Grenzen der IP-Nutzung nach dem Erstverkauf: Erschöpfung im Marken- und Urheberrecht

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 19. August 2025 | Lesedauer ca. 5​ Minuten


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich entschieden, dass der Vertrieb von Kaffee einer geschützten Marke in der Türkei nicht zur sogenannten Erschöpfung von Markenrechten im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) führt (BGH, Urteil vom 3.7.2025 - I ZR 226/24) – ein Widerspruch zu dem Verbot, nach dem Einfuhrbeschränkungen zwischen der Türkei und der EU grundsätzlich verboten sind? In diesem Artikel erläutern wir den Erschöpfungsgrundsatz, welcher nicht nur im Marken- sondern auch im Urheberrecht gilt und geben wichtige Tipps für Rechteinhaber.


​Was bedeutet die „Erschöpfung“ von Rechten?​

Wer ein Buch kauft oder ein Parfum erwirbt, denkt selten darüber nach, ob er dieses Produkt später weiterverkaufen darf. Doch genau hier setzt ein zentraler Rechtsgrundsatz an, der sowohl im Urheberrecht als auch im Markenrecht eine wichtige Rolle spielt – der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz.

Erschöpfung bedeutet vereinfacht: Wenn ein urheberrechtlich oder markenrechtlich geschütztes Produkt einmal in Verkehr gebracht wurde, darf es anschließend weiterverkauft werden – ohne dass der Rechteinhaber dies verbieten kann, denn seine diesbezüglichen Rechte sind „erschöpft“.

Der Erschöpfungsgrundsatz dient dem freien Warenverkehr und der Begrenzung von Monopolrechten. Ohne ihn könnten Urheber oder Markeninhaber jeden Weiterverkauf untersagen – mit gravierenden Folgen für den Handel und die Verbraucher. Die Entscheidung über das erstmalige Inverkehrbringen soll zwar beim Rechteinhaber liegen, danach geht aber das Interesse an der weiteren Verwertung des Sacheigentümers im Hinblick auf den freien Warenverkehr dem Interesse des Rechteinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung seiner Rechte vor.

Der Grundgedanke ist folglich eine Balance zwischen dem Schutz von Rechten und dem freien Warenverkehr. Der Markeninhaber soll den wirtschaftlichen Wert seines Werkes bzw. seiner Marke realisieren können, aber nicht jeden weiteren Vertrieb kontrollieren dürfen. Gleiches gilt für den Urheber.

Bei der Erschöpfung handelt es sich um eine Schrankenbestimmung des Marken- bzw. Urheberrechts. Sie ist die Ausnahme und gilt ausschließlich für die gesetzlich normierten Fälle und Rechte. Einen allgemeinen Erschöpfungsgrundsatz zur Erschöpfung aller Rechte an einer Marke oder einem Werk gibt es hingegen nicht.

Erschöpfung tritt zudem nur für das konkret in Verkehr gebrachte Werkexemplar bzw. die konkret in Verkehr gebrachte Ware ein.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Erschöpfung trifft dabei denjenigen, der sich darauf beruft, d. h. wer die Ware oder das Werk weiterverwertet.


Erschöpfung im Markenrecht​

Im markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz geht es um die Benutzung von Marken für Waren, die unter dieser Marke vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Inland, der EU oder dem EWR in Verkehr gebracht wurden. Eine solche Benutzung kann der Markeninhaber gem. § 24 Abs. 1 MarkenG nicht untersagen. Durch das Inverkehrbringen durch ihn oder mit seiner Zustimmung ist dieses Recht zugleich erschöpft.


Beispiel:
​Ein erstmals verkauftes Parfum einer bestimmten Marke darf ohne Zustimmung des Markeninhabers weiterverkauft werden – auch in anderen EU- oder EWR-Staaten. Der Markeninhaber kann dies nicht verbieten. Etwas anderes gilt, wenn die Ware außerhalb des EWR erstmals auf den Markt kommt, dann gilt der Erschöpfungsgrundsatz nicht und der Markeninhaber kann verhindern, dass diese Produkte z. B. auf den Markt in der EU kommen.


Eine Ausnahme vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz gilt gem. § 24 Abs. 2 MarkenG dann, wenn der Markeninhaber berechtigte Gründe dazu hat, sich dem weiteren Vertrieb der Waren zu widersetzen. Als Beispiel nennt das Gesetz die Veränderung oder Verschlechterung der Waren nach ihrem Inverkehrbringen. Nach der Formel des BGH (BGH, Urt. v. 28.6.2018 – I ZR 221/16) liegt ein berechtigter Grund vor, wenn​

  • durch die konkrete Verwendung
  • die Herkunfts- und Garantiefunktion eines Zeichens verletzt oder
  • die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird

​Zum Erschöpfungsgrundsatz im Markenrecht hat der BGH kürzlich entschieden, dass keine Erschöpfung im EWR eintritt, wenn Markenprodukte vom Markeninhaber in der Türkei in Verkehr gebracht werden. In dem zugrundeliegenden Fall ging es um eine international geschützte Marke, deren Schutz sich auch auf die EU erstreckt. Nach dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei und dem Beschluss Nr. 1/95 des Assoziationsrats sind Einfuhrbeschränkungen zwischen der Türkei und der EU grundsätzlich verboten. Die Beschränkung der Erschöpfung auf den EWR ist, so der BGH, grundsätzlich eine verbotene Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen. Allerdings sind nach den vorgenannten Rechtsakten Ausnahmen aus Gründen des gewerblichen Eigentums ausdrücklich zulässig. Eine solche Ausnahme stelle die deshalb rechtmäßige Beschränkung des Erschöpfungsgrundsatzes dar.

Erschöpfung im Urheberrecht​

Im Urheberrecht betrifft die Erschöpfung ausschließlich das Verbreitungsrecht. Das Verbreitungsrecht ist das Recht des Urhebers, das Werk oder seine Vervielfältigungen der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1 UrhG). Gem. § 17 Abs. 2 UrhG ist das Weiterverbreitungsrecht jedoch dann erschöpft, wenn das Werk oder seine Vervielfältigungen mit Zustimmung Rechtsinhabers in der EU oder dem EWR im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht wurde.


Beispiel:
Ein in einem Buchladen gekaufter Roman darf später vom Käufer weiterverkauft oder verschenkt werden, ohne dass der Autor um Erlaubnis gefragt oder ihm eine Vergütung gezahlt werden muss.


Auch für einige dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte sind eine entsprechende Anwendung von § 17 Abs. 2 UrhG oder eigene Erschöpfungsregelungen vorgesehen. Eine eigene, spezielle Erschöpfungsregel für Computerprogramme ist in § 69c Nr. 3 UrhG normiert. Zu Software, die online vertrieben wird, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass auch hier Erschöpfung eintreten kann – unter der Bedingung, dass die ursprüngliche Kopie unbrauchbar gemacht wird (EuGH, Urt. v. 3. 7.2012 − C-128/11). Das schränkt die Kontrolle über digitale Vertriebswege erheblich ein. 

Auch in der Konsumgüterindustrie ist der Erschöpfungsgrundsatz ein wichtiges Thema. So hat erst kürzlich das Tribunal Judiciaire de Paris mit Urteil vom 10. April 2025 (RG Nr. 22/10720) zum Erschöpfungsgrundsatz bei upgecycelten Luxusprodukten entschieden (siehe hier unseren Artikel zu dieser Entscheidung).

Zu beachten ist, dass die Erschöpfung nicht für das sog. Vervielfältigungsrecht gilt. Wird also nach Verbreitung eines Werks davon ein Vervielfältigungsstück (etwa eine Kopie) hergestellt, sind die Rechte in Bezug auf dieses Vervielfältigungsstück gerade nicht erschöpft (EuGH, Urt. v. 22.1.2015 – C-419/13). Das bedeutet, dass dieses Vervielfältigungsstück nicht ohne Zustimmung des der Urhebers verbreitet werden darf.

Der Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht gilt zudem nicht für die Weiterverbreitung in Form der Vermietung, d. h. bei zeitlich begrenzter, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienenden Gebrauchsüberlassung (§ 17 Abs. 3 UrhG).


Tipps für die Praxis​

Der Erschöpfungsgrundsatz ermöglicht, rechtmäßig erworbene Markenprodukte und urheberrechtliche geschützte Werke weiterzuverkaufen, -verschenken oder auch zu importieren.

Für Rechteinhaber bedeutet der Erschöpfungsgrundsatz zum einen Kontrollverlust, zum anderen bietet er aber auch einen Anreiz zur strategischen Gestaltung von Vertriebswegen, technischen Schutzmaßnahmen und Produktpolitik. Zu beachten ist dabei, dass die Erschöpfungsregelungen zwingendes Recht sind, vertraglich also nicht ausgeschlossen werden können.

Veränderungen oder Verschlechterungen seiner Ware muss der Markeninhaber indes nicht hinnehmen – insbesondere, wenn dadurch Qualitätsstandards oder der Ruf der Marke gefährdet werden.

Wer seine Schutzrechte effektiv nutzen will, muss deren Grenzen kennen – und die verbleibenden Spielräume effizient ausschöpfen. Eine frühzeitige rechtliche Beratung und eine präzise Vertragsgestaltung der Vertriebswege sind dabei unerlässlich.

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