfältig rechtlich abgesichert und kommunikativ begleitet werden.
 
Überhaupt gilt: Unternehmerische Nachfolgeplanung muss als Entwicklungsprozess begriffen werden, der frühzeitig beginnen und mit stetiger Kommunikation betrieben werden muss. Offenheit, gegenseitige Achtung und das Entwickeln eines gemeinsamen Bekenntnisses, die Unternehmensinteressen in den Mittelpunkt zu stellen, führen meist auch zu vernünftigen Lösungen.

Wenn der oder die Nachfolger auserkoren sind, schließt sich die rechtliche und steuerliche Gestaltung an. Auch wenn Steuern niemals der einzige oder primäre Beweggrund für ein Handeln sein sollten, steht  die Erbschaftsteuer dann an Nummer 1 der Sorgenliste. Dies gilt vor allem für Unternehmen mit einem Wert von mehr als 26 Mill. Euro, da für diese die Erbschaftsteuerbegünstigung von Betriebsvermögen nach §§ 13a, b ErbStG nicht mehr greift, die betriebliches Vermögen grundsätzlich bis zu 100 Prozent von der Erbschaftsteuer ausschließen kann. Und diese Grenze ist leichter „gerissen“ als viele denken, laufen doch Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresertrag von 1,9 Mill​. Euro bereits Gefahr, zumindest teilweise aus der Betriebsvermögensbegünstigung herauszufallen. 
 

Verschonungsbedarfsprüfung

Für Erwerber, die einen Unternehmenswert von mehr als 90 Mill. Euro übertragen bekommen, heißt die große Hürde „Verschonungsbedarfsprüfung“. Es wird nicht nur ermittelt, welche Werte im Unternehmen überhaupt für eine Freistellung von der Erbschaftsteuer in Betracht kommen, sondern die Nachfolger müssen offenlegen, welches Vermögen außerhalb des Unternehmens zu Verfügung steht und wie dieses investiert ist, bis hin zum eigenen Einfamilienhaus und zur eigenen Altersversorgung. 50 Prozent dieser freien Mittel müssen für die Erbschaftsteuer auf das Unternehmen eingesetzt werden, nur eine darüber hinaus gehende Steuerlast wird erlassen.​
 
Um die Erbschaftsteuerlast zu steuern, muss bereits frühzeitig mit einer Gestaltung des begünstigten Vermö­gens begonnen werden. Befreiungsschädliche Vermögensteile sowohl im Betriebsvermögen als auch im Privatvermögen müssen umgeschichtet werden. Fremdvermietete Immobilien und zu hohe liquide Mittel im Unternehmen sind ebenso einer Umstrukturierung zu unterziehen wie private Kapitalanlagen.​
 
Potenzielle Unternehmensnachfolger tun gut daran, ihre finanziellen Reserven zum Beispiel in begünstigtes Private Equity umzuschichten. Für größere Vermögen bietet sich der Invest in sogenannte Wohnungsunter­nehmen an, die derzeit auch von einer Erbschaftsteuerbegünstigung profitieren; Voraussetzung ist aber ein Portfolio von mindestens 300 Wohnungen.
 
Die zeitliche Dimension spielt eine wichtige Rolle. Umstrukturierungsprozesse im Unternehmen, wie die Gründung und Ausstattung einer Tochtergesellschaft, können dazu führen, dass bisher begünstigtes Vermögen für einen Zeitraum von zwei Jahren in sogenannte junge Finanzmittel umqualifiziert wird mit der Folge, dass diese keinerlei steuerliche Begünstigung mehr erfahren.
 
Ein Familienunternehmen im Nachfolgeprozess muss somit unter einem stetigen Erbschaftsteuermonitoring stehen, um schädliche und nützliche Handlungen und den optimalen Nachfolgezeitpunkt zu koordinieren. Und die Sorgen enden nicht mit dem Zeitpunkt der Übergabe, denn auch danach sind für den Erhalt der Erbschaft­steuerbegünstigung über bis zu zehn Jahre hinweg Behaltefristen oder Mindestlohnsummen zu erfüllen und Vermögensumschichtungen und außerordentliche Zuflüsse beim Erwerber zu begrenzen.
 
Für Familienunternehmen, ihre Unternehmer und Nachfolger ist der Generationenübergang nicht ein „leis­tungs­loser Erwerb“, sondern eine wiederkehrende, hochkomplexe Herausforderung, das mit harter Arbeit geschaffene Unternehmen im Interesse aller Stakeholder zu erhalten. Familienunternehmen, die diese Überle­bensfrage seit Generationen gemeistert haben und aktuell meistern, kann man nur Anerkennung zollen.​
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