Die Brexit-Folgen für das wirtschaftliche Leben in Deutschland und für deutsche Unternehmen

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zuletzt aktualisiert am 20. Januar 2021
​​​​​Die Entscheidung der Briten für den Austritt aus der EU ist gefallen. Mit 52 Pro­zent stimmte eine knappe Mehrheit für den Brexit. Infolge dessen ist mit wesentlichen Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben in Deutschland und auf die deutschen Unternehmen zu rechnen. Als Berater des deutschen Mittelstandes möchten wir Ihnen deshalb einen aktuellen Überblick zu den wichtigsten Themen rund um den Brexit geben.
Brexit

Allgemeiner ​Ausblick: England – quo vadis?

 von Mathias Müller und Lisa Hou, Rödl & Partner München
 

Die in den vergangenen Jahren nur knapp verhinderte Abspaltung Schottlands hatte nicht nur bei den Briten, sondern auch bei den kontinental­europäischen Partnern zu erleichtertem Aufatmen geführt. Doch auch hier dürfte sich in den nächsten Jahren nochmals einiges tun – die Schotten haben schon ein neues Referen­dum angekündigt!

 

Doch nun sollte überlegt werden, wie der Wille des Volkes möglichst zügig und reibungslos für alle Be­teiligten geschaffen werden kann. Trotz Votum für einen Aus­stieg aus der Europäischen Union dürfte sich die Unsicher­heit über die Zukunft in den nächsten Tagen, Monaten und Jahren in Großbritannien eher verstärken.

     

24. Juni 2016 – Der Schwarze Freitag wiederholt sich am 13. Dezember 2019!

Man muss nicht abergläubisch sein – aber ausgerechnet am Freitag den 13 – kein schönes Ereignis!

Die renommierte London School of Economics, auf der u.a. Mick Jagger studiert hat, errechnete, dass Groß­britannien kurz­fristig seinen Status als fünftgrößte Wirtschaftsmacht eingebüßt hat. Das könnte den Briten auch mittel- und langfristig drohen: In den 80er Jahren haben viele japanische Unternehmen ihre Nieder­lassungen und Fabrikations­hallen in Großbritannien als „Brücke zu Europa” aufgebaut. Ähnlich sahen das wohl chinesische Investoren, denn Großbritannien ist innerhalb der EU Investitionsland Nummer 1 für chinesische Unternehmen. Seit der Entscheidung für den BREXIT hatten schon mehrere Investoren den Rückzug von der Insel angekündigt. Dieser Trend dürfte sich sicherlich verstärken.

Auch wenn Boris Johnson mit Donald Trump Schulterschluss und vielleicht auch bald schon ein für Groß­britannien gutes Handelsabkommen abschließt, für US-Investoren, Finanzierungen über Großbritannien zu tätigen, dürfte nicht so interessant sein, wenn für den eigentlichen Markt - Europa –kein Marktzugang mehr vermittelt werden kann. Damit wird wohl London auf kurz oder lange Sicht nicht mehr Finanzplatz Nummer 1 sein können – die Immobilien­preise in Frankfurt dürften weiter steigen – bald höher als in München?

Sicherlich wird englisch weiterhin in der EU Gesprochen – Irland und Malta sei Dank. Den sprach­lichen Wett­­bewerbsvorteil den Engländer bisher gegenüber den kontinental – zurückge­bliebenen – Europäern hatten, wird sich aber voraus­sichtlich immer weniger ergeben, denn die wenigsten Engländer verfügen über aus­­reichende Fremdsprachen­kenntnisse. Französisch wird deshalb sicherlich wieder stärker in den Fokus gelangen, auch Deutsch als Fremdsprache erlebt zur Zeit einen Revival in Ost- und Südeuropa. Ob Englisch als d i e EU-Amts­sprache weitergeführt wird, wird sich aber zeigen!

Zuletzt stirbt die Hoffnung! Vielleicht findet das König­reich ja in einigen Jahren in die EU zurück – schön wäre es!

Zunächst möchten wir aber die Gründe, die zum BREXIT geführt haben, noch einmal in Erinnerung rufen.

  

A European battlefield – die europäische Integration

Die europäische Integration ist bereits seit den 60er Jahren ein besonders umkämpftes Thema in der britischen Politik. Anders als für die kontinental­europäischen Länder, die schon immer die Integration erzielen wollten, war für Groß­britannien ein EU-Beitritt in erster Linie aus wirt­schaftlichen Gründen interessant. Eine kulturelle Identi­fizierung mit dem Staatenbund wurde eher abgelehnt. Es bestand immer ein „gesundes Misstrauen” gegenüber Brüssel und der EU und natürlich haben sich auch Politiker diese Grundhaltung immer wieder zunutze gemacht – besonders ein­präg­sam war der Aus­ruf der „Eisernen Lady” Margaret Thatcher: „I want my money back!”.

 

Die Geister, die ich rief – David Cameron und die ewige Europaskepsis in Grossbritannien

Vielleicht wollte David Cameron an den Er­folg der Eisernen Lady anknüpfen, als er, im Falle einer Wiederwahl, als Wahlversprechen ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU verkündete. Sicher ist ihm ein Verbleib in den Geschichtsbüchern allemal. Ob in guter Erinnerung oder schlechter – nun die Geschichte wird es zu deuten wissen. Goethe wusste schon: ‚Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los', aber anders als in Goethes Zauberlehrling hilft diesmal wohl kein Zaubermeister*

Das erste BREXIT Opfer war David Cameron, am Tag nach dem Referendum hat er seinen Rücktritt verkündet. Wie es weitergeht, bleibt abzu­warten, denn Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass auch im Falle eines Brexit die drängendsten Probleme des Landes weiter­hin ungelöst bleiben: die wenig produktive Wirtschaft, das mittelmäßige Bildungs­system, das unterfinanzierte Ge­sundheitswesen, die schwache Infra­struktur, die Wohnungs­­not, die riesigen Parallel­gesellschaften von Ein­wanderern, die wachsenden Armutsprobleme.

Ein Hoffnungsschimmer bleibt für die zurückgebliebenen:
Vielleicht ist der Austritt der Britten ja ein Weckruf zur Besinnung. Brauchen wir wirklich IBAN-Nummern um unsere Überweisungen per Paypal durchzuführen, wo ist der Vorteil zwei Kreditkarten (eine für geschäftliche Ausgaben, eine für private) und dann gibt es noch die Glüh­birne, die OSRAM nicht mehr herstellen darf – das Klimaziel wird dadurch sicherlich nicht erreicht! Vielleicht ist ja die von David Cameron und nun Boris Johnson angestoßene Dis­kussion hilfreich für das Weiter­bestehen der EU als Gesamtheit ohne Großbritannien – oder zumindest perspektivisch ohne England?

 
 Zunächst wollen wir erläutern, wer aus unserer Sicht von einem Brexit profitieren könnte.
 

Aufenthaltsstatus von auf dem Festland lebender Briten ist zu klären – Wer wären die grössten Brexit-Verlierer?

 

Trotz einiger möglicher positiver Auswirkungen, die der Brexit auf die verbleibende Gemeinschaft haben könnte, überwiegen nach unserer Auffassung die Argumente, die gegen einen Austritt aus der EU von Groß­britannien sprechen: 3 Millionen auf dem Fest­land lebende Briten erhalten plötzlich einen unklaren Aufenthaltsstatus; hunderte Abkommen zur Zusammenarbeit in Wirtschaft, Forschung, Bildung, Kultur, Verkehr, Umweltschutz und Diplomatie verlieren ihre rechtliche Grundlage. Ein Wirtschafts­einbruch in den ersten Jahren nach dem Austritt ist unumstritten. Kein Wunder also, dass die Bank of England, also die britische Notenbank, be­reits vor Brexit-Folgen warnt. Sie erwartet dabei insb., dass die Kreditkosten steigen, der Kurs des Pfunds weiter fallen würde. Das wirtschaftliche Umfeld für die „Separatisten” würde sich also zumindest kurz­fristig wesentlich verschlechtern. So sollen laut einer Studie des Zentrums für Wirt­schafts­leistung der London School of Economics die ausländischen Direktinvestitionen um 22 Prozent zurückgehen und das Realeinkommen würde um 3,4 Prozent sinken. Eine verstärkte und länger andauernde Unsicherheit kann zum Anstieg der Risikoprämien führen und somit die Kosten und die Verfüg­barkeit von Finanzierungen für viele Kreditkunden beeinflussen. Aber die Auswirkungen wären nicht nur eine interne englische Angelegenheit, sondern auch Deutschland wäre sicherlich zunächst wirtschaftlich betroffen.
 

Deutschland, der grösste Brexit-Verlierer?

Entsprechend eines Berichts der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist Großbritannien zurzeit mit einem Volumen von 90 Mrd. Euro der dritt­größte Exportmarkt für Deutschland. Trotz vieler Erleichterungen für Großbritannien ist der Inselstaat weiterhin einer der Hauptzahler für die EU – die Argumente der EU Gegner sind ja nicht ganz aus der Luft ge­griffen. Fällt Großbritannien als Geber weg, trifft voraussichtlich eine milliarden­schwere Steuerlast auf Deutschland – mit Einsparungen im EU-Haushalt wird sich das nicht alleine aus­gleichen lassen. Als Folge drohen Steuer­erhöhungen, weshalb der euro­päische Binnenmarkt an Attraktivität verlieren könnte.
 
Und auch europäische Banken fürch­ten einen Brexit: Nach Berichten des Finanzdienstes Bloomberg zufolge könnte ein Brexit zu Geldlücken von bis zu 108 Milliarden Euro führen. Kredit­institute aus der EU, die mit britischen Hypo­theken, Bankdarlehen und Kreditkarten unterlegte Anleihen gekauft haben, könnten plötzlich gezwungen werden, sie zu veräußern, weil Großbritannien nicht mehr als EU-Land gelten würde und somit die Anleihen ein höheres politisches Risiko tragen bzw. auch die Europäische Finanzaufsicht untersagt, solche Anleihen als Liquiditätsreserven zu halten. Das englische Pfund hat jedenfalls schon deutlich an Wert ein­gebüßt, wie eine aktuelle Studie des Wirtschafts­informationsdienstes Bloomberg deutlich macht – es bleibt abzuwarten, wie sich hier das Pound Sterling weiterentwickelt.

 

„Value of the British Pound”, Quelle: http://www.bloomberg.com/graphics/2016-brexit-watch/
   

Der Brexit-Albtraum ist nun jedenfalls Realität  

Die britischen Wähler haben entschieden – nun bleibt es an uns, die Folgen der Entscheidung zu tragen und uns vor­zubereiten. Wir haben nachfolgend die wichtigsten Themen zusammengefasst:

 

 

„The debate”, Quelle: http://www.economist.com/blogs/graphicdetail/2016/02/graphics-britain-s-referendum-eu-membership
 
*Aus: „Der Zauberlehrling”, Johann Wolfgang von Goethe, 1827.​​​

Folgen für deutsche Familienunternehmen

von Jörg Hattenbach und Sabri Ben Naceur, Rödl & Partner Köln
 
Experten schätzen derzeit das Handelsvolumen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU auf 1.195,6 Milliarden Euro. Das ist insb.durch den Import von Waren und Gütern charakterisiert. Die Anzahl der Niederlassungen deutscher Unternehmen in Großbritannien wird auf 1.300 beziffert, die Anzahl der britischen Unternehmen mit Niederlassung in Deutschland auf 25.001. Insgesamt bestehen in diesem bilateralen Sektor der produzierenden Unternehmen 2,6 Millionen Arbeitsplätze.
 
Bei der Aufstellung einer Handelsbilanz wird deutlich, wie stark abhängig Großbritannien vom Güter-Import aus der EU ist.

