Neuerungen in der Fusionskontrolle: Auswirkungen auf den Mittelstand

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zuletzt aktualisiert am 7. Juli 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten
von Elisabeth Schmidt, Rödl & Partner München, und Michael Beder


Mit dem „Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wett­bewerbs­beschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbs­recht 4.0 (GWB-Digitalisierungs­gesetz)” soll mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung der Wirt­schaft die wettbewerbs­rechtliche Aufsicht modernisiert werden. Zugleich wird damit die EU-Richtlinie (EU) 2019/1 umgesetzt. Standards sollen bei der Durch­setzung des europäischen Wettbewerbs­rechts in den Mitglied­staaten angeglichen und die europaweite Zusammen­arbeit der Behörden erleichtert werden. Das Gesetz ist mit Verkündung am 19. Januar 2020 in Kraft getreten.


Ziel der Gesetzesnovellierung

Ziel der Gesetzesnovellierung ist es, „einen Ordnungsrahmen zu gestalten, der den Anforderungen an die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaft gerecht wird.”

Wesentliche Neuregelungen sind die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht, die Be-schleunigung von Verfahren, die Anhebung der zweiten Inlandsumsatzschwelle sowie die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für den Kartellschadensersatz.

Darüber hinaus wurden mit dem GWB-Digitalisierungsgesetz formelle Fusionskontrollvorschriften überarbeitet, „um diese effektiver zu gestalten und dem Bundeskartellamt eine Fokussierung auf die wettbewerblich relevantesten Zusammenschlüsse zu ermöglichen”. Im Ergebnis bleibt jedoch bestehen, dass das System der deutschen Fusionskontrolle ein insgesamt gut funktionierendes Instrument einer präventiven Wettbewerbs­politik ist, sich aber dennoch in der Praxis der Bedarf ergibt, einzelne Aspekte zu optimieren.


Wesentliche Änderungen im Bereich der Fusionskontrolle

Signifikante Änderungen erfuhren insbesondere die in § 35 Abs. 1 GWB genannten Inlandsumsatzschwellen. Künftig unterliegen Zusammenschlussvorhaben nur dann der Kontrolle durch das Bundeskartellamt, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr weltweit einen gemeinsamen Umsatz i.H.v. 500 Mio. Euro, deutschlandweit ein beteiligtes Unternehmen mind. 50 Mio. Euro (bislang 25 Mio. Euro) und ein anderes beteiligtes Unternehmen deutschlandweit mind. 17,5 Mio. Euro (bislang 5 Mio. Euro) erzielt haben. Der Regierungsentwurf selbst enthielt zunächst eine geringere Erhöhung der Inlandsumsatzschwelle auf 30 Mio. bzw. 10 Mio. Euro. Mit der Neujustierung der Schwellenwerte soll eine bürokratische Entlastung für die Unternehmen erreicht werden. Zusammenschlüsse von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung werden mithin nicht mehr einer Kontrolle unterliegen. Dadurch soll eine um etwa 20 Prozent geringere Anzahl an Anmeld­ungen von Zusammenschlüssen erreicht werden. Die Heraufsetzung der Schwelle soll zudem der Entlastung der Unternehmen, v.a. des Mittelstands, dienen. Die bisherigen Schwellenwerte führten laut Gesetzes­begründung insbesondere bei mittelständischen Unternehmen dazu, dass Zusammenschlüsse von geringer wirtschaftlicher Bedeutung anzumelden waren und Transaktionen sich dadurch verzögerten.

Folgerichtig ist in der Konsequenz der Wegfall der sog. Anschlussklausel des § 35 Abs. 2 Satz 1 GWB, die bisher Zusammenschlüsse mit kleinen Unternehmen von der Fusionskontrolle ausnahm, wenn – trotz Erreichens der Umsatzschwellen im Übrigen – Zielunternehmen und Veräußerer zusammen weniger als 10 Mio. Euro Umsatz weltweit im letzten abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschafteten.    

Zudem wurde die sog. Bagatellmarktklausel des § 36 Abs. 1 Nr. 2 GWB geändert. Sie sah – nach der alten Rechtslage – vor, dass Zusammenschlüsse, nicht untersagt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Untersagung zwar vorliegen, auf dem betroffenen Markt aber weniger als 15 Mio. Euro im vorangegangenen Kalenderjahr umgesetzt wurden. Die Schwelle wurde auf 20 Mio. Euro angehoben. Des Weiteren sollen mehrere (Bagatell-)Märkte gebündelt betrachtet werden können. Mittelständische Unternehmen sind erfahrungsgemäß eher auf Bagatellmärkten aktiv als Großkonzerne. Der Gesetzgeber will mithin verhindern, dass Zusammen­schlüsse nur aufgrund einer Wettbewerbsbeeinträchtigung auf einem gesamtwirtschaftlich unbedeutenden Markt untersagt werden.

Die Gesetzesnovellierung hebt zwar in ihrer Begründung hervor, dass „ein spezieller Auf¬greiftatbestand für den systematischen Aufkauf wachstumsstarker Unternehmen durch marktstarke Digitalkonzerne” nicht als erforderlich erachtet wird, sieht jedoch ein neues Aufgreifinstrument vor. U.a. mit dem neuen § 39a Abs. 1 GWB soll ein Tätigwerden des Bundeskartellamts ermöglicht werden, auch wenn die Aufgriffschwellen nicht erreicht werden. Eine entsprechende Verfügung ermöglicht es für einen Zeitraum von drei Jahren Unternehmen in zu benennenden Wirtschaftszweigen aufzufordern auch solche Zusammenschlüsse anzumelden, bei denen das Zielunternehmen Umsätze unterhalb der geltenden Inlandsumsatzschwelle aufweist und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der Wettbewerb im Inland in den genannten Wirtschaftszweigen eingeschränkt werden kann.

Hintergrund ist die Vermeidung von Vormachtstellungen der größeren Unternehmen und/oder Konzerne zu Lasten der mittelständischen Unternehmen. Durch Erwerbsstrategien kann es zu wettbewerblich proble­matischen Konzentrationen insbesondere auf Regionalmärkten kommen, wenn Zusammenschlüsse der Fusionskontrolle entzogen sind. Grund dafür ist, dass die Umsätze des Zielunternehmens die zweite Inlandsumsatzschwelle unterschreiten. Bereits marktmächtige Unternehmen könnten kleine Wettbewerber oder auch potenziell gefährliche Newcomer aufkaufen ohne eine Fusionskontrollprüfung durch das Bundeskartellamt unterworfen zu sein.

Zur Anmeldung solcher Zusammenschlüsse können durch das Bundeskartellamt nur solche Unternehmen aufgefordert werden, die im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von weltweit mehr als 500 Mio. Euro erzielt haben. Das bezieht sich allein auf den Umsatz des Erwerbers.

In dem Zusammenhang ist kritisch anzumerken, dass solche Verfügungen zur Anmel-dung künftiger Zusammenschlüsse mit der damit einhergehenden tatsächlichen Absenkung der Aufgriffschwellen für die betroffenen Unternehmen nicht per se mittelstandsfreundlich sind. Es wird vielmehr in ihrer konkreteren Anwendung darauf zu achten sein, dass keine zusätzliche Belastung des Mittelstands entsteht, z.B. wenn sich solche Verfügungen vor allem auf Märkte mittelständischer Unternehmen beziehen. Es ist darauf zu hoffen, dass die Verfügungen mit Maß und Mitte in Bezug auf den Mittelstand eingesetzt werden.

Gestrichen wurde die Erfordernis der Vollzugsanzeige durch Neufassung des § 39 Abs. 6 GWB. Entsprechend § 39 Abs.6 GWB a.F. musste der Vollzug eines angemeldeten Zusammenschlusses bislang dem Bundeskartellamt angezeigt werden. Zur Entlastung sowohl des Bundeskartellamts wie auch der Unternehmen wurde von einer Pflicht zur Anzeige des Vollzugs nun abgesehen.

Zuletzt wurde das bestehende Fristenregime des § 40 Abs. 2 GWB für die Durchführung eines Hauptprüfver­fahrens von vier auf fünf Monate verlängert.


Fazit

Durch die Gesetzesnovellierung wurden die Kompetenzen des Bundeskartellamtes weiter gestärkt. Es soll ein zügiges und effektives Eingreifen, insb. auf Märkten im Bereich der Digitalwirtschaft, ermöglicht werden. Mit der deutlichen Erhöhung der im internationalen Vergleich bislang niedrigen zweiten Inlandsumsatzschwelle soll dem Bundeskartellamt eine bessere Fokussierung auf wettbewerblich relevante Zusammenschlüsse erlaubt werden. Die Anzahl der durch den Mittelstand anzumeldenden Transaktionen soll zurückgehen. Insgesamt bleibt abzuwarten inwieweit die durch die Gesetzesänderung geplante Entlastung des Mittelstands tatsächlich eintritt. V.a. das neue Instrument der Verfügungen zur Anmeldungen künftiger Zusammenschlüsse sollte kritisch beobachtet werden.

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