Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten und seine Auswirkungen auf das deutsche Asiengeschäft

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zuletzt aktualisiert am 5. Mai 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Die Asien-Pazifik-Region ist für deutsche Unter­­nehmen die mit Abstand wichtigste Wirtschafts­­region der Welt. Im Jahr 2020 gingen laut dem Bundes­­ministerium für Wirt­­schaft und Energie über 15 Prozent der deutschen Waren­­exporte nach Asien und über 21 Prozent der Waren­­importe stammten aus Asien. Bedeutendster Handels­­­partner Deutschlands ist nach wie vor China. Aber auch Indien und die Mit­glieder des südost­asiatischen Staaten­­bundes ASEAN spielen eine relevante Rolle im deutschen Außen­­handel. Das neue Gesetz über die unter­­nehmer­ischen Sorgfalts­­pflichten in Liefer­­ketten (LkSG) wird auf das Asien­­geschäft eine immense Aus­­wirkung haben. Das sich an inter­nationalen Maß­stäben im Bereich der Menschen­­rechte und Umwelt­­­standards orientierende Gesetz trifft auf eine politisch, sozial und wirtschaftlich viel­­schichtige Region. Dabei als deutsches Unter­nehmen die Übersicht zu wahren und die An­forderungen des LkSG zu gewährleisten, dürfte eine der großen Heraus­forde­rungen der inter­nationalen Rechts- und Compliance-Abteilungen der nächsten Jahre werden. Nach­folgend finden sich einige Überlegungen zur praktischen Um­setzung der neuen Vor­­gaben.




Risiken einordnen

Die Länder in der Asien-Pazifik-Region unterscheiden sich in ihrer Geschichte, ihren Rechtsordnungen, politischen Systemen und sozioökonomischen Gegebenheiten sehr. Die dem LkSG und seinen Compliance-Anforderungen zugrundeliegenden internationalen Abkommen sind in den Ländern nicht vollständig ratifiziert und umgesetzt worden. Auch bei unterschriebenen und umgesetzten Abkommen ist Vorsicht geboten, denn die effektive Rechtsdurchsetzung variiert in den verschiedenen asiatischen Ländern stark. Neben der allgemeinen Umsetzung des LkSG im Unternehmen (z.B. Zuständigkeiten, interne Verfahren etc.) sollten daher in einem ersten Schritt die eigene Lieferkette verstanden und die länder- sowie branchenspezifischen Risiken analysiert werden.


Ratifizierungsstatus internationaler Abkommen im Asien-Pazifik-Raum



Einkaufsstrukturen kritisch prüfen

Im Hinblick auf die dem LkSG zugrundeliegenden Ebenen der Lieferkette sollten Unternehmen ihre Einkaufs­strukturen in Asien kritisch überprüfen. Das LkSG bestimmt den eigenen Geschäftsbereich anhand „jeder Tätigkeit einer Gesellschaft als Rechtsträger des Unternehmens zur Erreichung des Unternehmensziels”. Dabei wird jede Tätigkeit, unabhängig davon ob sie an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen worden ist, erfasst. Das bedeutet, dass etwa die eigene Einkaufsabteilung in einem asiatischen Standort Teil des eigenen Geschäftsbereichs ist. Mit dem eigenen Geschäftsbereich ist der unmittelbare Zulieferer vertraglich oder organisatorisch verbunden und unterliegt ebenfalls den im LkSG bestimmten Sorgfalts­pflichten. Somit muss sich der eigene Geschäftsbereich sehr umfassend mit der Compliance der unmittelbaren Zulieferer in der Asien-Pazifik-Region befassen. Lokale Gegebenheiten und kulturelle Unterschiede dürften die Aufgabe verkomplizieren. Von dem unmittelbaren Zulieferer unterscheidet sich der mittelbare Zulieferer, der vertraglich mit dem unmittelbaren Zulieferer, aber nicht mit dem eigenen Geschäftsbereich verbunden ist. Aufgrund der nur eingeschränkten Einflussmöglichkeiten greift das LkSG nur bei substantiierter Kenntnis von möglichen Verletzungen geschützter Rechtsgüter. Daraus ergibt sich, dass die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern wichtig für das deutsche Unternehmen ist.


Das LkSG regelt ausdrücklich, dass im Falle von missbräuchlichen Gestaltungen der unmittelbaren Zuliefer­beziehungen oder Geschäften, die einer Umgehung der Pflichten gegenüber dem unmittelbaren Zulieferer dienen, der mittelbare Zulieferer als unmittelbarer Zulieferer betrachtet wird. Die Einbindung von externen Einkaufsgesellschaften zur Verschiebung der Compliance-Risiken muss daher im Rahmen des LkSG sorgfältig geprüft werden. Externe Einkaufsgesellschaften, die keinen nennenswerten eigenen Wirtschafts­tätigkeiten nachgehen oder keine auf Dauer angelegte Präsenz in Gestalt von Geschäftsräumen, Personal oder Aus­rüstungs­gegenständen haben, dürften daher nicht als unmittelbarer Zulieferer nach dem LkSG angesehen werden.


Vertragliche Risiken angehen

Wie bereits dargestellt, sind die Anforderungen bezüglich der Sorgfaltspflichten an den unmittelbaren Zulieferer, der in vertraglicher Beziehung zum eigenen Geschäftsbereich steht, hoch. Daher sollten die unmittelbaren Zulieferer entsprechend vertraglich eingebunden werden. Das kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Bereits bei der Lieferantenauswahl sollte die LkSG-Compliance Berücksichtigung finden. Erfolgt die vertragliche Bindung im Rahmen einer Lieferantenvereinbarung, sollte die LkSG-Compliance dort als Klausel aufgenommen werden. Bestehende Vereinbarungen sollten entsprechend geändert und ergänzt werden. Schwieriger dürfte die vertragliche Gestaltung bei kleinteiligen oder oft wechselnden Zulieferbeziehungen werden. Zum einen dürfte die Bereitschaft des Zulieferers zur LkSG-Compliance eher gering ausfallen. Zum anderen müssten derartige LkSG-Compliance-Klauseln auch wirksam in die Lieferantenbeziehung einbezogen werden. Insbesondere aufgrund der regionalen Bedeutung der vom „Common Law” geprägten Wirtschaftshubs Hongkong und Singapur könnten sich Fallstricke ergeben. Anders als in Deutschland gilt im Common Law bei kollidierenden AGBs die Theorie des „Last Shot”, wonach die zuletzt in eine Vertragsverhandlung einbezogenen AGBs insgesamt gelten. In typischen Einkaufsszenarien bedeutet das, dass der deutsche Einkäufer etwa bei der „Purchase Order” zunächst auf seine AGBs hinweist, der asiatische Geschäftspartner dann aber in der „Order Confirmation” abschließend auf seine AGBs (im Zweifel ohne LkSG-Compliance-Klausel) verweist. Um nun doch noch eine solche Klausel und im Zweifel auch andere Anliegen (wie etwa Gewährleistungsfristen etc.) in den Vertrag einzubeziehen, müsste der Einkäufer den AGBs des Zulieferers noch einmal widersprechen und auf seine eigenen AGBs hinweisen oder zumindest eine teilweise abweichende Vereinbarung treffen. Rechtliche Schwierigkeiten wie Formanforderungen, Zustimmungen und Dokumentation sind dabei leider vorprogrammiert. Unternehmen sollten daher bei ihren Einkaufsaktivitäten auf Vertragsgestaltung, Vertrags­management und eine ordentliche Lieferantenauswahl im Sinne der LkSG-Compliance Wert legen.


Fazit

Deutsche Unternehmen sollten sich umfassend mit der LkSG-Compliance in ihrem Asiengeschäft auseinander­setzen und sich vor Inkrafttreten des LkSG 2023 und 2024 um eine umfassende Umsetzung bemühen. Einkaufsaktivitäten sollten zur Vermeidung von Compliance-Risiken stärker rechtlich begleitet werden. Eine Fokussierung auf langfristige Lieferantenanbindungen, soweit es geschäftlich möglich ist, scheint eine sinnvolle Option zur Vermeidung solcher Risiken zu sein.

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