Die wirtschaftliche Entwicklung der Krankenhäuser 2021

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Über die aktuelle Situation in den Krankenhäusern ist schon viel veröffentlicht worden. Unbestritten ist, dass jedenfalls das Gesundheitspersonal in den einzelnen Häusern während der aktuellen Situation jenseits der Belastungsgrenze ist. So hat der Fachkräftemangel laut einer DKI-Studie im Krankenhaus auch die OP-Bereiche erreicht. 2020 konnte fast jede zweite Klinik offene Stellen im nicht ärztlichen OP- und Anästhesiedienst nicht besetzen. Bundesweit sind aktuell 3.000 Vollzeitstellen unbesetzt. Ob sich aber auch die wirtschaftliche Belastung der einzelnen Häuser tatsächlich an der Belastungsgrenze bewegt, scheint offenbar nicht immer ganz so eindeutig, auch wenn es vielfach kolportiert wird.


Während die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) angesichts der aktuellen Einschränkungen Alarm schlägt, scheinen Deutschlands Kliniken insgesamt mit einem Umsatzplus abgeschlossen zu haben. Wie das u.U. erklärbar ist und wie damit umzugehen sein sollte, beantworten wir im nachstehenden Beitrag. Soviel vorab: Wir raten dringend zu einer differenzierten, aber v.a. zukunftsorientierten Betrachtung. Denn egal zu welchem Ergebnis man bei der Betrachtung kommt, ohne die Umsetzung zukunftsorientierter Strategien wird sich die Situation verschlechtern. Mit der Konzentration auf drei relevante Hebel muss es keine Abwärtsspirale geben.

 


Von Not oder Krise in der Krankenhauslandschaft: Was ist tatsächlich dran?

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist besorgt: „Wenn die Bundesregierung die Hilfen nicht deutlich erhöht, werden flächendeckend Kliniken bereits im ersten Quartal 2021 nicht mehr die Gehälter ihrer Mitar­beiter zahlen können”, so DKG-Präsident Gaß im Redaktionsnetzwerk Deutschland. Hintergrund sind die Ergebnisse des Krankenhausbarometers 2020. Dazu ist eine repräsentative Stichprobe von Allgemeinkranken­häusern ab 100 Betten im Zeitraum Juni bis August 2020 durchgeführt worden. An der schriftlichen Befragung haben sich insg. 438 Krankenhäuser beteiligt.

Wie Ergebnisse des Krankenhaus-Barometers des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) zeigen, sollen verschobene Operationen und andere Folgen der Pandemie die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in Deutschland noch einmal verschärft haben.

Insofern nütze auch der aktuelle, Mitte Dezember neu aufgespannte, Rettungsschirm für die Krankenhäuser nichts, weil von ihm lediglich 25 Prozent der Kliniken erfasst würden, so Gaß. Nach dem Konzept erhalten Krankenhäuser in besonders Corona-belasteten Gebieten Ausgleichszahlungen, wenn sie auf aufschiebbare Eingriffe verzichten und damit Betten freihalten. Zu berücksichtigen sei, dass in der ersten Pandemiewelle von März bis Mai 2020 die Zahl der stationär durchgeführten Operationen laut DKI im Durchschnitt um 41 und bei ambulanten Operationen um 58 Prozent zurückgegangen sei. Allein in dem Zeitraum hätten die Erlösverluste bei den betroffenen Kliniken bei etwa 2,5 Mio. Euro pro Haus gelegen.

Auf der anderen Seite wird vermehrt wahrgenommen, dass die Covid19-Ausgleichszahlungen den Kliniken eher ein Umsatzplus beschert haben sollen. So berichtete der SPIEGEL am 13. Februar 2021 über ein Klinikum in Seesen am Harz, dass durch das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetzes die stolze Summe von 1,3 Mio. Euro für freigehaltene Intensivbetten erhielt. Ebenso teilte die Ärztezeitung mit, dass sich zwar die Erlös­situation der Kliniken zwischen Januar und September um 8,8 Mrd. Euro verschlechtert, die Ausgleichs­zahlungen jedoch bis Oktober 2020 insg. 9 Mrd. Euro umfasst haben sollen. Ein deutliches Plus also. Die Zahlen sollen aus einem Gutachten stammen, das das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit erstellt hat. Angesichts der deutlichen Forderungen der Krankenhaus-Lobby nach weiterer finanzieller Unterstützung plädiert AOK-Bundesverbands-Chef Martin Litsch zur wirtschaftlichen Lage der Häuser für Augenmaß. Aus einem Expertenbeiratsbericht zu den ersten drei Quartalen 2020 sei deutlich geworden, dass die deutschen Krankenhäuser im vergangenen Jahr sogar mehr Geld bekommen haben als 2019. Die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser in Deutschland stelle sich weiterhin robust dar.