 
Quelle: Statista
   

Veränderungen für deutsche Unternehmen mit Niederlassung in Grossbritannien

  • Da ein Austritt aus der EU bisher nicht stattgefunden hat, sind die Änderungen von Gesetzen, Richtlinien, Steuern und anderen rechtlichen Rahmenbedingungen kaum abschätzbar. Auf jeden Fall ist davon auszugehen, dass diese Änderungen Kosten und Aufwand mit sich bringen würden.
  • Risikofaktoren für Industrieunternehmen:
    Das Währungsrisiko ist dem internationalen Handel grundsätzlich zu eigen. Es bezeichnet primär die Unwägbarkeiten aus den künftigen Wechselkursentwicklungen. Schwankende Wechselkurse (wie in der Vergangenheit immer wieder bei Rubel, Dollar, Yen, Schweizer Franken, etc. zu beobachten) zeigen, wie schnell die Kurse sich bewegen und wie sich das auswirkt. Es beeinflusst direkt die Preisgestaltung und erhöht somit auch den Wettbewerbsdruck.
  • Für Unternehmen mit Intercompany Transport sind höhere Kosten für die Logistik zu befürchten. Bei einem Brexit könnten gesonderte Zoll- und Steuerbestimmungen berücksichtigt werden, die die Intercompany Transporte zu einem wirtschaftlichen Risiko machen würden. Der dadurch entstandene Mehraufwand erhöht den Kostendruck auf die Produktion.  
  • Auch einzukalkulieren sind eine zunehmende Bürokratie sowie höhere administrative Aufwände, um Wirtschafts- und Warenströme abwickeln zu können. Selbst mit den erwarteten Verträgen, die die wirtschaftlichen Beziehungen vereinfachen sollen (vergleichbar mit Norwegen, der Schweiz oder der Türkei) würde ein Brexit deutlich mehr Bürokratie verursachen.
  • Deutsche Unternehmen müssen stärker denn je ein kontinuierliches – im besten Fall agiles – Innovationsmanagement aufrechterhalten. Zum Beispiel im Automotive-Bereich sind sich schnell anpassende und möglichst unbürokratische Prozesslandschaften ein Muss – vor allem für Zulieferer aller Tier-Hierarchien.  
  • Supply Chains produzierender Unternehmen:
    Ein möglicher Austritt Großbritanniens bedeutet, dass deutsche Unternehmen in Großbritannien jetzt ihre Wertschöpfungskette genauer betrachten müssen: Differenziert nach Supply Base, Manufacturing Footprint und Kundenbasis müssen sie die Risiken bewerten und entsprechende Maßnahmen vorbereiten. Für die Supply Base – die Lieferanten aus Großbritannien und der Umfang der gelieferten Teile – ist eine detaillierte Risikobewertung durchzuführen. Gegliedert nach Wichtigkeit und Wert der bezogenen Rohstoffe, Komponenten und Dienstleistungen müssen Unternehmen sich folgende Frage stellen: Wie viel teurer und aufwändiger wird es zukünftig, diese Waren und Dienstleistungen aus Großbritannien zu beziehen? Hierbei sind neben den Kosten auch Lieferzeiten, Normen und Vorschriften zu bewerten. Anhand dieser Lieferanten-Risikoanalyse müssen Unternehmen ggf. nach Alternativen im EU-Raum suchen.
  • Unternehmen, die in Großbritannien fertigen, müssen kritisch prüfen, ob und wie sich die Kosten und rechtlichen Rahmenbedingungen bei einem Brexit ändern könnten. Auch hier sollte erwogen werden, die Produktion in ein anderes Land zu verlagern.

