Immaterielle Wirtschaftsgüter vor dem Hintergrund des BEPS-Aktionsplans

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In Zeiten der Globalisierung und des Wandels von der industriellen zur Informations- und Wissensökonomie spielen immaterielle Wirtschaftsgüter eine immer wichtigere Rolle. Sie können erhebliche Wettbewerbs- und Differenzierungsvorteile verschaffen und so einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Geschäftserfolg leisten. Deren Bestimmung und Bewertung ist häufig mit großen Unsicherheiten verbunden. Eine dem Wertschöpfungsbeitrag nicht entsprechende Verteilung der Rückflüsse aus immateriellen Wirtschaftsgütern kann auf internationaler Ebene zu unangemessenen Gewinn­ver­schie­bungen führen. Aus diesem Grund sind die immateriellen Wirtschaftsgüter zu einem der Schwerpunkte des G20-Projekts zur Verhinderung der Gewinnverkürzungen und -verlagerungen von multinational tätigen Unternehmen („Base Erosion and Profit Shifting”, kurz: BEPS) geworden.
 
 

Hintergrund der Maßnahme Nr. 8 des BEPS-Aktionsplans

Aufgrund des Berichts der OECD über die Auswirkungen und Ursachen von Gewinnverlagerungen und -verkürzungen von multinational tätigen Unternehmen haben die G20 Staaten die OECD beauftragt einen umfassenden Aktionsplan zu erarbeiten, um BEPS entgegenzuwirken. Im Fokus der Maßnahme Nr. 8 des BEPS-Aktionsplans steht die Verhinderung der Verschiebung der Steuerlast zwischen 2 Staaten durch eine geschickte Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern. Ziel ist es, dass die Einkünfte dort erfasst werden, wo auch der tatsächliche Wertschöpfungsbeitrag geleistet worden ist. Ergebnis der Maßnahme 8 ist eine Überarbeitung der Kapitel I und II sowie eine komplette Neufassung des Kapitels VI der OECD-Verrechnungspreisleitlinien.
 
Das neue Kapitel VI der OECD-Verrechnungspreisleitlinien ist erheblich umfangreicher als das bisherige Kapital VI der derzeit gültigen OECD-Verrechnungspreisrichtlinien und enthält Regelungen zur Identifizierung und Eigentum von immateriellen Wirtschaftsgütern sowie zur Gestaltung fremdüblicher Bedingungen für grenzüberschreitende Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern. Wesentliche Zielstellung der Neuregelungen ist es, wieder eine stärkere Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern zu den Gesellschaften zu ermöglichen, die wesentliche Funktionen und Risiken aus deren Entwicklung, Verbesserung, Aufrechterhaltung, Rechtsschutz und Ausbeutung tragen. Damit soll Strukturen von Patentgesellschaften begegnet werden, die lediglich die Entwicklung von immateriellen Wirtschaftsgütern finanzieren und später die entstandenen immateriellen Wirtschaftsgüter an Konzerngesellschaften gegen hohe Lizenzgebühren zur Nutzung überlassen. Häufig tragen solche Patentgesellschaften neben der bloßen Finanzierung der Entwicklungstätigkeiten nichts zur Entwicklung der immateriellen Wirtschaftsgüter bei.
 
Die neuen Regelungen haben jedoch nicht nur Bedeutung für vorgehend genannte Strukturen, sondern auf die verrechnungspreisbezogene Behandlung von immateriellen Wirtschaftsgütern generell.
 

OECD Ansatz einer Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern

Bestandteile einer Funktions- und Risikoanalyse sollen künftig sein:
1.Identifizierung der spezifischen immateriellen Wirtschaftsgüter
2.Feststellung des rechtlichen Eigentums hieran
3.Beiträge der Gruppengesellschaften zur Entwicklung, Verbesserung, Aufrechterhaltung, zum Rechtsschutz und zur Ausbeutung
4.Art der Transaktionen, die immaterielle Wirtschaftsgüter umfassen und wie diese zur Wertschöpfung beitragen.
 
Um fremdübliche Bedingungen in Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern zu schaffen, müssen diese im ersten Schritt identifiziert werden. Die OECD strebt keine Legaldefinition des Begriffs der immateriellen Wirtschaftsgüter an, sondern stellt folgende Voraussetzungen an das Vorliegen eines immateriellen Wirtschaftsguts:  
1.kein materielles Wirtschaftsgut und kein Finanzprodukt,
2.es kann wirtschaftlich besessen und kontrolliert werden,
3.eine Übertragung oder Überlassung würde unter fremden Dritten vergütet werden.
 
In diesem Zusammenhang stellt die OECD klar, dass Standortvorteile mangels Kontrollierbarkeit nicht zu den immateriellen Wirtschaftsgütern zu rechnen sind.
 
Für die fremdübliche Behandlung im Umgang mit immateriellen Wirtschaftsgütern ist auch das rechtliche Eigentum bedeutsam, das grundsätzlich die Rechtfertigung, die Rückflüsse aus dem immateriellen Wirtschaftsgut zu vereinnahmen, implizieren kann. Werden aber die wesentlichen Funktionen und Risiken im Zusammenhang mit der Entwicklung, Weiterentwicklung, Erhaltung, Schutz und Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts von einer anderen Einheit des Konzerns wahrgenommen, so muss dieser Einheit eine dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Vergütung zugestanden werden. Eine einfache Vergütung auf Basis der Kostenaufschlagsmethode sollte daher nicht mehr für solche Gesellschaften anerkannt werden, die zwar Leistungen als Auftragsentwickler erbringen, diese aber vollständig ohne Vorgaben und Kontrolle des Auftraggebers ausüben. Insoweit wird zukünftig tiefergehend zu berücksichtigen sein, welche wesentlichen Funktionen für die Entwicklung, Verbesserung, Aufrechterhaltung, den Rechtsschutz und die Ausbeutung der immateriellen Wirtschaftsgüter beigetragen haben. Hierauf aufbauend wird festzulegen sein, welches Unternehmen in welchem Umfang an den Rückflüssen der immateriellen Wirtschaftsgüter zu beteiligen ist.
 
