Warenursprung und Präferenzen im Pan-Euro-Med-Raum

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veröffentlicht am 3. September 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

    
Die EU hat mit ihren Partnerstaaten im Paneuropa-Mittelmeerraum über die Modernisierung und Änderung der derzeit geltenden Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens verhandelt. Ziel der Verhandlungen war ein einheitliches neues Regelwerk abzuschließen.     

 

 

 

Neue Ursprungsprotokolle und alternative Ursprungsregeln

Da einige wenige Länder jedoch eine Neureglung ablehnten, setzt die EU, um der Mehrheit der änderungs­willigen Vertragsstaaten dennoch die Nutzung modernisierter und vereinfachter Ursprungsregeln zu ermög­lichen,  die Ursprungsprotokolle der jeweiligen bilateralen Abkommen mit einem alternativ anwendbaren Regelwerk in Abstimmung mit dem jeweiligen Abkommensstaat in Kraft.
 
Zu dem Zweck werden in den jeweiligen bilateralen Abkommen alternativ geltende Ursprungsregeln mit der neuen Anlage A (Übergangsregelungen) eingeführt. Diese Ursprungsregeln können bis auf Weiteres optional zu den bestehenden Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens angewandt werden.
 
Als erstes neues Abkommen wurde im Amtsblatt der EU Nr. L 164 vom 10. Mai 2021 das neue Ursprungs­protokoll zum Präferenzabkommen der EU mit Jordanien veröffentlicht. Das Ursprungsprotokoll gilt ab dem 1. September 2021. Die Veröffentlichung der angepassten Ursprungsprotokolle zu weiteren Abkommen erwarten wir in den nächsten Monaten.
 

Nach derzeitigem Informationsstand werden im Laufe des Septembers 2021 auch im Warenverkehr der EU mit der Schweiz, den Färöer-Inseln und Albanien die alternativen Ursprungsregeln zur Anwendung kommen können.
 
Welche Länder die Übergangsregeln untereinander konkret anwenden können, wird sich nach Mitteilung der EU aus einer gesonderten Matrix ergeben, die im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden soll. Anhand der Matrix ist die Anwendungsmöglichkeit der neuen Präferenzregeln zu prüfen.
 

Die Bestimmungen des Regionalen Übereinkommens nach alter Rechtslage bleiben weiterhin gültig und anwendbar.

 
Der Ausführer hat ein Wahlrecht, das Regionale Übereinkommen oder die Übergangsregeln anzuwenden, im Falle wenn das Bestimmungsland der Anwendung der Übergangsregelungen zugestimmt hat. Ausfuhren in andere Länder des Paneuropa-Mittelmeerraums, die der Übergangsregelung nicht zugestimmt haben, richten sich jedoch nach den Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens.
 
Sinngemäß gilt das auch für Lieferungen innerhalb der EU, für die Lieferantenerklärungen für Waren mit Präferenzursprungseigenschaft ausgefertigt werden.
 
Die beiden Systeme der Ursprungsregeln müssen jedoch strikt getrennt werden. Eine Vermischung der Ursprungskriterien nach alter und neuer Regelung ist nicht zulässig.
 

Präferenznachweise

Bei der Ausstellung bzw. Ausfertigung von Präferenznachweisen muss die Anwendung der Übergangsregeln durch den Vermerk „Transitional Rules” ausdrücklich angegeben werden.
 

Die Übergangsregeln sehen als Präferenznachweise nur noch die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 bzw. die Ursprungserklärung des Ausführers vor, nicht mehr jedoch die Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED und die Ursprungserklärung EUR-MED.
 
Beim Import über das ATLAS- Anmeldesystem sind besondere Codierungen für Präferenznachweise auf Grundlage der Übergangsregeln anzumelden:   

  • U075 für Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 mit dem Vermerk „Transitional Rules”,
  • U076 für Ursprungserklärungen mit dem Vermerk „Transitional Rules”.
     

Auswirkungen auf Lieferantenerklärungen

Das Nebeneinander der Ursprungsregeln wirkt sich auch auf Lieferantenerklärungen aus.
 
Sofern  innerhalb der EU Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft bezogen werden und als solche im Rahmen des Ursprungserwerbs einer daraus hergestellten Ware berücksichtigt werden, ist folgendes zu beachten:
 
Lieferantenerklärungen, die auf Grundlage der Übergangsregeln ausgefertigt wurden, können nicht als ursprungsbegründende Unterlage im Rahmen des Regionalen Übereinkommens verwendet werden.
 
Umgekehrt können Lieferantenerklärungen, die auf Grundlage des Regionalen Übereinkommens ausgefertigt wurden, nicht als ursprungsbegründende Unterlage im Rahmen der Übergangsregeln verwendet werden.
 
Grundsätzlich müssen in einer Lieferantenerklärung für Waren mit Präferenzursprungseigenschaft nicht nur das Ursprungsland, sondern auch die anwendbaren Präferenzstaaten angegeben sein, in deren Sinne die Waren als Ursprungswaren gelten. Für Waren, deren Ursprung durch Anwendung der Übergangsregeln erworben wurde, ist zusätzlich zum jeweiligen Land der Vermerk „Transitional Rules” anzugeben.
 
Die Europäische Kommission empfiehlt zudem, bei der Ausfertigung von Lieferantenerklärungen ab dem 1. September 2021 anzugeben, ob ein Erzeugnis die Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens oder der Übergangsregeln oder beider Systeme erfüllt. 

 

Fehlt diese Angabe, so gilt die Lieferantenerklärung nur als Nachweisunterlage im Rahmen des Regionalen Übereinkommens.

 

Weitere wichtige Regeln

Die Ursprungs- und Verfahrensregeln der alternativen Übergangsregeln unterscheiden sich von denen des Regionalen Übereinkommens in vielen Bereichen.
 
Folgende Punkte der alternativen Übergangsregeln können angeführt werden:

  • Beim Ursprungserwerb durch eine ausreichende Be- oder Verarbeitung können der Ab-Werk-Preis und der Wert der Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft ausgehend von Durchschnittswerten berechnet werden:
    Die Anwendung des Durchschnittswertes muss jedoch vom entsprechenden Hauptzollamt schriftlich bewilligt werden.
  • Für landwirtschaftliche Erzeugnisse ist eine Toleranz von 15 Prozent des Nettogewichts des Erzeugnisses, für gewerbliche Waren eine Toleranz von 15 Prozent des Ab-Werk-Preises der Ware vorgesehen. Diese Toleranzregel gilt jedoch nicht für Textilien (Kap 50- 63 des HS).
  • Ein Verbot der Zollrückvergütung und der Zollbefreiung (Duty Draw Back) gilt  nur noch für Erzeugnisse der Kapitel 50 bis 63 des Harmonisierten Systems.
  • Die bisherigen Bestimmungen zur unmittelbaren Beförderung sind durch die neue Systematik der „Nichtveränderung” (Nichtbehandlung) einer Ware ersetzt worden.

 

Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass Erzeugnisse, bei denen kein Zweifel an ihrer Ursprungs­eigenschaft besteht, von einer Präferenzbehandlung bei der Einfuhr ausgeschlossen werden, nur weil die formalen Voraussetzungen der Direktbeförderung nicht erfüllt sind.

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