LCNC: Urheberrechtsschutz von Low-Code / No-Code?!

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 16. September 2024 |​​ Lesedauer​ ca. 4 Minuten​
   

Low-Code- und No-Code- („LCNC“-) Plattformen ermöglichen es Unternehmen, Computerprogramme ohne Programmierkenntnisse selbst zu erstellen. Dies erspart häufig die zeit- und kostenaufwendige Erstellung durch externe Anbieter oder den Kauf teurer fertiger Software. Doch müssen bei der Nutzung von LCNC-Plattformen deren Urheberrechte beachtet werden? Und: Was ist mit eigenen Urheberrechten an den entwickelten LCNC-Anwendungen?
  
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LCNC-Plattformen bieten vorgefertigte Module an, die wie im Baukastensystem zu eigener Software zusam­mengesetzt werden können. Beim Low-Code entfällt dadurch ein Großteil des sog. Codings, d. h. des Programmierens. Beim No-Code wird überhaupt nicht programmiert. Da wenig bis keine Programmier­kennt­nisse erforderlich sind, wird die Entwicklung von Computerprogrammen mittels LCNC-Plattformen erheblich vereinfacht. Auch die Entwicklungszeit wird durch vorgefertigte Module und Drag-and-Drop-Funktionalitäten erheblich verkürzt.
  
​​Mit der wachsenden Nutzung von LCNC-Plattformen stellt sich die Frage nach dem urheberrechtlichen Schutz sowohl an den vorgefertigten Modulen der LCNC-Plattformen als auch an den mit Hilfe von LCNC-Plattformen erstellten Computerprogrammen.
  
Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) schützt „Werke“, wozu auch „Computerprogramme“ gehören (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Computerprogramme werden allerdings nur dann vom UrhG geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind (§ 69a Abs. 3 S. 1 UrhG).
  
Erfüllen vorgefertigte LCNC-Module diese Voraussetzungen? Wie ist die Rechtslage bei den fertig erstellten LCNC-Anwendungen?
  

​​Urheberrechtsschutz an vorgefertigten Modulen der LCNC-Plattformen

Als Computerprogramm geschützt können nicht nur Programme insgesamt sein, sondern auch Programmteile und -module.
  
Häufiges Problem dabei ist, ob LCNC-Module die für den urheberrechtlichen Schutz nötige sogenannte Individualität oder Schöpfungshöhe erreichen. Individualität oder Schöpfungshöhe meint, dass sie das Ergebnis individuellen geistigen Schaffens sind. Dabei genügt (noch) ein Minimum an Individualität. Der Programmierer muss also einen Gestaltungsspielraum genutzt haben, was bei der Erstellung von Programm­code häufig der Fall sein kann.
  
LCNC-Module können demnach grundsätzlich urheberrechtlichen Schutz genießen, was anhand des Einzelfalls zu prüfen ist.
  

​Urheberrechtsschutz an NCLC-Anwendungen

Auch für den urheberrechtlichen Schutz der erstellen NCLC-Anwendungen gilt die bereits beschriebene Voraussetzung der sog. Individualität oder Schöpfungshöhe, die gerade bei No-Code Anwendungen problem­atisch sein kann: 
Bei No-Code-Anwendungen ist kein Coding durch den Nutzer erforderlich. Es werden lediglich bereits vor­handene Module zusammengesetzt. Nur wenn dafür ein hinreichender Gestaltungsspielraum besteht, kann sich aus der Zusammensetzung, also aus der konkreten Anordnung der Module, ein urheberrechtlicher Schutz ergeben. Dafür muss zumindest eine nicht unerhebliche Anzahl an Modulen im Hinblick auf den konkret der Anwendung dienendem Zweck zusammengesetzt werden. Erst dann erreicht eine No-Code-Anwendung die nötige Schöpfungshöhe. Eine absolute Neuheit ist für das Entstehen eines Urheberrechtsschutzes indes nicht erforderlich.
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Bei Low-Code-Anwendungen erfolgt zumindest ein teilweises Coding, das zu einem urheberrechtlichen Schutz führen kann. 
  
Im Ergebnis ist ein Urheberrechtsschutz von LCNC-Anwendungen also möglich. Diese Beurteilung unterliegt ebenfalls immer der Einzelfallprüfung. 
  

​Nutzungsbedingungen der LCNC-Plattformen beachten!

Da bei LCNC-Plattformen und Nutzern Urheberrechte an LCNC-Anwendungen entstehen können, sollten Nutzer die Lizenzbedingungen der Plattformen genau prüfen. Zum einen Hinblick auf die Rechte an den Modulen, zum anderen im Hinblick auf ihre eigenen Rechte.
  
