Privatkliniken – Anwendbarkeit der Umsatzsteuerbefreiung für Krankenhausleistungen nach Unionsrecht

PrintMailRate-it

​​​veröffentlicht am 31. Mai 2022​

 

Bereits im Jahr 2014 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch für Privatkliniken die Möglichkeit besteht, Krankenhausbehandlungen – unter Berufung auf das Unionsrecht – umsatzsteuerfrei zu erbringen. Die Prüfung, ob eine Privatklinik die Voraussetzungen erfüllt, um vom Unionsrecht Gebrauch machen zu können, hatte sich bisher schwierig gestaltet. Der EuGH hat nunmehr mit Urteil vom 07.04.2022 – C-228/20 Kriterien an die Hand gegeben, unter welchen genauen Voraussetzungen ein privates Krankenhaus die Steuerbefreiung nach Unionsrecht in Anspruch nehmen kann.1

 

Bis Ende Dezember 2019 gab es nach nationalem Umsatzsteuergesetz für private Krankenhausbetreiber nur dann eine Möglichkeit der Umsatzsteuerbefreiung, wenn es sich hierbei um ein in den Krankenhausplan eines Bundeslandes aufgenommenes Krankenhaus (sog. Plankrankenhaus) handelt oder wenn es sich um ein Krankenhaus handelt, mit dem ein Versorgungsauftrag i.S.d. § 108 SGB abgeschlossen wurde.

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte mit Urteil von 20142 entschieden, dass auch andere Privatkliniken Krankenhausbehandlungen umsatzsteuerfrei erbringen können, indem sie sich auf das Unionsrecht berufen, da die deutsche Reglung nicht unionsrechtkonform sei. 

 

Zum 01.01.2020 erfolgte die Neuregelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchstabe aa UStG, wonach Privatkliniken nunmehr auch nach deutschem Recht Krankenhausbehandlungen umsatzsteuerfrei erbringen können. Dies setzt voraus, dass die Leistungen der Privatkliniken unter sozial vergleichbaren Bedingungen wie Krankenhäuser mit Kassenzulassung erbracht werden. 

 

Für die vor 01.01.2020 erbrachten Leistungen stellt sich aber weiterhin die Frage, welche Kriterien erfüllt sein müssen, dass sich eine Privatklinik auf die Umsatzsteuerbefreiung nach Unionsrecht berufen kann. 

 

Das niedersächsische Finanzgericht hatte sich im Rahmen seiner Entscheidung, ob Privatkliniken sich für Krankenhausbehandlungen, die vor dem 01.01.2020 erbracht worden sind, auf eine Umsatzsteuerbefreiung des Unionsrechts berufen können, im Wege der Vorabentscheidung mit zwei zu klärenden Fragen an den EuGH gewandt.3

 

Die Finanzrichter wollten wissen, ob 

  • die bis zum 31.12.2019 geltende Fassung des § 4 Nr. 14 b) aa) UStG mit dem Unionsrecht4 vereinbar ist und5, falls nicht,
  • unter welchen Voraussetzungen Krankenhausbehandlungen durch private Krankenhäuser „in sozialer Hinsicht vergleichbar” im Sinne des Unionsrechts sind.6

 

Der EuGH hat nunmehr mit Urteil vom 07.04.2022 C – 228/20 die vom FG Niedersachsen gestellten Fragen zur Anwendung des Unionsrechts für die Krankenhausleistungen der Privatkliniken, die vor dem 01.01.2020 erbracht worden sind, beantwortet.

 

Der EuGH kommt zum Ergebnis, dass das deutsche Recht tatsächlich unionswidrig war, weil nach nationalem Recht bis zum 31.12.2019 den Privatkliniken keine Möglichkeit eingeräumt war, umsatzsteuerfreie Leistungen zu erbringen. Eine Ausnahme bestand hierbei nach deutschem Recht nur für solche Privatkliniken, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen waren oder die Versorgungsverträge mit den gesetzlichen Kranken- oder Ersatzkassen abgeschlossen hatten. Daher können sich die übrigen Privatkliniken bis zum 31.12.2019 auf das Unionsrecht beziehen. 

 

Der EuGH gibt in seinem Urteil folgende Kriterien an die Hand, die die national zuständigen Behörden bei der Feststellung, ob „in sozialer Hinsicht vergleichbare” Krankenhausleistungen vorliegen, berücksichtigen können:

  1. Berücksichtigung der regulatorischen Bedingungen, die für öffentlich-rechtliche Krankenhäuser gelten
  2. Berücksichtigung von Indikatoren der Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses in Sachen Personal, Räumlichkeiten und Ausstattung sowie Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung7

wenn mit den Bedingungen (1.) und den Indikatoren (2.) das Ziel verfolgt wird, die Kosten der Heilbehandlung zu senken und dem Einzelnen eine qualitativ hochwertige Behandlung zugänglich zu machen.

 

Ebenfalls berücksichtigt werden können 

3. Die Modalitäten der Berechnung der Tagessätze8 sowie

 

4. Die Tatsache, dass die Kosten, die die Patienten des privaten Krankenhauses zu tragen haben, ähnlich hoch sind wie die Kosten der Patienten der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser

 

Fazit 

Für die Anwendbarkeit des Unionsrechts für die Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen von Privatkliniken vor dem 01. Januar 2020 ändert sich künftig nichts. Der EuGH bestätigt in seiner Entscheidung lediglich die Auffassung des BFH aus dem Jahr 20149.

 

Allerdings werden die Kriterien, die der EuGH entwickelt hat, sicherlich bei der Auslegung der Neufassung der Regelung im deutschen Umsatzsteuergesetz10 eine wesentliche Rolle spielen.

 

 

 


  

EuGH-Urteil vom 07.04.2022, C – 228/20

2 BFH vom 23.10.2014, V R 20/14, BStBl. II 2016, S. 785.

3 Vorlagebeschluss des FG Niedersachsen an den EuGH vom 02.03.2020, 5-K-256/17, EFG 2020, S. 1787.

4 Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

5 Konkret angefragt war, ob die Steuerbefreiung von Krankenhäusern, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, daran geknüpft werden kann, dass diese Krankenhäuser nach § 108 SGB V zugelassen sind.

6 Im Gegensatz zum deutschen UStG (bis 31.12.2019) hat das Unionsrecht auch damals bereits – neben Krankenhausbehandlungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts – Krankenhausbehandlungen von solchen Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, die unter Bedingungen durchgeführt werden, die mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentl. Rechts vergleichbar sind.

7 Sofern diese Indikatoren auch auf öffentlich-rechtliche Krankenhäuser anwendbar sind.

8 Die Tagessätze sollten in einem privaten und einem öffentlich-rechtlichen Krankenhaus in vergleichbarer Weise berechnet werden.

9 BFH vom 23.10.2014, V R 20/14, BStBl. II 2016, S. 785.

10 § 4 Nr. 14 b) aa) UStG, neue Fassung gültig seit 01.01.2020. Seitdem befreit das deutsche UStG Krankenhausbehandlungen von private Krankenhäusern, die ihre Leistungen „in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen” wie öffentlich-rechtliche Krankenhäuser erbringen von der Umsatzsteuer.



Autorinnen: Diana Haidar und Anka Neudert

Kontakt

Contact Person Picture

Diana Haidar

Bachelor of Laws Wirtschaftsrecht, Steuerassistentin, Prüfungsassistentin

Senior Associate

+49 221 949 909 428

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu