Gaspreisindizes in der Fernwärme – EEX oder Destatis-Indizes?

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​veröffentlicht am 1. März 2024



Über die Plattform „Genesis” des statistischen Bundesamts und die europäische Energiebörse EEX stehen Versorgern eine große Auswahl von Indizes zur Abbildung der Erdgaskosten in Preisgleitformeln zur Verfügung. Besonders in volatilen Marktphasen ist bei der Auswahl von Indizes für die Preisgleitformeln jedoch Vorsicht geboten. Bei der Entwicklung von Preismechanismen sollen neben der tatsächlichen Kostenstruktur des Versorgers auch Marktverhältnisse des Wärmesektors mit einbezogen werden und eine angemessene Balance zwischen Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Komplexität gefunden werden. Die zur Auswahl stehenden Indizes weisen untereinander signifikante Unterschiede auf, die sich in den Wärmepreisen der Endkunden widerspiegeln. Eine falsche Indexwahl kann neben finanziellen Folgen auch rechtliche Probleme mit sich bringen. Wir zeigen im folgenden Artikel auf, welche Aspekte in Betracht gezogen werden sollten.



Rechtliche und betriebswirtschaftliche Bedeutung

Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen (sog. Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (sog. Marktelement) angemessen berücksichtigen. Gemäß § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausgewiesen werden. Ziel ist dabei, dass die Kunden die auf sie zukommenden Kosten abschätzen oder zumindest die Konditionen ihrer Versorgung nachvollziehen können.

Im Hinblick auf das Kostenelement ist zwar keine Kostenechtheit, jedenfalls aber eine unmittelbare Anknüpfung an die beim Fernwärmeversorger anfallenden Kosten der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme geboten. Spiegelt eine Preisänderungsklausel eine derartige Kostenorientierung nicht wider, so ist sie mit den Anforderungen des § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV nicht vereinbar (BGH, Urteil vom 18.12.2019 – VIII ZR 209/18).

Im Streitfall des obig zitierten Urteils aus dem Jahr 2019 stand die 100-Prozent-Anknüpfung der Arbeitspreisgleitformel an den „HEL”-Faktor in der Kritik, da dieser aus Sicht der Streitpartei die tatsächliche Kostenstruktur nicht sachgerecht abbildete. Der BGH führte aus, dass ein vom Fernwärmeversorger gewählter Preisänderungsparameter nur dann als geeignet angesehen werden kann, wenn dieser seine Brennstoffbezugskosten hinreichend abbildet. Dies setzt voraus, dass die Preisänderungsparameter der Brennstoffbezugskonditionen des Versorgers im Wesentlichen der von ihm gegenüber seinen Endkunden praktizierten Bindung an diese Bezugsgröße entspricht.

An einer solchen Entsprechung fehlt es, wenn der vom Fernwärmeversorger in seinem Brennstoffbezugsvertrag zu entrichtende Arbeitspreis – wie im Streitfall – nur zu 75 Prozent durch „HEL” bestimmt wird, der vom Endkunden nach den Regelungen des Wärmelieferungsvertrags zu entrichtende Arbeitspreis indes zu 100 Prozent an den Preisänderungsparameter „HEL” anknüpft (BGH, Urteil vom 18.12.2019 – VIII ZR 209/18).

Weiterhin führt der BGH aus, dass das Gebot der Kostenorientierung nicht schon dann gewahrt ist, wenn sich der Preis der Fernwärmeerzeugung und derjenige des Brennstoffbezugs mehr oder weniger zufällig gleich entwickelt haben. Das Gebot der Kostenorientierung erfordert vielmehr die Wahl eines Preisänderungsparameters, der generell sicherstellt, dass sich die vom Kunden zu tragende Preiskomponente der Wärmeerzeugungskosten nicht anders entwickeln kann als die Kosten des tatsächlichen Brennstoffbezugs.

Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, dass eine Kostenorientierung im Sinne des § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV die Wahl eines für den konkreten Einzelfall geeigneten Indizes voraussetzt.

