Werbung mit „hautfreundlich“ für ein Desinfektionsmittel auch nach Auffassung des BGH irreführend

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 29​​. Oktober​​ 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten​​
   

Wie bereits in einem ​​früheren Beitrag​​ berichtet, untersagte das Karlsruher Landgericht dem Unternehmen dm​, ein Desinfektionsmittel mit  den Begriffen „ökologisch“, „bio“ und „hautfreundlich“ zu bewerben. Alle drei Begrifflichkeiten seien zum Schutze der Verbraucher mit den strengen Werbevorgaben der Biozid-Verordnung nicht vereinbar. Das Oberlandes­gericht Karlsruhe sah dies im anschließenden Berufungsverfahren in Bezug auf den Begriff „hautfreundlich“ anders, was schließlich dazu führte, dass der Fall vor dem BGH landete. ​

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Der BGH wiederum wandte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof, der kürzlich in Einklang mit der Erstinstanz eine Irreführung bejahte. Nach Ansicht des EuGH suggeriere eine solche Kennzeichnung, dass das betreffende Produkt vorteilhaft für die Haut sei, wodurch mögliche Risiken verharmlost würden (EuGH v. 20.06.2024).
  
Diesem Prüfungsmaßstab folgend, bestätigte der BGH nunmehr letztinstanzlich, dass die streitige Werbung mit den gesetzlichen  Vorgaben unvereinbar ist und eingestellt werden muss (BGH, Urteil vom 10.10.2024, Az. I ZR 108/22). 
  

Hintergrund des Streits​

Nach Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der europäischen Biozid-VO darf die Werbung für ein Biozidprodukt, wozu auch Desinfektionsmittel zählen, nicht die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „​umweltfreundlich“, „tier-freundlich“ oder „ähnliche Hinweise“ enthalten. Kern des vorstehend berichteten Instanzenzugs war die Frage, ob der unmittelbar positive Begriff „hautfreundlich“ ein „ähnlich“ irreführender und damit unzulässiger Hinweis in diesem Sinne darstellt. 
  

Abstrakte Irreführungsgefahr ausreichend​

Entsprechend dem Rechtsverständnis des EuGH führte der BGH zunächst aus, dass ein „ähnlich“ irreführender Hinweis im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung VO (EU) Nr. 528/2012 grundsätzl​ich jede Art von Hinweis sein kann, der die Risiken von Biozidprodukten für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder deren Wirksamkeit in irgendeiner Form verharmlose oder negiere. (Anschluss an EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-296/23, GRUR 2024, 1226 - dm-Drogerie Markt). Den in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO ge­nannten Angaben einschließlich der „ähnlichen Hinweise“ liege eine abstrakte Irreführungsgefahr zugrunde, die das Verbot entsprechender Werbeaussagen rechtfertigen würde. Auf eine konkrete Irreführung im Einzelfall komme es dabei nicht an, so dass auch Bezeichnung eines Biozidprodukts als „hautfreundlich“ eine Angabe sei, die als „ähnlicher Hinweis“ unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung VO (EU) Nr. 528/2012 falle.
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Die Begründung der Vorinstanz, wonach die Angabe „hautfreundlich“ das Risikopotenzial des Produkts oder seiner Wirkungen nicht relativiere, sondern lediglich eine spezifische Produktwirkung auf ein konkretes Organ, nämlich die Haut des Menschen, beschreibe und daher nicht zu beanstanden sei, könne nicht überzeugen. Eine Verharmlosung könne nämlich auch darin liegen, dass gewisse positive Eigenschaften des Produkts be­wusst in den Vordergrund gestellt werden, wodurch der übermäßige, nachlässige oder fehlerhafte Gebrauch eines solchen Produkts womöglich noch gefördert werde. Ziel der Werbebeschränkung für Biozidprodukte sei es aber gerade, den Einsatz derselben wegen ihrer grundsätzlichen Gefährlichkeit zu minimieren. 

Fazit​

​Die Rechtsauffassungen des EuGH und des BGH bestätigen den status quo, dass an gesundheits- und um­weltbezogene Werbeaussagen nach wie vor strenge, von der Praxis teils für überzogen gehaltene, Anforder­ungen gestellt werden. 
  
Auch wenn die Motivation dieses strengen Verständnisses in Anbetracht der hohen Schutzgüter Gesundheit und Umwelt mehr als nachvollziehbar ist, so stellt sich die Frage, ob eben dieser Zweck hier tatsächlich erreicht wurde. Zwar ist die besondere Hervorhebung einer positiven Eigenschaft grundsätzlich dazu geeignet, schäd­lichen Nebenwirkungen eines Produkts zu relativieren. Gleichwohl ist die Angabe „hautfreundlich“ – sofern sie für das betreffende Produkt wahr und wissenschaftlich belegbar ist – für den Verbraucher vorliegend auch eine wesentliche Information, die es ihm überhaupt erst ermöglicht, – in Kenntnis der grundsätzlichen Gefährlich­keit des Produkts – das am wenigsten gefährliche, für seine Zwecke geeignete, Produkt auszuwählen. Ein objektiver Vergleich der am Markt verfügbaren Biozidprodukte und ihrer Eigenschaften wird ihm damit erheb­lich erschwert. Eine Relativierung der Gefährlichkeit hatte der Hersteller bei der Gestaltung der Produktver­pack­​ung daher vielleicht gar nicht im Sinn. 
  
Unternehmen sind deshalb gut beraten, ihre Werbeaussagen und Werbekonzepte immer ganzheitlich auf mögliche Irreführungsaspekte zu betrachten. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Rechtsprechung künftig von ihrem strengen Maßstab abrücken wird.

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Dr. Susanne Grimm

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Gewerblichen Rechtschutz, Leiterin Praxisgruppe IP & Media Deutschland

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