Covid-19: Einfluss liqui­di­täts­scho­nender Maßnahmen auf Kaufpreis­mecha­nis­men

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veröffentlicht am 23. September 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die aus der Corona-Pandemie resultierenden Unsicherheiten sollten bei Unterneh­mens­transaktionen ausreichend in den Kaufpreismechanismen reflektiert werden. Aufbauend auf einem Überblick über mögliche Kaufpreismechanismen spiegelt der Beitrag die Wirkung möglicher aktueller Covid-19-Maßnahmen auf die Bestandteile der Kaufpreisfindung und beschreibt, wie die Maßnahmen bei der Umsetzung der Kauf­preis­mechanismen berücksichtigt werden können. 


Beim Kauf bzw. Verkauf eines Unternehmens wird i.d.R. ein auf Grundlage gängiger Bewertungsmethoden ermittelter Gesamtkaufpreis (Enterprise Value) vereinbart. Dabei stellt die Bewertungsmethode häufig als Multiplikator auf eine nachhaltigen Ergebnisgröße ab – meist auf das normalisierte EBITDA oder EBIT. Die Überleitung vom Ausgangswert auf den letztendlichen Kaufpreis (Equity Value) erfolgt mittels einer Kauf­preisüberleitung (Equity Bridge), die meist aus den Netto-Finanzschulden (Net Debt) und aus Korrekturen bei Abweichungen vom üblichen Netto-Umlaufvermögen (Working Capital) besteht.

Die Kaufpreisüberleitung kann als Locked Box-Mechanismus ausgestaltet sein, sodass der Kaufpreis bereits am Ende der Verhandlungen feststeht – also zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrags (Signing). In dem Fall wird der Kaufpreis üblicherweise anhand der Finanzdaten des jüngsten Abschlusses des Zielunter­nehmens quantifiziert. Damit erfolgt der wirtschaftliche Übergang des Unternehmens bereits zum Stichtag des Abschlusses – also vor dem Signing.

Andererseits können die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Kaufpreis noch längere Zeit – etwa bis zum Vollzug des Kaufvertrags (Closing) – einer Anpassung unterliegen soll und wählen entsprechend einen sog. „Closing Accounts-Mechanismus”. Dafür wird auf den Tag, an dem die Anteile auf den Käufer übergehen, ein Stichtagsabschluss (Closing Accounts bzw. Completion Accounts) erstellt und der endgültige Kaufpreis dann auf der Basis berechnet und ausgeglichen. Damit erfolgt der wirtschaftliche Übergang des Transaktionsobjekts i.d.R. erst zu einem Stichtag nach Abschluss des Kaufvertrags.

Angesichts der bestehenden Unsicherheiten aus den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf kaufpreis­beeinflussende Faktoren empfehlen sich derzeit die Closing Accounts für die Wahl des Kaufpreismechanismus. Das gilt insbesondere deshalb, da beim Mechanismus die Auswirkung der vom Transaktionsobjekt ergriffenen Maßnahmen und ihrer Wirkungen für einen längeren Zeitraum berücksichtigt werden können. Im Gegensatz dazu stellt der Locked Box-Mechanismus auf die Zustände zum letzten Bilanzstichtag ab, die je nach kalenda­rischem Geschäftsjahresende die zwischenzeitlich erkennbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht oder nicht angemessen in der Ermittlung des letztendlichen Kaufpreises abzubilden vermögen.

Earn-out Vereinbarungen ermöglichen es zudem, die künftige Entwicklung eines zum Verkauf stehenden Unternehmens kaufpreiswirksam zu berücksichtigen: Damit kann angesichts der Corona-bedingten Unsicherheit der relevante Betrachtungszeitraum auf eine Zeit jenseits des wirtschaftlichen Übergangs des Unternehmens auf den Käufer verlängert und der Verkäufer weiterhin für eine begrenzte Zeit an der Entwicklung des Unternehmens beteiligt werden.

Viele Maßnahmen, die Unternehmen zur Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie ergreifen können, entfalten eine Wirkung auf eben diese Bestandteile der Kaufpreisfindung. Nachfolgende Übersicht gliedert eine Auswahl liquiditätsschonender Maßnahmen und veranschaulicht deren potenzielle Wirkung auf die Bestandteile der Kaufpreisfindung.


Übersicht liquiditätsschonender Maßnahmen und Wirkung auf Bestandteile der Kaufpreisfindung


 
Die operativen Aufwendungen des Jahres 2020 sollten darauf untersucht werden, inwieweit sie von Einspa­rungen beeinflusst sind. Die Analyse dient einerseits dazu festzustellen, wie eine normalisierte Kostenstruktur nach Beendigung der Maßnahmen aussieht, um darauf aufbauend eine nachhaltige Ergebnisgröße für die Berechnung des Enterprise Value zu ermitteln. Andererseits ist zu klären, ob Einsparungen lediglich kurzfristig wirken oder auch mittel- und langfristige Auswirkungen auf den Geschäftserfolg haben. Maßnahmen mit Wirkung auf eine Ergebnisgröße sind zudem dahingehend zu analysieren, ob sie zu einer zeitlichen Verschie­bung des Aufwands führen oder ob der jeweilige eingesparte Aufwand zukünftig ersatzlos entfällt.

Bspw. verbessern Mietstundungen sowie temporäre Gehalts- und Bonikürzungen oder die Verschiebung notwendiger Aufwendungen wie Instandhaltungsaufwendungen kurzfristig die Liquidität. Die Stundung oder Verschiebung von Auszahlungen wirkt zwar schonend auf die Liquidität eines Unternehmens, entledigt es aber nicht von seinen finanziellen Verpflichtungen. Daher sind Stundungen und Verschiebung von Auszahlungen grundsätzlich als Netto-Finanzschulden zu klassifizieren, unabhängig davon ob die Verpflichtung handelsrechtlich als Verbindlichkeit oder Rückstellung zu verbuchen ist.

Die Verschiebung von operativen Aufwendungen kann in bestimmten Fällen auch Auswirkungen auf die mittel- bzw. langfristige Entwicklung des Transaktionsobjekts haben. Eine Verringerung der Aufwendungen für Forschung & Entwicklung – etwa das Unterbleiben oder die Verzögerung klinischer Studien bei einem Unter­nehmen in der Pharma-Branche oder von Entwicklungsaufträgen für Prototypen bei einem Unternehmen in der Automobilzulieferbranche – zeigt ihre kurzfristige Wirkung zweifelsfrei an der Ergebnisgröße, mittel- und langfristig wird sie zusätzlich den Erfolg und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens bis hin zu dessen Fähigkeit künftiger Kapitalmaßnahmen beeinflussen. Plastisch mag das die Verringerung von Marketing­aufwen­dungen zeigen, in deren Folge beispielhaft der Eintritt in einen neuen Markt unterbleibt. Solche von Unternehmen ergriffenen Maßnahmen haben unmittelbare Auswirkungen auf den Enterprise Value und können bspw. über einen verringerten Multiplikator bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt werden.

Im Gegenzug stellen Maßnahmen, die lediglich den Einsatz vorhandener Ressourcen kurzfristig an den verminderten Bedarf anpassen (z.B. Kurzarbeit), weder Stundungen noch eine Verschiebung von Auszahlungen dar. Solche Maßnahmen sind lediglich zu bereinigen, um zu einer normalisierten Kostenstruktur überzuleiten. Die nach erfolgreicher Beantragung von Hilfsmaßnahmen der öffentlichen Hand – etwa Kurzarbeitergeld – als Forderungen verbuchten erhaltenen Zusagen können grundsätzlich, soweit noch ausstehend, wie liquide Mittel – also als cash-like item – zu behandeln sein.

Eine andere Art von Auszahlungsverschiebung stellt das Unterlassen von Investitionen in das Anlagevermögen dar. Ein verabschiedeter Investitionsplan ist daher grundsätzlich im Transaktionskontext ein Analysefeld für Finanzschulden. Insbesondere in Zeiten von Corona ist jedoch vermehrt damit zu rechnen, dass Investitions­budgets bis zum Vollzugstag nicht wie vorgesehen erfüllt werden. Einsparungen liquider Mittel aus bis dahin vorgesehenen, aber nicht umgesetzten Investitionsvorhaben sollten im Kaufpreismechanismus als Finanz­schulden berücksichtigt werden, wenn die Investitionen auch im ggf. angepassten Markt- und Wettbewerbs­umfeld benötigt werden. Eine entsprechende Capex-Klausel im Kaufvertrag mag verhindern, dass das planwidrige Hinauszögern oder Unterlassen von Investitionen durch einen entgegen gerichteten Abzugsposten vom Kaufpreis kompensiert wird. Ähnlich wirken Sale and Lease-back-Vereinbarungen: Dem Unternehmen fließen aus dem Verkauf von Anlagevermögen zwar liquide Mittel zu, umgekehrt erhöht jedoch der Barwert künftiger Leasingverpflichtungen dessen Finanzschulden.

Soweit jedoch dem Unternehmen betriebsnotwendige Anlagen vorenthalten bleiben, können die Auswirkungen auf den Kaufpreis über den Abzug der Höhe der unterlassenen Investitionen hinausgehen. Insbesondere wenn sich die Realisierung des Business Plans grundlegend ändert. Angesichts derartiger Auswirkungen auf die Wachstumsdynamik des Unternehmens mag für einen Käufer ein zuvor vereinbarter Multiple nicht mehr sachgerecht sein – jenseits einer entsprechend angepassten Ergebnisgröße als Bemessungsgrundlage.

In wirtschaftlicher Hinsicht ähnlich zu beurteilen wie Stundungen operativer Aufwendungen sind Steuer­stundungen (Verschiebung der Fälligkeit) oder die Aussetzung der Vollziehung (Fälligkeit bleibt bestehen, aber der Anspruch wird vom Finanzamt nicht durchgesetzt). Solche Maßnahmen führen in der Bilanz normalerweise zu sonstigen Verbindlichkeiten oder zu Steuerrückstellungen und stellen grundsätzlich als debt oder debt-like item einen Abzugsposten bei der Kaufpreisberechnung dar.