Essenzieller Bestandteil der Preisänderungsklausel ist neben dem Kosten- und Marktelement auch das sog. Fixelement. Wohingegen Kosten- und Marktelement den variablen Veränderungen des konkret gewählten Index unterliegen und damit eine möglichst präzise Kosten- und Marktabbildung gewährleisten, dient das Fixelement – losgelöst von der variablen Kosten- und Marktentwicklung – der Abbildung der übrigen, nicht variablen Preisbestandteile. Einschränkend darf das Fixelement aber auch nicht zu einer gewinnsteigernden Funktion der Preisgleitklausel führen. Es erscheint geboten, diese Einschränkung auch auf die Wahl der konkreten Indizes zu übertragen. Die bewusste Wahl eines Indizes, der zu einer nicht kostenorientierten und damit ungerechtfertigten Steigerung des Gewinns bzw. Verlusts führt, gilt es zu vermeiden. Im Ergebnis wird damit auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht durch die Preisänderungsformel eine möglichst präzise Kostendeckung erzeugt, die mit der Gewährleistung von Sicherheit und angemessener Profitabilität einhergeht.

Fernwärmeversorgungsunternehmen schließen mit ihren Kunden in der Regel langfristige Versorgungsverträge, die bei Versorger und Kundschaft gleichermaßen zu einer gewissen zeitlichen Bindung an die Abnahme und Lieferung sowie entsprechenden beidseitigen Investitionen in die Fernwärme führen. In der Folge unterliegen sie – neben den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV – auch den kartellrechtlichen Missbrauchsverboten der §§ 19 Abs. 1 und 29 GWB.

Aktuell und mit Hinblick auf die durch die Energiekrise stark gestiegenen Versorgungspreise geht das Bundeskartellamt (Wir berichteten: https://www.roedl.de/themen/stadtwerke-kompass/2023/23/fernwarmeversorgungsunternehmen-im-fokus-des-bundeskartellamts) der Frage nach, ob die konkret verwendeten Preisänderungsklauseln gegen die gesetzlichen Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV verstoßen und so zu einer ungerechtfertigten Preissteigerung auf Kundenseite geführt haben. Ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot liegt vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, wie sie sich bei wirksamem Wettbewerb ergeben hätten, § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB (Vergleichsmarktkonzept). 

Ein großer Teil der deutschen Fernwärmeversorgung hängt noch an dem Einsatz von Erdgas. Da gerade die Erdgaskosten aufgrund der Energiekrise stark gestiegen sind und eine größere Volatilität aufweisen, ist das Thema der korrekten Indexwahl sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich höchst relevant. Einerseits ist es notwendig, dass die Bezugskosten des Erdgases aus rechtlicher Sicht den Anforderungen der Kostenorientierung entsprechen, damit die im Einsatz befindlichen Arbeitspreisformeln zulässig sind und vor Gericht und Bundeskartellamt standhalten. Anderseits ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht angezeigt richtige Indizes zu wählen, um faire und gleichzeitig kostendeckende Preise anbieten zu können. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn die Indizes die entsprechende Kostenentwicklung widerspiegeln. Wir haben daher verschiedene Erdgasindizes miteinander verglichen.

Analyse der Destatis-Indizes

Die Entwicklung der Erdgaskosten ist in der Preisgleitformel durch Indizes wie die Destatis-Indizes oder über den European Gas Index (EGIX) der europäischen Energiebörse EEX abbildbar. 

Neben den zahlreichen vergangenheitsbasierten Indizes des Statistischen Bundesamts und dem EGIX stehen auch Börsenindizes und Future-Produkte der europäischen Energiebörse EEX zur Auswahl, wobei zwischen den Settlementpreisen teilweise gravierende Unterschiede bestehen. Mit den verschiedenen Börsenprodukten können verschiedene Beschaffungsstrategien, also zum Beispiel langfristige Sicherungsstrategie mit zwei bis drei Jahren Vorlauf oder kurzfristigere Strategien, die sich eher auf den kommenden Liefermonat oder das kommende Lieferjahr beziehen, dargestellt werden.



