Kün­di­gung eines Betriebs­rats­mit­glie­des bei rechts­wid­ri­ger Ver­öf­fent­lich­ung von Gesund­heits­daten – frist­los und ohne vor­he­rige Ab­mah­nung

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veröffentlicht am 6. Mai | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Der Umgang mit Konflikten zwischen den Arbeitsvertragsparteien ist für die Betei­lig­ten im Einzelfall schwierig. Jede Vertragspartei sollte aber immer überlegen, wie weit sie geht, um ihr Verhalten zu rechtfertigen. Sind dabei Gesundheitsdaten im Spiel, ist besondere Vorsicht unter Compliance Gesichtspunkten geboten. Selbst besonderer Kündigungsschutz kann in solchen Fällen nicht immer helfen.


 

 

 

 

Ausgangslage 

Der Umgang mit Konflikten der Arbeitsvertragsparteien ist für die Beteiligten im Einzelfall schwierig. In diesem Kontext besteht sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber bisweilen ein Interesse daran, den übrigen Mit­gliedern des Betriebs davon zu berichten, dass sie „im Recht“ sind. Auch wenn dieses Interesse auf emo­tio­na­ler Ebene verständlich sein mag, so ist hiervon eindringlich abzuraten. 
 
So hat beispielsweise das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 25. März 2022 (7 Sa 63/21; nach­fol­gend LAG BaWü) entschieden, dass Arbeitgeber bei rechtswidriger Veröffentlichung von Gesundheitsdaten durch Betriebsratsmitglieder zur Erklärung einer außerordentlichen Kündigung auch dieser besonders gegen Kündigungen geschützten Person berechtigt seien. 
 
Konkret hatte das ehemalige Betriebsratsmitglied in einem von ihm geführten Gerichtsverfahrens der Be­triebs­öffentlichkeit durch die Verwendung eines zur Verfügung gestellten Links personenbezogene Daten anderer Arbeitnehmer offengelegt und dadurch auch die Weiterverbreitungsmöglichkeit eröffnet. Hierdurch habe es schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen verletzt. Eine Wahrnehmung berechtigter Interessen habe ebenfalls nicht vorgelegen. 
 
Deshalb erläutert der Beitrag die Besonderheiten der verhaltensbedingten Kündigung von Betriebs­rats­mit­glie­dern bei Compliance-Verstößen. Außerdem werden diese Grundsätze in Bezug zu der im Urteil des LAG BaWü streitgegenständlichen Gesetzesverletzung bei der Verarbeitung von Gesundheitsdaten gesetzt. 
 

Die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung aufgrund von Compliance-Verstößen

Terminologisch ist Compliance im Unternehmen die verbindliche Einhaltung unternehmensweiter Rechts­kon­for­mität. Im Kontext des Arbeitsverhältnisses wirkt sich diese Pflicht rechtskonformen Handelns spätestens bei relevanten Gesetzesverstößen aus. Diese – sowie andere Compliance-Verstöße – können in Abhängigkeit der Schwere der konkreten Pflichtverletzung zur ordentlichen oder außerordentlichen verhaltensbedingten Kün­digung führen.
 
Voraussetzung einer jeden außerordentlichen fristlosen Kündigung ist zunächst das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Das bedeutet, dass der Vorfall so einschneidend ist, dass es dem Arbeitgeber unter Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. 
 
In der besonderen Konstellation des vom LAG Ba-Wü entschiedenen Falles ging es auch noch um die Kün­di­gung eines Betriebsratsmitgliedes, das sowohl während seines Mandats als auch für ein Jahr nach Beendigung der Amtszeit Sonderkündigungsschutz genießt. Deshalb ist für diesen Personenkreis grundsätzlich nur eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich. Dabei ist weitere Voraussetzung, neben dem Vorliegen eines wichtigen Grundes, das Vorliegen der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen fristlosen Kün­di­gung des Betriebsratsmitgliedes.
  
Grundsätzlich muss dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung auch eine Abmahnung vorausgehen. Die außerordentliche Kündigung kann ausnahmsweise ohne vorherige Abmahnung erklärt werden, wenn die konkrete Pflichtverletzung des Arbeitnehmers derart gravierend ist, dass er nicht mit einer Hinnahme des Ver­haltens durch den Arbeitgeber rechnen konnte und durch dieses die Vertrauensgrundlage im Arbeitsverhältnis zerstört.
 

Kein Erfordernis vorheriger Abmahnung bei Veröffentlichung von Gesundheitsdaten

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen darf ein Mitglied des Betriebsrats konsequenterweise auch gekündigt werden, wenn es gesetzeswidrig Gesundheitsdaten anderer Arbeitnehmer veröffentlicht. 
 
Maßgeblich ist die Beurteilung eines Verstoßes durch den auch innerhalb der betrieblichen Abläufe an­wend­ba­ren Grundsatz vom Verarbeitungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt geprägt (Art. 6 Abs. 1 Daten­schutz­grund­ver­ord­nung (DSGVO)). Daraus resultiert, dass personenbezogene Daten jedweder Art ausschließlich dann verarbeitet werden dürfen, wenn die betroffene Person etwa ihre Einwilligung erteilt hat (Art. 1 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO) oder ein legitimes Interesse an der Verarbeitung existiert (Art. 1 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO). Im Kontext etwaiger Gesundheitsdaten ist das Rechtsgefüge sogar noch restriktiver (Art. 9 Abs. 1 DSGVO). Bei Gesundheitsdaten handelt es sich gemäß Art. 4 Nr. 15 DSGVO um solche personenbezogenen Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesund­heits­dienst­leis­tungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen.
 
Im konkreten Fall konnte sich das gekündigte Betriebsratsmitglied jedoch nicht auf eine datenschutzrechtliche Erlaubnis berufen und verstieß so gegen datenschutzrechtliche Grundsätze. Insbesondere vor der, sich aus der besonderen Schutzbedürftigkeit der Daten ergebende, Schwere des Gesetzesverstoßes war auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich. 
 
Diese Auffassung teilte nun auch das LAG Ba-Wü und wies den Kündigungsschutzantrag in der Beru­fungs­in­stanz mit der Begründung zurück, dass eine Veröffentlichung von Gesundheitsdaten anderer Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der namentlich benannten Personen verletze. Folge sei, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung des Betriebsratsmitgliedes gerechtfertigt sei.
 

Fazit

Die Entscheidung zeigt erneut, dass die Einhaltung der Unternehmens-Compliance nicht allein auf Seiten der Arbeitgeber Bedeutung hat. Auch für Arbeitnehmer können Gesetzesverstöße erhebliche Konsequenzen haben. So hat beispielsweise das LAG Berlin-Brandenburg in einem Urteil vom 1. September 2016 (10 Sa 192/16) bereits vor Anwendbarkeit der DSGVO entschieden, dass die Verletzung von datenschutz- und melde­recht­li­chen Vorschriften ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB ist. Arbeitgeber sollten demnach bei jedem Gesetzesverstoß sowohl die Notwendigkeit einer Abmahnung als auch Kündigung prüfen und sich ge­ge­be­nen­falls rechtlich beraten lassen. Dies gilt auch in Zeiten massenhafter ungeprüfter Veröffentlichung personen­be­zogener Daten auf Instagram, Twitter, LinkedIn und dergleichen uneingeschränkt. 
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