Formelle Satzungsmäßigkeit und Vermögensbindung

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​​veröffentlicht am 31. Mai 2022​

 

Die Satzung einer gemeinnützigen Gesellschaft genügt nur dann dem Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung (§§ 61 Abs.1, 55 Abs.1 Nr.4 AO), wenn sie auch eine ausdrückliche Regelung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der Körperschaft enthält. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Urteil vom 26. August 2021 (Az. V R 11/20), dass Vertrauensschutzgesichtspunkte im Verfahren der erstmaligen negativen Feststellung nach § 60a Abs. 1 AO nicht zu berücksichtigen sind.

 

Am 26. August 2021 wies der Bundesfinanzhof die Klage einer GmbH gegen den Bescheid des Finanzamtes ab, mit dem die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen gem. § 60a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) aufgrund einer steuerlich nicht ausreichenden Vermögensbindung abgelehnt wurde. Die Satzung der Gesellschaft enthielt zwar Aussagen zur Vermögensbindung bei Auflösung der Gesellschaft. Jedoch fehlten Angaben, wie mit dem Vermögen bei Wegfall des Zwecks der Gesellschaft umzugehen sei. 

 

Hintergrund: Der Gesellschaft, die 1995 errichtet wurde und deren Gegenstand die gemeindepsychiatrische Versorgung eines Kreises ist, wurde im August 2014 mitgeteilt, dass der Gesellschaftsvertrag nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entspreche und darum gebeten, die gemeinnützigen Zwecke (wörtlich) zu benennen.

 

Daraufhin hatte die Gesellschaft im Jahr 2015 ihren Gesellschaftsvertrag mit einer Neufassung der Satzung in das Handelsregister eintragen lassen, die wie auch die Fassung aus dem Jahr 2012 zwar Regelungen zur Vermögenbindung im Fall der Auflösung der GmbH enthielt, aber nicht bei Zweckentfall. 

 

Dies beanstandete das Finanzamt zunächst im Juni 2015 und erteilte im Dezember 2016 anschließend einen negativen Feststellungsbescheid i.S.d. § 60a AO, da die Satzung in der Fassung von 2015 nicht die Voraussetzungen der satzungsmäßigen Vermögensbindung nach den §§ 51,59, 60 und 61 AO erfülle. Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2018 zurück, woraufhin die Klägerin Klage erhob.

 

Das Finanzgericht gab der Klage statt.

 

Der BFH hob anschließend das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Das Gericht begründete seine Entscheidung zunächst damit, dass gemäß § 61 Abs. 1 AO eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO vorläge, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Ist der Wegfall des bisherigen Zwecks als Voraussetzung des Vermögensanfalls daher überhaupt nicht erwähnt, sei eine Auslegung der Satzung in der Weise, dass die Regelung zu einer anderen Art des Vermögensanfalls auf den Wegfall des bisherigen Zwecks zu übertragen ist, nicht möglich.

 

Zudem könne sich bei einem erstmaligen Feststellungsbescheid nach § 60a Abs.1 AO – die negative Feststellung inbegriffen – nicht auf einen Vertrauensschutz hinsichtlich der Steuerbegünstigung berufen werden. Einen Vertrauensschutz gewährt die Finanzverwaltung nur für bereits positiv geprüfte Satzungen, für die ein Bescheid nach § 60a ergangen ist – im vom BFH entschiedenen Sachverhalt hatte das Finanzamt die Erteilung eines solchen Feststellungsbescheids aber gerade abgelehnt. Und Freistellungsbescheide für vorangegangene Zeiträume begründen nach der bereits ergangenen BFH-Rechtsprechung gerade keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. 

 

An dieser Stelle sei kurz erläutert: Ein Freistellungsbescheid ist ein „normaler” Steuerbescheid, der im Rahmen der Steuerveranlagung aufgrund der Abgabe der Steuererklärungen erteilt wird und bestätigt, dass die tatsächliche Geschäftsführung die Anforderungen für die Steuerbegünstigung erfüllt. Ein Feststellungsbescheid nach § 60a AO dagegen ist ein gesonderter Bescheid, der ausschließlich bestätigt, dass die Satzung den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts entspricht.

 

Auch wenn sich das Urteil sicherlich auf einen sehr speziellen Sachverhalt bezieht, lässt sich zusammenfassend festhalten: Ist der Wegfall des bisherigen Zwecks als Voraussetzung des Vermögensanfalls in der Satzung nicht erwähnt, ist eine Auslegung der Satzung in der Weise, dass die Regelung zu einer anderen Art des Vermögensanfalls auf den Wegfall des bisherigen Zwecks zu übertragen ist, nicht möglich. Die Satzung erfüllt dann eine der gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen für die satzungsmäßige Vermögensbindung des § 61 AO nicht.

 

 

Quelle: https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210008/


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Autorinnen: Simone Müller und Anka Neudert

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Simone Müller

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