Bei den Maßnahmen im Steuerbereich ist das Thema Verlustrücktrag besonders zu würdigen. Wurde bspw. ein pauschalierter (vorgezogener) Verlustrücktrag in Form der Herabsetzung und Erstattung bereits geleisteter Vorauszahlungen für 2019 in Anspruch genommen, so ist zu überlegen, bis zu welchem Zeitpunkt die Verluste und damit die Steuererstattung dem Verkäufer zustehen. Ergibt sich im Laufe des Jahres, dass die Verlust­prognose zu hoch oder zu niedrig war, wird das bei der Steuerfestsetzung für 2020 wieder korrigiert. Im Kaufvertrag sollte daher festgehalten werden, wie die Berechnung der Steuererstattung in Abhängigkeit von den schlussendlich zugewiesenen Verlusten vorgenommen werden soll.

Bei allen von der Zielgesellschaft beantragten Corona-Hilfsmaßnahmen der öffentlichen Hand sollte jedoch unabhängig von der Abbildung solcher Maßnahmen in der Kaufpreisbrücke bei einer vor dem Kauf statt­findenden Due Diligence besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, ob die Antragsvoraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben. Da die Anträge erst nachgelagert geprüft werden können, ist nicht auszu­schließen, dass einzelne Hilfsmaßnahmen rückwirkend versagt werden. Werden z.B. aufgrund der Corona-Pandemie die Steuervorauszahlungen herabgesetzt und stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Voraus­setzungen dafür nicht vorlagen, so trifft die Zahlungsverpflichtung den Käufer. Das Risiko sollte bei der Ermittlung des Kaufpreises berücksichtigt werden bzw. – sofern eine verlässliche Schätzung möglich ist – im Unternehmenskaufvertrag bspw. durch entsprechende Steuerklauseln abgesichert werden.

Weitere Maßnahmen können unmittelbar das Netto-Umlaufvermögen betreffen. Die Vorräte kann ein Unternehmen z.B. über eine Verringerung der Produktion und der Lagerhaltung beeinflussen. Oft ändern Unternehmen in Krisenzeiten auch ihre Zahlungsziele – sei es nach Vereinbarung mit ihren Geschäftspartnern oder eigenmächtig. Insofern gilt es, ein besonderes Augenmerk auf überfällige Verbindlichkeiten zu richten, um abnormale Sachverhalte zu identifizieren und zu quantifizieren. Bei gestaltungsbedingt überfälligen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ist eine Klassifikation als Netto-Finanzschulden zu überlegen. Unabhängig vom Einfluss liquiditätsschonender Maßnahmen auf das Nettoumlaufvermögen muss analysiert werden, ob das Nettoumlaufvermögen in den Monaten während der Corona-Krise nicht von der üblichen Entwicklung des Working Capital des Unternehmens entkoppelt ist. Für die Ermittlung des Target-Working Capital sollten Zeiträume, die von solchen Sondereffekten gezeichnet sind, nicht berücksichtigt werden.

Die bei der Corona-Krise getroffenen Finanzierungsmaßnahmen sind auf Ihre Marktüblichkeit hin zu unter­suchen. So können bspw. Hilfskredite nicht marktübliche Konditionen aufweisen. Insbesondere aus Ver­käufersicht könnte auf die Marktwert-Buchwertdifferenz hingewiesen werden, die kaufpreiserhöhend angesetzt werden könnte. Kurzfristig wirkende Forderungsverzichte von Gesellschaftern oder anderen Gläubigern sind stattdessen darauf zu untersuchen, ob sie Verpflichtungen für das Transaktionsobjekt nicht nach der Transaktion wieder aufleben. In solchen Fällen ist jedenfalls ein Abzug der entsprechenden Verpflichtungen vom Kaufpreis in Erwägung zu ziehen. In der Corona-Krise aufgelegte Mitarbeiterbeteiligungs­programme zur Schonung der kurzfristigen Liquidität können bereits zum Closing zu entsprechenden Auszahlungen führen, die kaufpreismindernd anzusetzen sein könnten. Eine Kaufpreisreduzierung in Höhe des Wertes des ESOP/VSOP-Programms ist jedenfalls dann als sachgerecht einzustufen, wenn die verringerten Personalaufwendungen bei der Ermittlung des Enterprise Values angesetzt wurden.


Fazit

Die Beispiele veranschaulichen, wie vielschichtig liquiditätsschonende Maßnahmen auf den Kaufpreis wirken können. Detaillierte Analysen in der Due Diligence-Phase sind daher in dem Zusammenhang unerlässlich. Erst eine vollständige Transparenz über vorgenommene liquiditätsschonende Maßnahmen ermöglichen eine hinreich­ende Definition von Kaufpreisklauseln und/oder Garantien und Freistellungen im Unternehmenskauf­vertrag.

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