  
Veränderungen für deutsche Unternehmen, die in Grossbritannien Produkte absetzen

  • Bei einem Brexit sind bestimmte Local-Content-Anforderungen genauso wie Buy-Local-Bewegungen zu erwarten. Damit geht ein stetiger Preisdruck einher. Dazu müssen Unternehmen die eigenen Lieferketten anpassen und eine Verlagerung von Produktionskapazitäten in alternative europäische Regionen erwägen.
  • Produktspezifische Anforderungen können dazu führen, dass Testverfahren und Zertifizierungen gesondert dokumentiert und erbracht werden müssen. Zudem müssen bereits bei der Entwicklung der Produkte die Zielmärke klar abgegrenzt werden.
  • Die Produkte wären nicht „Made in Europe”, sondern würden unter dem Label „Made in GB” laufen. Dies führt zu einem erheblichen Risiko für Unternehmen, die gerade auf Nischenmärkten agieren oder auch eine „Ein-Kunde”-Strategie verfolgen.
  • Mit einem Brexit könnte die Arbeitnehmerfreizügigkeit kippen. Der freie Einsatz ihrer Mitarbeiter innerhalb der europäischen Union wäre für Unternehmen dann weniger flexibel. Unternehmen könnten dann weniger flexibel Mitarbeiter frei innerhalb der europäischen Union einsetzen.

  
Das Fazit

Angesichts eines möglichen Brexit ist es für produzierende Unternehmen ratsam, sich bereits frühzeitig auf eine Umstellung vorzubereiten. Ein Brexit würde wahrscheinlich den Zugang zum EU-Binnenmarkt einschränken.

Um sich auch zukünftig erfolgreich im Markt zu positionieren, müssen derzeitige Produkt-Mixes in den jeweiligen Absatzmärkten überdacht und geprüft werden. Dabei zu berücksichtigen sind alle möglichen rechtlichen oder marktbedingten Restriktionen zu berücksichtigen.
 
Das kann auch eine Chance sein, um die eigenen Prozesse ganzheitlich zu überprüfen.

Unternehmen, die vorausschauend einem möglichen Brexit begegnen wollen, müssen folgende Punkte beachten:

  1. Nur schlanke und verschwendungsfreie Prozesse können die Produktion effizienter machen.
  2. Auf externe Restriktionen können Unternehmen nur mit Flexibilität reagieren.
  3. Aufeinander abgestimmte Prozesse im In- und Ausland verringern die Reibungspunkte innerhalb Ihres Unternehmens.

Haben Sie noch Fragen zum Thema oder wünschen Sie Unterstützung für die Umsetzung der Maßnahmen in Ihrem Unternehmen? Kontaktieren Sie uns gerne.​​​

Rechtliche Grundlagen zum Brexit

von Jan Eberhardt, Rödl & Partner Großbritannien
 

Verfahren zum Austritt

Art. 50 Abs. 1 EUV (Vertrag von Lissabon) bestimmt, dass jeder Mitgliedstaat im Einklang mit seinen Verfassungsvorschriften beschließen kann, aus der Union auszutreten. Insbesondere muss der betreffende Mitgliedstaat keine Gründe für seinen Austritt nennen. Um eine, wenngleich rechtlich unverbindliche, Grundlage dazu zu haben, ob ein entsprechender Austrittsantrag seitens der britischen Regierung gestellt werden soll, fand am 23. Juni 2016 eine Volksabstimmung als Referendum statt, das zugunsten eines Austritts ausging.
  

Ein von Großbritannien nach Art. 50 Abs. 1 EUV gefasster Beschluss ist gemäß Art. 50 Abs. 2 EUV dem Europäischen Rat mitzuteilen, der dann mit dem betreffenden Staat ein Austrittsabkommen aushandelt.
 

EU-Botschafter Tim Barrow hat das von Premierministerin Theresa May unterzeichnete Austrittsgesuch am 29. März an EU-Ratspräsident Donald Tusk übergeben und damit offiziell Artikel 50 des EUV ausgelöst. EU-Ratspräsident Tusk stellte daraufhin die Entwurfsfassung der Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen vor, nach denen in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 50 EUV, jedoch entgegen der Vorstellung von Premierministerin May, in zwei getrennten Phasen zunächst der EU-Austritt zu klären und erst danach die Grundsätze für eine künftige Zusammenarbeit festzulegen wären. Anfang April 2017 sprach sich auch das EU-Parlament mit großer Mehrheit gegen die gleichzeitige Verhandlung von Austritt und künftigen Handelsbeziehungen aus. Mit dem Beginn der Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU zu den Einzelheiten des Austritts ist im Frühsommer zu rechnen.
 

Das Austrittsabkommen wird nach dem für internationale Übereinkünfte üblichen Verfahren des Art. 218 Abs. 3 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) erarbeitet. Während der Verhandlungen ändert sich der Mitgliedsstatus Großbritanniens nicht und alle Rechte und Pflichten bestehen weiter. Das gleiche gilt für sämtliche Regelungen, die auf EU-Recht basieren und entweder direkt gelten oder durch nationale Bestimmungen umgesetzt wurden.
 

Nach dem vollzogenen Austritt ist Großbritannien aus Sicht der EU letztlich Drittland. Für künftige interstaatliche Beziehungen kommen daher nach dem AEUV insb. Zoll- und Handelsabkommen nach Art. 207 AEUV sowie Assoziierungsabkommen i.S.d Art. 217 AEUV in Betracht.
 
Die Richtung der kommenden Austrittsverhandlungen mit der EU hat Premierministerin May Anfang 2017 proklamiert. Sofern kein zufriedenstellendes Verhandlungsergebnis erzielt werden könne, strebt sie im Zweifel einen harten Brexit ohne Abkommen an, so dass Großbritannien weder Mitglied der Europäischen Zollunion noch des EU-Binnenmarktes bliebe und sich die interstaatlichen Beziehungen somit nach WTO-Regeln beurteilten.
 
Diese Vorgehensweise wäre rechtlich möglich, denn ein Abkommen nach Art. 50 Abs. 2 EUV (i.V.m. Art. 218 Abs. 3 AEUV) ist keine konstitutive Voraussetzung für den Austritt eines Mitgliedstaates. Kommt es nicht zu einem Austrittsabkommen, so wird der Austritt in jedem Fall 2 Jahre nach der Mitteilung des Mitgliedstaates an den Europäischen Rat (i.S. d. Art. 50 Abs. 1 EUV) wirksam, sofern der Europäische Rat und der betroffene Mitgliedstaat keine einvernehmliche Verlängerung der Zweijahresfrist beschließen (Art. 50 Abs. 3 EUV). Umgekehrt kann ein Austrittsverfahren wesentlich länger dauern als 2 Jahre (und das wäre wohl eine realistische Erwartung) und damit einen längeren Zeitraum mit entsprechenden Unsicherheiten zur weiteren Planung bedeuten. Es erscheint letztlich auch möglich, wenngleich nicht positiv geregelt und auch nicht wahrscheinlich, dass der Austrittsantrag seitens Großbritanniens zurückgenommen wird und ein Austritt damit nicht stattfindet.

Zollrecht

von Ewald Plum, Rödl & Partner Stuttgart
 

Zum 29. März 2017 wurde der Antrag auf den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) gestellt. Der Brexit wird wohl jetzt zum 31. Januar 2020 vollzogen werden. Europäische Unternehmen mit Warenlieferungen aus und nach Großbritannien müssen sich auf wesentliche Änderungen einstellen. Bislang war der Handel mit Großbritannien aufgrund des Grundsatzes des freien Warenverkehrs innerhalb der EU ohne zollrechtliche Formalitäten möglich.