 
Abb. 1: Jahresdurchschnittswerte des EGIX im Vergleich zu Mittelwerten von Kalenderprodukten mit drei unterschiedlichen Beschaffungszyklen

Abbildung 1 hebt die extremen Preisdifferenzen verschiedener Beschaffungszeiträume hervor. Die jeweiligen Jahresdurchschnittswerte des EGIX der Jahre 2022 und 2023 werden mit Mittelwerten von Kalenderprodukten für Erdgaslieferungen der jeweils davorliegenden eins bis drei Kalenderjahre verglichen. Während die im Jahr 2022 durch den Russland-Ukraine-Konflikt enorm gestiegenen Preise bei einer EGIX-basierten Preisbildung direkt an den Kunden übertragen wurden, durften Kunden von Versorgern mit langfristigen vergangenheitsbasierten Beschaffungsstrategien 2022 weiter von den vergleichsweise niedrigen Preisen der Vorjahre profitieren. Bei Betrachtung entsprechender Preise für 2023 - nach deutlichen Preisrückgängen aufgrund der Absicherung von Erdgasimporten aus anderen Ländern - wird jedoch deutlich, dass die Kunden durch kurzfristige Preisbildungsmechanismen nach einem extremen Hoch im Jahr 2022 wieder wesentlich günstiger versorgt werden konnten, während sich die hohen Preise des Jahres 2022 bei Kunden der langfristigen Beschaffungszeiträume und damit höheren Mittelwerten niederschlugen. Die enorme Differenz, die sich aufgrund der verschiedenen Einkaufsmodalitäten ergeben kann, ist auch eine Herausforderung in der Gestaltung und Kommunikation der Endkundenpreise.

In der Fernwärmebranche waren bisher Destatis-Indizes weit verbreitet. Dabei bietet Destatis eine differenzierte Auswahl von Erdgasindizes, die einer hierarchischen Struktur folgt und somit über- und untergeordnete Indizes umfasst. Ein Beispiel für einen übergeordneten Index ist der "Erdgas, Verteilung", der sich aus den untergeordneten Indizes "Erdgas, Abgabe an Wiederverkäufer", "Erdgas, Börsennotierungen", "Erdgas, Abgabe an Industrie" und "Erdgas, Abgabe an Kraftwerke" zusammensetzt. Die untergeordneten Indizes werden auf Grundlage von konkreten Daten von Unternehmen gebildet, die regelmäßig ihre Erdgaskosten dem Statistischen Bundesamt melden. Man spricht von sogenannten Warenkörben. Folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der von Versorgern oft genutzten Indizes von Destatis und deren Verzeichnisse:




Die Frage ist nun, welche Vor- und Nachteile sich aus der Verwendung von Börsendaten oder Destatis-Indizes in der Preisgleitformel ergeben können.

Für Destatis auf der einen Seite spricht, dass alle Indizes öffentlich zugänglich und leicht einsehbar sind. Auch die Hierarchie der Indizes kann nachvollzogen werden und es werden keine expliziten spezifischen Kosten in Euro/MWh, sondern nur die Indexwerte – also Werte normiert auf ein Basisjahr - angegeben, was den üblichen Einbezug in Preisgleitformeln darstellt und wenig tief in die Geschäfts- und Einkaufsstrategien der Versorger blicken lässt.

Nachteilig jedoch ist die oftmals recht nachlaufende Betrachtungsweise, da durchaus viele nicht mehr aktuelle Daten aus der Vergangenheit miteinbezogen werden. Die Beschaffungslogik und Datenerhebung ist für fast alle Indizes nicht einsehbar und nicht nachvollziehbar. Damit kann nur retrospektiv analysiert werden, ob ein spezifischer Index und die damit dahinterliegenden Entscheidungen der Unternehmen im Warenkorb zur vollzogenen Beschaffungslogik gepasst haben. Außerdem orientiert sich die Indexanpassung an Marktwerten aus der Vergangenheit, kann also nur retrospektiv erklärt werden.  

Da der Index nur auf einem vorher festgelegten Warenkorb basiert, resultieren in volatilen Märkten Risiken, dass die im Warenkorb enthaltenen Einzelfaktoren von preislichen Ausbrüchen betroffen sind, die die Grundgesamtheit nicht in vollem Maße betreffen, wodurch der Index weniger repräsentativ wird.

Die von der EEX bereitgestellten Indizes weisen wesentliche Unterschiede zu Destatis auf. Der wesentlichste Unterschied ist die in die Zukunft ausgerichtete Betrachtungsweise. Der EGIX-Monatsmittelwert etwa gibt den volumengewichteten Durchschnittspreis der täglich über die Börse gehandelten Lieferverträge für Erdgas im nächsten Monat an. Damit entfällt das bereits thematisierte Warenkorbrisiko und der Markt wird umfassend widergespiegelt. Jedoch weist der EGIX eine sehr hohe Volatilität auf und eignet sich nicht zur Abbildung einer langfristig ausgerichteten Beschaffungsstrategie. Durch verschiedene verfügbare Future-Produkte können Beschaffungsstrategien und entsprechende Durchschnittswerte für die Preisgleitklausel gebildet werden, die die Kosten der Erdgasbeschaffung für festgelegte Zeiträume in der Zukunft abbilden. Dadurch ist eine Kostenorientierung möglich, die der tatsächlichen Beschaffung des Versorgers sehr nahekommt. Von Nachteil ist, dass die Preisdaten dieser Futures nicht öffentlich zugänglich sind und zur Veröffentlichung käuflich erworben werden müssen, was zulasten der Kundenfreundlichkeit und Nachvollziehbarkeit fällt. Weder der EGIX selbst noch die verschiedenen Future-Produkte beinhalten Beschaffungsnebenkosten, die je nach Index bei Destatis berücksichtigt werden. 

Diese Nebenkosten müssen anschließend auf anderem Wege an den Kunden weitergegeben werden. 

Diskussion der verschiedenen Indizes

Wie man Abb. 1 entnehmen kann, waren die Erdgaskosten vor 2021 nicht von hoher Volatilität gezeichnet. Gegen Mitte 2021 jedoch begann der Markt stark zu steigen und der Russland-Ukraine-Krieg brachte die Kosten auf ein Vielfaches der Werte vor 2021. Die Werte der Destatis-Indizes im August 2022 zeigen die deutlichen Abweichungen untereinander und das wirtschaftliche Risiko eines nicht zur Beschaffungsstrategie passenden Index auf. Der Index „Erdgas, Börsennotierungen” wies gegenüber dem Basismonat Januar 2018 den 11,7-fachen Wert auf, wohingegen der Index „Erdgas, bei Abgabe an Handel und Gewerbe” im gleichen Zeitraum nur um das 1,9-fache gestiegen ist. Je nach Indexwahl wäre entweder der Endkunde oder der Versorger von kritischen Kostennachteilen betroffen.

Unsere Analyse der verschiedenen Indizes hat gezeigt, dass die Destatis-Indizes nur bedingt zu verschiedenen Beschaffungsstrategien passen. Eine grobe Kostenorientierung ist zwar in Ansätzen möglich, allerdings können keine klaren Empfehlungen für die Beschaffungsstrategie abgeleitet werden, die die Genauigkeit der Passung zwischen Indizes und Beschaffung erhöhen. Dieser Mangel an Genauigkeit und Planbarkeit kann erhebliche Auswirkungen auf die Kostenermittlung und -planung und damit auf die Wirtschaftlichkeit haben.

Unter den vorhandenen Destatis-Indizes scheint der Index "Abgabe an Wiederverkäufer" klar als am besten geeignet, um langfristige Beschaffungsstrategien widerzugeben, wenn auch mit gewissen Limitationen. Hervorzuheben ist jedoch, dass insbesondere bei kurzfristigen Beschaffungsstrategien der EGIX-Index oder der Destatis-Index „Börsennotierung” als die derzeit sinnvollste Option erscheinen. Dieser hätte jedoch teils enorme Preissteigerungen für Endkunden bedeutet.




Abb. 2: Entwicklung der Indizes zwischen 2018 und September 2023

Beschaffungsstrategie

Bei der Abstimmung von Preisgestaltung und Beschaffung muss der Versorger entscheiden, ob er seine Beschaffungsstrategie an einen bestimmten Index anpasst oder zuerst den Index festlegt und anschließend seine Beschaffung an diesem orientiert. Für eine vorgehende Festlegung der Beschaffungsstrategie spricht, dass die Modalitäten der Beschaffung von Erdgas den Großteil der variablen Kosten bei der Fernwärme ausmachen. Es ist in vielen Fällen sinnvoll, die Beschaffung im Einklang mit dem Energiehandel passend und unabhängig von einem Index auszulegen und einen passenden Index zu wählen, nachdem die Konditionen der Erdgaslieferung festgelegt wurden. Allerdings ist es nicht möglich, die Kosten jeder Strategie genau durch einen Index abzubilden und je nach Auslegung der Beschaffungsstrategie folgen hohe Erlösrisiken je nach Ausmaß der Abweichung der Beschaffungskosten vom Index. Eine besondere Aufmerksamkeit erfordert weiterhin die Übergangszeit, in der eine neue Beschaffungsstrategie eingeführt wird. Der Fokus sollte bei der Einführung einer neuen Beschaffungsstrategie auf der Auslegung des Preissystems liegen, um das Preissystem logisch korrekt an die geänderten Bedingungen anzugleichen.

Für eine Anpassung der Beschaffung an einen vom Vertrieb festgelegten Index spricht, dass die Konditionen für Fernwärmelieferungen und die Preisgleitklausel das Kernstück der vertrieblichen Aktivität bilden. Durch Festlegung eines Index und Anpassung der Beschaffungsstrategie an diesen können Preise und Preisgleitformeln einfacher rechtskonform ausgelegt werden. Jedoch ist es nicht möglich, jeden Index in eine Beschaffungsstrategie zu überführen, was wiederum Risiken der Abweichung variabler Kosten und Erlöse nach sich zieht.  

In der Praxis hat sich bewährt, dass die Beschaffungsstrategie und Indexwahl im engen Austausch mit den jeweiligen Fachabteilungen im Rahmen einer Neueinführung von Fernwärmepreissystemen erfolgt. Bei langfristigen Sicherungsstrategien ist ein Übergangszeitraum möglich, für den wir bereits praxistaugliche Möglichkeiten entwickelt haben.

Bei der Abbildung von Börsenwerten in der Preisgleitformel ist eine detaillierte Darlegung der zur Anpassung notwendigen Marktwerte erforderlich. Zur Erfüllung der in der AVBFernwärmeV vorgegebenen Transparenzanforderungen müssen aus unserer Sicht die der Preisanpassung zugrunde liegenden Daten - optimalerweise auf der Homepage des Versorgers - veröffentlicht werden. Dies zieht in der Regel Lizenzkosten nach sich, die es zwingend mit der EEX oder anderen Datenanbietern vertraglich zu regeln gilt. Zudem bietet sich eine kurze Erläuterung anhand einer Beispielrechnung an. 

Des Weiteren ist es ratsam, dass der Versorger vertriebliche und kostenstrategische Gesichtspunkte miteinander verzahnt. Es muss ein Zeithorizont und ggf. müssen auch Zeitpunkte innerhalb dieses Zeitraums für die Beschaffung gefunden werden. Endkunden- und Beschaffungspreise können monatlich, quartalsweise, halb- oder ganzjährlich aktualisiert werden und der Versorger muss zwischen einer langfristigen, geglätteten oder kurzfristigen, volatileren Beschaffung entscheiden, die allerdings eher zum derzeitigen Marktbild passen. 

Auswertung

Wir haben die Preisgleitklauseln von 195 ausgewählten Fernwärmeversorgern analysiert. Die Analyse der von Versorgern in den Preisgleitformeln verwendeten Erdgasindizes ist in Abb. 2 dargestellt. Diese Abbildung veranschaulicht die absolute und die relative Verteilung der verwendeten Erdgasindizes innerhalb der Vergleichsgruppe. Die Bestimmung der Preisgleitformel basiert bei den meisten (36,8 Prozent) auf Destatis-Indizes, gefolgt von 26,7 Prozent der Versorger, die ihren Erdgasindex durch Produkte der Energiebörse EEX abbilden. Lediglich 2,6 Prozent der Versorger integrieren keinen spezifischen Erdgasindex in ihre Preisgleitformel. Für 33,6 Prozent der analysierten Versorger liegen keine Informationen zur Berechnungsmethodik der Preisgleitformel vor, eine eindeutige Präferenz bezüglich des Erdgasindex ist somit in der Praxis nicht ersichtlich. 




Abb. 3: Anbieter von Versorgern genutzter Indizes

Anpassungsrhythmus

Hat sich ein Versorger für einen Index zur Preisabbildung entschieden, muss dieser einen Turnus für die Preise festlegen. Der Turnus setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: dem Referenzzeitraum, dem Timelag und dem Gültigkeitszeitraum. Der Referenzzeitraum gibt die Anzahl der Monate an, aus denen der Mittelwert der Preise gebildet wird. Der Gültigkeitszeitraum gibt an, wie viele Monate der aus dem Referenzzeitraum berechnete Preis gültig ist und damit einhergehend auch den Takt der Festlegung neuer Preise. Der Timelag gibt den Abstand zwischen Ende des Referenzzeitraums und Beginn des Gültigkeitszeitraums der Preise an. Eine 12–3–12-Anpassung würde den ab Januar 2024 gültigen Preis für das gesamte Jahr auf Basis der Preise von Oktober 2022 bis September 2023 berechnen, da durch den Timelag dann drei Monate (Oktober, November und Dezember 2023) zwischen den beiden Zeiträumen liegen. Es sei anzumerken, dass Referenz- und Gültigkeitszeitraum im Gegensatz zum betrachteten Beispiel keineswegs gleich lang sein müssen. Es ist gängiges Vorgehen, Preise für ein Quartal mit einem sechsmonatigen Referenzzeitraum zu ermitteln - möglicherweise durch einen 6-3-3-Turnus. Dennoch gilt es auch hier zu beachten, dass die Beschaffung mit der Preisanpassungslogik korrelieren sollte. Wird Erdgas beispielsweise quartalweise beschafft, erfolgt aber eine einjährige Preisanpassung, dann können über das Jahr Liquiditätslücken1 entstehen. Gleichermaßen sollte die Beschaffung auch mit dem Referenzzeitraum abgeschlossen sein, das Timelag ist damit in der Beschaffung ebenfalls zu berücksichtigen.

Fazit

Die Preisgestaltung von Fernwärmelieferungen und die damit oft notwendige Wahl eines Erdgasindex erweist sich als anspruchsvoll und vielseitig während gleichzeitig rechtliche Vorgaben Raum für Gestaltung und Interpretation offenlassen. Hohe Volatilitäten am Energiemarkt und Nichtvorhandensein idealer Indizes zur genauen Kostenabbildung setzen eine umfangreiche Erwägung verschiedener Optionen für die Indexwahl voraus. Neben Destatis-Indizes sollte auch die Verwendung von Marktwerten in Erwägung gezogen werden. Beide Möglichkeiten sollten anhand der Vor- und Nachteile gut abgewogen werden. Eine korrekte Indexwahl kann sowohl in ruhigen als auch in volatilen Marktphasen rechtlichen Auseinandersetzungen vorbeugen, Liquidität sicherstellen und sowohl den Wärmekunden als auch den Versorgern zugutekommen.


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1https://www.roedl.de/themen/stadtwerke-kompass/2022/09/sicherung-liquiditaet-waermegeschaeft


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