Neue Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz: Erstattungsanspruch der Krankenkasse auf Umsatzsteuer bei Zytostatika-Zubereitungen auf Steueranteil betreffend Herstellungspauschale beschränkt

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​veröffentlicht am 30. November 2021; Autoren: Lorenz Bonkhoff, Christian Ortloff


Im Hinblick auf die strittigen Rückforderungsansprüche der gesetzlichen Krankenkassen wegen zu Unrecht abgerechneter Umsatzsteuer auf Zytostatika-Zubereitungen hat das Bundessozialgericht bisher (BSG, Urteil vom 09.04.2019, AZ: B 1 KR 5/19 R) lediglich zur anteiligen Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschale entschieden. Hier wurde ein Rückforderungsanspruch bejaht. Ob der Rückforderungsspruch auch betreffend solcher anteiliger Umsatzsteuer besteht, welche auf die Einkaufpreise – regelmäßig der überwiegende Anteil der Rückforderungen der Krankenkassen – entfällt, ist strittig. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.07.2021, AZ: L 5 KR 22/20) beschränkt den Ersatzanspruch auf die Herstellungspauschale. Der ganz wesentliche Teil der Umsatzsteuer entfällt aber auf die weitergegebenen Einkaufspreise. Die rechnerisch darauf entfallende Umsatzsteuer muss nicht zurückgegeben werden. 
 
Die Krankenkassen und die Kliniken streiten seit Jahren um die Rückforderung von Umsatzsteuer auf von der Krankenhaus-Apotheke hergestellte und ambulant abgegebene Zytostatika-Zubereitungen. Die Krankenkassen fordern hier die Umsatzsteuer zurück. Entsprechende Präparate wurden in der Vergangenheit, entsprechend der damaligen herrschenden Meinung, als umsatzsteuerpflichtig abgegeben. Im Nachgang zu einer BFH-Entscheidung aus dem Jahr 2014 (Urteil vom 24.09.2014, AZ: V R 19/11) wurde die Auffassung der Finanzverwaltung im Jahr 2016 (Schreiben vom 28.09.2016, III C 3-S7170/11/10004, veröffentlicht im BStBl I 2016, 1043 am 20.10.2016) dahingehend abgeändert, dass die genannten Präparate umsatzsteuerfrei sind. Infolgedessen ist es zu umfangreichen Rückforderungen der Kassen gegen die Kliniken gekommen.


Betreffend entsprechender Rückforderungen der privaten Krankenversicherung hatte der zuständige Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch besteht, hier aber die Vorsteuer bezogen auf die Einkaufspreise für die Medikamente abgezogen werden kann.


Aufseiten der gesetzlichen Krankenkassen lag bisher nur ein Urteil des zuständigen Bundessozialgerichts vor (BSG, Urteil vom 09.04.2019, AZ: B 1 KR 5/19 R), welches vorsah, dass der Umsatzsteueranteil, welcher auf die Herstellungspauschale entfalle, zurückzuführen sei. Bezüglich des Löwenanteils der Umsatzsteuer fehlte es in Bezug auf die gesetzlichen Kassen bisher an einer einschlägigen Entscheidung des BSG. In der Praxis wurde bei Vergleichsverhandlungen aber in der Regel die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den privaten Kassen im Ergebnis entsprechend angewendet. Die Parteien sind daher bisher weitgehend davon ausgegangen, dass lediglich der Umsatzsteuerüberhang über die Vorsteuer von den Krankenhäusern herauszugeben sei.


Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ist nunmehr in seiner Entscheidung vom 01.07.2021 (L 5 KR 22/20) zu einem ähnlichen Ergebnis wie der Bundesgerichtshof gekommen.


Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz legt die maßgebliche Regelung im Abgabepreis in § 6 Abs. 6 AMPW 2010 als Bruttopreisvereinbarung aus. Diese ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu vervollständigen, dass nach der rückwirkenden Änderung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuerfreiheit der Abgabe individuell hergestellter Zytostatika das beklagte Krankenhaus vertraglich zur Rückzahlung des Differenzbetrags verpflichtet ist, der sich aus dem Umsatzsteueranteil des vereinbarten Abgabepreises abzüglich der pauschal zu berechneten Vorsteuer auf die Eingangsleistungen der Beklagten ergibt.


Im Ergebnis wird der Vertrag dahingehend ausgelegt, dass lediglich der Umsatzsteueranteil zurückgefordert werden kann, welcher auf die Eigenleistung (im Urteil als Arbeitspreise bezeichnet) entfällt. Gegen die genannte Entscheidung ist Revision beim Bundessozialgericht eingelegt (BSG, Az. B 1 KR 30/21 R)

Im Ergebnis ist die genannte Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz aus Sicht der Krankenhäuser zu begrüßen. Diese bildet im Wesentlichen die bisherige Vergleichspraxis nach. Da mit Verweis auf das genannte Urteil die Diskussion um die Einkaufspreise betreffend der Medikamente wegfallen dürfte, bietet das Urteil eine erhebliche Erleichterung, welches von den Kliniken genutzt werden sollte.

Ob das Bundessozialgericht der genannten Entscheidung folgen wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall sollten sich die Krankenhäuser bezüglich dieser komplexen Problematik fachmännisch beraten lassen.

Wir haben hier langjährige Erfahrung und stehen gerne zur Verfügung.

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Dr. Christian Ortloff

Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsmediator (IHK)

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