         
Wird Großbritannien kein gesonderter Status eingeräumt, ist es ab dem Tag des Austritts ein Drittland, vergleichbar bspw. mit den USA. Warenlieferungen nach Großbritannien werden damit Ausfuhrlieferungen und sind ebenso abzuwickeln wie Warenlieferungen in Drittländer. Zollrechtliche Deklarationspflichten und Anmeldepflichten werden dementsprechend zu erfüllen sein. Hier eine kleine Übersicht zu den Unterschieden der Abwicklung einer Transportsendung innerhalb der EU sowie mit Drittländern:

 

 

Behandlung EU

Behandlung Drittland (UK)

Ausfuhrabwicklung

Nein
Ja
Ausfuhranmeldung
Nein
Ja

Warenursprung und Präferenzen

 
 
Präferenznachweise
Lieferantenerklärungen
Warenverkehrsbescheinigung/
Erklärungen auf Rechnung/
Für UK gelten diese nicht mehr. Von UK auch bis zum 31. Januar 2020 ausgestellte Nachweise werden von der EU nicht mehr anerkannt.
Registrierter Ausführer (REX)
Nein
Trifft für UK nicht mehr zu, ab dem 1. Februar 2020 kann UK keine Präferenznachweise mehr für Exporte in FTA- Abkommens Länder der EU (z.B. Kanada oder Japan) ausstellen.
Präferenzermittlung
Ja
Nein, UK muss eigene FTA abschließen.
Territorialitätsprinzip
Ja
Ergibt sich ggf. aus den neuen UK- FTA‘s.
Direktbeförderung
Nein
Ergibt sich ggf. aus den neuen UK- FTA‘s.
Nicht-Präferenzieller Ursprung
UZK-Regelungen
Derzeit noch unklar
Made-In-Kennung
Markengesetz
Derzeit noch unklar

Einfuhr

 
 
 
WTO-Zollwert
Nutzung des WTO-Zollwertabkommen derzeit noch unklar
 
Einreihung
HS-System
 
Zolltarif EU
Ausgangszollsatz soll der derzeit für die EU geltende Zollsatz sein.

Innerbetriebliche Prozesse

 
 
 
Intrastat-Meldungen
Nein, ggf. eigene Meldungen
 
Umsatzsteuer-Regelungen
Derzeit noch unklar
 
Innergem. Erwerb/ Verbringen
Ausfuhr

Exportkontrolle

Ja
Ja, Ausgangspunkt sind die Regelungen der EU-Dual-Use-Verordnungen, inwiewiet die EU- Embargoverordnungen übernommen werden ist noch unklar.
Ausfuhrgenehmigungen
Grds. nein
Ja
Nutzung von Allgem. Ausfuhrgenehmigungen
Nein
Ja, mit Klärungsbedarf

 

(Für eine optimale Darstellung der Tabelle empfiehlt sich die Nutzung eines Desktop-PC.)


Selbst wenn Großbritannien einen mit der Schweiz vergleichbaren Status einnehmen würde und ent­sprechende staatliche Verträge geschlossen werden – zoll­rechtlich bliebe Großbritannien ein Drittland. Durch Freihandelsabkommen könnten zwar die Zollsätze reduziert werden, das würde jedoch einen erhöhten bürokratischen Aufwand für Unternehmen bedeuten, da die Zollreduzierung von bestimmten, nachzuweisenden Voraussetzungen abhängig wäre. Mit dem Austritt aus der EU werden auch Freihandelsabkommen, die die EU schließen wird und geschlossen hat, für Großbritannien nicht mehr ohne weiteres gelten.
 
Trotzdem soll der Waren­verkehr zwischen der Europäischen Union und Großbritannien möglichst frei bleiben. Wie das umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die UK- Zollverwaltung hat signalisiert für die Einfuhrhabwicklung für einen Übergangszeitraum Vereinfachungsregeln für UK- Importeure einzuführen. Diese sollen jedoch nicht für EU- Lieferunternehmen, die im eigenen Namen die Zollabfertigung in UK vornehmen lassen, gelten.
 
Die Auswirkungen des Brexit im zollrechtlichen Bereich hängen also wesentlich davon ab, welchen zollrechtlichen Status die EU und Großbritannien miteinander vereinbaren werden. Angestrebt wird wahrscheinlich ein „Freihandelsabkommen”, aber zumindest in einer Übergangsphase dürften bis dahin Handels­barrieren zu Großbritannien und dadurch auch zusätzlicher Verwaltungsaufwand für europäische Unternehmen entstehen.

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