Hierzu sind auch die Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern zu identifizieren. Die OECD unterscheidet nach wie vor zwischen Übertragung, Überlassung und Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern. Dabei sei zu beachten, dass aufgrund von Verflechtungen und Synergieeffekten mit der Übertragung eines immateriellen Wirtschafsguts zwangsläufig die Übertragung eines anderen immateriellen Wirtschaftsguts einhergehen kann.
 
Bei der Ermittlung angemessener Verrechnungspreise für die fremdübliche Vergütung im Rahmen der Transaktion mit immateriellen Wirtschaftsgütern sind die vorstehenden Aspekte einzubeziehen. Das neue Kapitel VI der Verrechnungspreisleitlinien enthält ergänzende Richtlinien für die Bestimmung fremdüblicher Verrechnungspreise für 
1.Übertragung/Überlassungen von immateriellen Wirtschaftsgütern,
2.Übertragung/Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern mit nicht oder schwer abschätzbarem Wert,
3.Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Rahmen von Vertrieb von Produkten oder Erbringung von Dienstleistungen.
 
In den Fällen der Übertragung oder Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern ist die derzeitige und künftige Werthaltigkeit des zu übertragenden immateriellen Wirtschaftsguts entscheidend. Werttreibende oder wertmindernde Faktoren können sein: Einzigartigkeit, Möglichkeit und Umfang des rechtlichen Schutzes, simultane Verwendbarkeit, erwarteter wirtschaftlicher Nutzen. Für die (künftige) Werthaltigkeit sind außerdem die mit dem immateriellen Wirtschaftsgut verbundenen Risiken von Bedeutung:  
1.das künftige Entwicklungsrisiko,
2.Risiko aus Verletzung von Schutzrechten,
3.Wertminderungsrisiko infolge von technischer Veralterung sowie weitere möglichen Risiken.
 
Die OECD weist auf Kriterien hin, die bei der Verrechnungspreisbestimmung im Rahmen von Übertragung und Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern stets zu beachten sind:
  • Die von den Transaktionspartnern getragenen Funktionen und Risiken
  • Wirtschaftliche Gründe für die Übertragung/Überlassung
  • Denkbare Alternativen zur Übertragung/Überlassung des immateriellen Wirtschaftsguts
  • Wettbewerbsvorteile resultierend aus dem immateriellen Wirtschaftsgut
  • Erwarteter ökonomischer Nutzen aus dem immateriellen Wirtschaftsgut
  • Andere Faktoren wie Standortvorteile und Synergieeffekte im Konzern
 
Die OECD merkt in dem neuen Kapitel VI der Verrechnungspreisleitlinien an, dass die Anwendung der anerkannten Methoden in Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern sich häufig sehr komplex gestaltet. Die neuen Regelungen zur Bewertung haben einen starken Gewinnbezug, sodass es nicht verwundert, dass die OECD von der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode grundsätzlich abrät und zu dem Schluss kommt, dass am ehesten die Preisvergleichsmethode (falls anwendbar) oder die Gewinnaufteilungsmethode herangezogen werden können.
 
In Bezug auf die neuen Regelungen wertet die OECD auch die Bedeutung ökonomischen Bewertungsmethoden auf. Diesbezüglich hat auch die EU eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Richtlinien zur Anwendung von ökonomischen Bewertungsmethoden aufzusetzen.
 
Im Rahmen von Übertragung/Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern mit nicht oder schwer abschätzbarem Wert empfiehlt die OECD Preisanpassungsklauseln zu vereinbaren.
 
Hinsichtlich der Transaktionen, deren Inhalt die Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Rahmen von Vertrieb von Produkten oder Erbringung von Dienstleistungen darstellt, empfiehlt die OECD den Verrechnungspreis für die Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung auf die tatsächliche Funktions- und Risikoverteilung (d.h. auf die Berücksichtigung der o.g. Aspekte) anzupassen.
 

Ausblick und Praxishinweis

Angesichts der BEPS Maßnahme Nr. 8 werden die immateriellen Wirtschaftsgüter künftig vermehrt in den Fokus der Finanzverwaltung rücken. Auch im Rahmen des OECD Masterfiles-Konzepts zur Dokumentation der Verrechnungspreise, das aufgrund der BEPS-Maßnahme 13 in vielen EU-Ländern umgesetzt wird, haben immaterielle Wirtschaftsgüter eine Sonderstellung. So soll der Steuerpflichtige die Konzernstrategie im Hinblick auf das Eigentum, die Nutzung und Vergütung von immateriellen Wirtschafsgütern darlegen. Ferner soll der Steuerpflichtige in dem Masterfile begründen, aus welchen Gründen einer bestimmten Gesellschaft die Rückflüsse aus den immateriellen Wirtschaftsgütern zustehen; dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Funktionen und Risiken sowie auf die Wertschöpfungsbeiträge gerichtet. Diese erweiterte Dokumentationspflicht wird dazu führen, dass Unternehmen künftig die Verrechnungspreisermittlung in Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern mehr substantiieren werden müssen, um den erhöhten Anforderungen zu genügen und gut durch die Betriebsprüfung zu kommen. Es empfiehlt sich daher bereits im Vorfeld zu Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern ein belastbares, dem Funktions- und Risikoprofil entsprechendes Verrechnungspreissystem zu strukturieren.
 
zuletzt aktualisiert am 01.10.2019
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