Der vom Bundesgesundheitsminister einberufene Expertenbeirat kam am 24. Februar 2021 zur Sitzung zusammen, um die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in der Corona-Pandemie unter die Lupe zu nehmen. Laut dem aktuellen „Sparkassen-Branchenreport Krankenhäuser” sei das Insolvenzrisiko für Krankenhäuser im Corona-Jahr 2020 sogar geringer ausgefallen als im Jahr zuvor, was dem weit aufgespannten Rettungsschirm zu verdanken sei. Die Krankenhäuser seien dadurch im Jahr 2020 gut durch die Krise gekommen.

Klar ist: Es ist jedenfalls eine differenzierte Betrachtung angezeigt, denn ob die Freihaltepauschalen sich letztlich positiv ausgewirkt haben oder eben nicht, hängt maßgeblich davon ab, welcher Versorgungsstufe (Grund-, Regel-, Maximalversorger) das jeweilige Krankenhaus jeweils zugeordnet werden kann/muss und, ob es sich um einen Spezialversorger handelt. Für Häuser der Grund- und Regelversorgung, die i.d.R. ohne Komplexbehandlungen auskommen, können wir die These aus unserer Restrukturierungspraxis bestätigen. Sie dürften maßgeblich von den Freihaltepauschalen profitieren, wie ein kürzlich erfolgreich abgeschlossenes Mandat über eine Klinikgruppe mit zwei Häusern gezeigt hat. Spezialkliniken, wie etwa Herzzentren, hingegen können mit den Freihaltepauschalen die entsprechenden Kosten nicht decken. Gleiches gilt für die Maximal­versorger, da auch sie aufgrund vieler komplexer Behandlungszentren über entsprechende hochaufwendige Bereiche verfügen.

Wie man es dreht und wendet: Ohne eine geeignete Zukunftsstrategie wird es in jedem Fall schwierig für die Krankenhäuser, kurz-, mittel-, oder langfristig.

Nur ist die eigentliche Frage grundsätzlich ja nicht, ob die Krankenhäuser mit einem Umsatzplus oder mit einem Verlust abgeschlossen haben. Sondern die entscheidende Frage ist, wie man die künftige Entwicklung insgesamt bestmöglich beeinflusst – egal, ob das Jahr 2020 mit einem Umsatzplus abgeschlossen wurde oder eben nicht. Auch wenn die Pandemie Krankenhäuser enorm fordert, muss eine strategische und zukunfts­weisende Richtung eingeschlagen werden. Eine wirtschaftliche Schieflage von Unternehmen ist nicht allein von äußeren Einflüssen abhängig, sondern auf eine Vielzahl von (auch internen) Herausforderungen zurückzu­führen.


Zwei wesentliche Stellschrauben für ein zukunftsfähiges Krankenhaus

Was sind unserer Meinung nach die zwei wesentlichen Stellschrauben für die Zukunftsfähigkeit eines Krankenhauses? Wir sehen im aktuellen Jahr folgende Kernthemen als unaufschiebbare Handlungsfelder, weil gerade sie weitreichende Zukunftschancen eröffnen:


Das Krankenhauszukunftsgesetz: Geförderte Digitalisierungsoffensive der Länder

Beim Bundesamt für soziale Sicherheit (BAS) wird aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds ein Krankenhauszukunftsfonds i.H.v. drei Mrd. Euro errichtet. Mit ihm sollen Förderungen von Investitionen in Krankenhäusern insbesondere in technische Ausstattung der Notaufnahmen, eine bessere digitale Infra­struktur (z.B. Patientenportale, digitales Medikationsmanagement, online-basierte Versorgungsnach­weissysteme für Betten) sowie IT- und -Cybersicherheit erfolgen.


Bei der Finanzierung der Kosten gilt:

  • 70 Prozent der Kosten trägt der Bund;
  • 30 Prozent der Kosten das Land, der Krankenhausträger oder eine gemeinsame Ko-Finanzierung.


Das Antragsverfahren ist kurz skizziert:

  • Bedarfsanmeldung durch die Krankenhausträger;
  • Entscheidung des Landes innerhalb von drei Monaten für Ablehnung oder Weiterreichung;
  • Antragstellung der Länder beim Bundesamt für Soziale Sicherung vom 2. September 2020 bis 31. Dezember 2021.


Wichtig sind zwei Aspekte: Nach § 5 Abs. 3h Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) erfolgt ein Abschlag von bis zu zwei Prozent bei der Abrechnung eines jeden voll- und teilstationären Falles ab 2025. Der Abschlag kommt schon dann, wenn auch nur einer der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 KHSFV genannten Dienste fehlt. Der Abschlag kommt unabhängig davon zum Tragen, ob das Krankenhaus eine Förderung nach KHZG erhalten hat oder nicht, d.h. die Digitalisierungsoffensive ist zunächst umzusetzen.

Ferner ergeben sich Folgen aus dem Krankenhausplanungsrecht. Da die digitale Ausstattung eines Kranken­hauses jetzt gesetzlich normiertes Planungsziel in § 1 Abs. 1 KHG ist, ist der Reifegrad der Digitalisierung wesentliches Kriterium bei Aufnahme in und für den Verbleib im Krankenhausplan. Häuser, die Digitalisie­rungs­­prozesse nicht angehen, riskieren daher im Wettbewerb um Planbetten zu unterliegen und u.U. den Versorgungsauftrag zu verlieren.


Krankenhausbenchmarking 4.0 für eine zukunftsfähige Standortbestimmung: nicht nur örtlich

Trotz einer staatlichen Überbrückung von wirtschaftlich schweren Zeiten durch die Corona-Pandemie ist eine wirtschaftlich solide Ausgangsbasis für Kliniken von enormer Wichtigkeit. Die finanziellen Überbrückungs­hilfen für Kliniken sichern nicht bei allen eine auskömmliche Refinanzierung der Zusatzkosten. Umso wichtiger ist es, sich künftig in den Bereichen Organisation, der Prozesssteuerung und den finanzwirtschaftlichen Kernbereichen noch besser, effizient sowie klug aufzustellen. Aus unserer Erfahrung heraus zeigten sich in vielen Kliniken erhebliche Defizite und Potenziale zur Optimierung der Personalallokation in nicht finanzierter Behandlungszeit und ein konsekutiver Verlust der Wirtschaftlichkeit. Es bedarf auch 2021 einer zielgerichteten Ressourcenplanung und eines einheitlichen Konzepts zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. Ein weiterer wichtiger Faktor für die künftige Entwicklung werden die Patientenströme sein, da sie sich aufgrund der Corona- erfahrungsgemäß intern wie extern ändern werden. Sowohl die Nutzung der stationären als auch der ambulanten Strukturen wird sich verändern und eine stärkere Verzahnung, Interdisziplinarität und Flexibilität fordern.

Umso wichtiger wird eine 360-Grad Betrachtung aller datenanalytischen Grundlagen, über die das Kranken­haus verfügt. Das ist u.a. für das Medizin-Controlling und für die DRG-verantwortlichen Mitarbeiter aus den Fachabteilungen relevant.

Die Analysen sollten folgende Themenfelder umfassen, welche sich für die Vorbereitung der Fachabteilungs­gespräche auf Diagnoseebene reduzieren und referenzieren lassen.


Als Fokus-Themenfelder haben sich herauskristallisiert:

  • Medizinisch ökonomische Struktur- und Potenzialanalyse;
  • Kapazitätsplanung;
  • Medizinisches Leistungsspektrum im Referenzabgleich;
  • Prozess und Workflow-Benchmark;
  • Kalkulation und interne Budgetierung medizinischer Prozesse;
  • Medizinische Dokumentation und Kodierung;
  • Kosten- und Erlös-Benchmark;
  • Prozessbetrachtung auf Hauptdiagnoseebene.


Eine datengetriebene Analyse des Krankenhauses gibt auf Hausgesamt- und Fachabteilungsebene Auskunft über nicht gehobene Potenziale, wenn die Analyse mit einem virtuellen und v.a. identischen Referenzhaus verglichen wird. Aus der Referenz kann ein virtuelles Klinikum mit einem exakt identischen medizinischen Leistungsspektrum und einer exakt identischen Fall- sowie Fachabteilungsstruktur zusammengestellt und auf der tiefsten Gliederungsebene der ICD bzw. OPS verglichen werden.

Der Abgleich mit der speziellen Referenz lässt dann die Ableitung von Handlungsempfehlungen auf Diagnose- und Prozessebene zu.


Fazit

2021 wird für die Krankenhauslandschaft ein spannendes wie herausforderndes Jahr. Das gilt sowohl für Fragen der Finanzierung, als auch für die Frage, wie sich Corona und seine Mutationen weiterentwickeln. Umso wichtiger wird die Weiterentwicklung des eigenen Hauses mit einem positiven, aber auch realistischen Gesamtblick in die Zukunft.

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