Oft behalten sich die Plattformanbieter etwa bestimmte Rechte an den von ihnen zur Verfügung gestellten Modulen vor. Es ist deshalb wichtig, die Lizenzbedingungen der Plattformen zu beachten und notfalls klare (individuelle) Vereinbarungen über die Nutzungsrechte an den Modulen zu treffen. Unter Umständen ist sonst eine vollumfängliche Nutzung der LCNC-Entwicklung für den vorgesehenen Unternehmenszweck gar nicht möglich.
  
Auch an den selbst entwickelten LCNC-Anwendungen können durch die Arbeit der Entwickler Urheberrechte entstehen. Teilweise lassen sich LCNC-Plattformen (einfache) Rechte an dem Input, den der Entwickler liefert, einräumen. Auch dies kann nachteilig für Unternehmen sein, wenn es ihnen es darauf ankommt, dass nur sie Inhaber an den Rechten ihrer entwickelten LCNC-Anwendung sind. Auch hier sollten Unternehmen die Nutzungsbedingungen aufmerksam prüfen.
  
Mit der richtigen Herangehensweise sollten Unternehmen außerdem sicherstellen, dass sie ihre Software-Entwicklung ausreichend dokumentieren, um einen eigenen etwaigen Urheberrechtsschutz auch nachweisen zu können. Screenshots, Entwicklungsprotokolle und andere Nachweise können dabei hilfreich sein.
  

​Weiterer rechtlicher Fallstrick für Unternehmen: Unzureichende Regelung der Urheberrechte der Entwickler 

Neben den Fragen, die sich zu den Rechten bei der Nutzung von LCNC-Plattformen stellen, ist ganz grund­sätzlich und unabhängig von der Nutzung von LCNC-Plattformen beim Einsatz von Software-Entwicklern zu beachten:
Urheberrechte entstehen immer und nur bei der Person, die ein Werk schöpft, bei Software-Entwicklungen also beim Entwickler. Bei externen Entwicklern, die auf Auftrag eines Unternehmens arbeiten, ist es daher sinnvoll, im jeweiligen Vertragsverhältnis auch die ausreichende Rechtseinräumung an das Unternehmen zu regeln.
  
Bei unternehmensinternen Entwicklern sieht die Lage etwas anders aus. Oft herrscht hier die Vorstellung, die Rechte an einer Software-Entwicklung gehörten „automatisch“ und ohne weiteres dem Unternehmen. Es gibt allerdings – anderes als etwa in den USA – im Urheberrecht grundsätzlich kein „work made for hire“. D. h. auch bei Werken von Arbeitnehmern entsteht das Urheberrecht beim Arbeitnehmer und nicht bei seinem Arbeitgeber. Einzige Ausnahme ist eine softwarespezifische Regelung im UrhG, nämlich § 69b UrhG. Danach stehen die vermögensrechtlichen Befugnisse an Computerprogrammen, die ein Arbeitnehmer geschaffen hat, dem Arbeitgeber zu, sofern nichts anderes vereinbart ist. Trotz dieser gesetzlichen Besonderheit bei Software sollten Unternehmen sich nicht nur auf das Gesetz verlassen, sondern bei ihren unternehmensinternen Software-Entwicklern darauf achten, dass diese dem Unternehmen ihre Rechte an ihren Entwicklungen vollständig eingeräumt haben, um sicherzustellen, dass alle notwendigen Rechte an der Entwicklung beim Unternehmen liegen. Dies kann etwa durch eine Klausel im Arbeitsvertrag oder eine arbeitsvertragliche Ergänzungsvereinbarung geschehen.
  

Key Take-aways für die Praxis: 

  • ​Die Nutzungsbedingungen der LCNC-Plattformen sollten VOR der Nutzung der Plattform und der Entwick­lung einer LCNC-Anwendung überprüft werden, wie die Rechte an den Modulen geregelt sind und ob der Plattform Rechte an der Entwicklung eingeräumt werden.
  • ​Um die eigene Inhaberschaft eines etwaigen Urheberrechts an LCNC-Anwendungen und nachweisen zu können, ist es wichtig, dass Unternehmen ihre Entwicklungsschritte bei der Nutzung von LCNC-Plattformen dokumentieren. 
  • Zwischen Entwickler und Unternehmen sollten ausreichende Rechtevereinbarungen vorliegen – auch, wenn es sich um einen Arbeitnehmer handelt – damit die Rechte angestellter Software-Entwickler vollumfänglich beim Unternehmen liegen. ​
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