Brennpunkt Betriebsprüfung: Bilanzsteuerrecht

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Neudefinition der steuerlichen Herstellungskosten

Die Finanzverwaltung definiert in ihrem Entwurf der Einkommensteuerrichtlinien 2012 den Begriff der steuerlichen Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts neu. Da die Regelung schon für den gesamten Veranlagungszeitraum 2012 greifen soll, sind Diskussionen – insbesondere im Rahmen zukünftiger Betriebsprüfungen – vorprogrammiert. Nachfolgend soll die künftige Neuregelung vorgestellt und auf die Auswirkungen für Steuerpflichtige eingegangen werden.
 
Der Begriff der Herstellungskosten ist für steuerliche Zwecke nicht gesetzlich definiert. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der handelsrechtliche Begriff der Herstellungskosten auch für steuerliche Zwecke maßgebend. Die Finanzverwaltung folgt diesem handelsrechtlichen Verständnis nicht bedingungslos, sondern nimmt in den für die Verwaltung verbindlich anzuwendenden Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) eine Definition der steuerlichen Herstellungskosten vor. Hierbei weicht die Verwaltung jedoch nicht völlig frei von dem handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff ab, sondern definiert vereinfacht lediglich, wie handelsrechtliche Wahlrechte des Steuerpflichtigen zur Ermittlung der Herstellungskosten im Rahmen seiner
steuerlichen Gewinnermittlung wahrzunehmen sind. Nach dem Entwurf der neuen EStR sollen nun für steuerliche Zwecke auch „angemessene Kosten der allgemeinen Verwaltung, der angemessenen Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersvorsorge” zwingend in die Ermittlung der Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts
mit einbezogen werden. Handelsrechtlich ist eine Einbeziehung solcher Aufwendungen in die Herstellungskosten des Vermögensgegenstandes als Wahlrecht ausgestaltet (vgl. § 255 Abs. 2 S. 3 Handelsgesetzbuch – HGB).
 
Schon in ihrem BMF-Schreiben vom 12. März 2010 zu den Implikationen des Bilanzrecht-Modernisierungsgesetzes (BilMoG) auf steuerliche Bilanzierungsgrundsätze vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung dieser Anhebung der steuerlichen Herstellungskostenuntergrenze. Aufgrund massiver Kritik aus Forschung und Wirtschaft sah sich die Verwaltung mit Schreiben vom 22. Juni 2010 jedoch veranlasst, die Änderung der Herstellungskostenermittlung vorerst auszusetzen. Diese „Schonfrist” scheint nun vorbei zu sein.
 
Damit würde durch die Neuregelung die steuerliche Herstellungskostenuntergrenze von der nach handelsbilanziellen Bewertungsgrundsätzen ermittelten abweichen. Dieser Zustand existierte zwar auch schon vor den Änderungen des HGB durch das BilMoG, jedoch kamen die unterschiedlichen Herstellungskostengrenzen damals durch Abweichungen zwischen verpflichtend anzusetzenden Einzelkostenbestandteilen zu Stande. Der neue steuerliche Herstellungskostenbegriff dürfte dahingehend ein höheres Konfliktpotential mit sich bringen: Allgemeine Verwaltungs- und Sozialkosten fallen unabhängig von der Ausbringungsmenge an. Fraglich ist, nach welchen Kriterien die Angemessenheit dieser Kostenbestandteile zur Ermittlung der steuerlichen Herstellungskosten erfolgen soll. Dieses ist insbesondere aufgrund der regelmäßig nicht hinreichend verlässlich feststellbaren Werthaltigkeit dieser Kosten problematisch. Da die Finanzverwaltung jedoch von einem zwingenden Einbezug solcher Kostenbestandteile ausgeht, müssen Steuerpflichtige nunmehr einen entsprechenden Verteilungsschlüssel dieser Gemeinkosten auf die einzelnen Wirtschaftsgüter vorhalten. Notwendig ist hierzu eine Kostenträgerrechnung auf Vollkostenbasis, die in vielen mittelständischen Unternehmen nicht oder nur in einfachster Form vorhanden ist. Eine einfache Zuschlagskalkulation dürfte den Erfordernissen wohl nicht genügen.
 
Damit konterkariert die Finanzverwaltung die Bemühungen des Gesetzgebers, welcher im Rahmen des BilMoG ausdrücklich den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff an die Definition des Steuerrechts anpassen wollte. Praktisch dürfte die Auffassung der Finanzverwaltung nun (wie vor den Regelungen des BilMoG) darauf hinauslaufen, dass Unternehmen, um eine getrennte Herstellungskostenermittlung für handels- und steuerbilanzielle Zwecke zu vermeiden, auch in der Handelsbilanz den Herstellungskostenansatz nach dem Ausweis in der Steuerbilanz wählen.
 
Für den Steuerpflichtigen bedeutet dies in der Regel zunächst einen Verwaltungsmehraufwand um den Anforderungen an eine Angemessenheit der zu berücksichtigenden Gemeinkosten genüge zu tun. Der höhere Ansatz von Herstellungskosten führt spiegelbildlich zu einem „Weniger” an berücksichtigungsfähigem Aufwand und im Ergebnis damit zu einer laufenden steuerlichen Mehrbelastung. Da eine genaue Schlüsselung und Zurechnung der einzelnen Gemeinkosten auf den jeweiligen Kostenträger in der Praxis kaum realisierbar ist, wird die Ermittlung der Herstellungskosten in Zukunft immer auch einen latenten Diskussionspunkt im Rahmen steuerlicher Betriebsprüfungen bilden. Insbesondere das laufende Geschäftsjahr dürfte hierbei ein kritischer Faktor sein, soweit im Unternehmen noch keine Gemeinkostenschlüsselung auf Vollkostenbasis installiert ist. Gerade in diesen Fällen ist eine zeitnahe Analyse der Kostenrechnung und eine Anpassung an den verpflichtenden Ansatz der steuerlichen Vollkosten in der Steuerbilanz dieses Wirtschaftsjahres angezeigt.
 
 
zuletzt aktualisiert am 19.04.2013

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Britta Dierichs

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