Zunehmender Investitionsbedarf – Alternative Finanzierungsmöglichkeiten für Stadtwerke

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​veröffentlicht am 1. März 2024



Der Transformationsprozess in der Energiewirtschaft führt zwangsläufig zu einem erheblichen Anstieg des Investitionsbedarfs. In Verbindung mit den sich wandelnden Marktbedingungen beeinflusst dies maßgeblich die finanzielle, vermögens- und ertragsseitige Situation von Energieversorgungsunternehmen. Vor diesem Hintergrund stellen Anton Berger und Christoph Spier dar, wie eine ausgewogene und zukunftsfähige Finanzierungsstruktur aussehen kann und welche alternativen Formen der Finanzierung möglich sind.


Die aktuellen Herausforderungen sind beispiellos: Kaum haben Stadtwerke und Energieversorger die Corona-Pandemie erfolgreich mit einem Digitalisierungsschub gemeistert und den Blick für die Cybersecurity ihrer kritischen Infrastruktur geschärft, wurde die Energiewirtschaft mit den Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine konfrontiert. Gleichzeitig schwebt über uns das Damoklesschwert des Klimawandels, der verheerende Naturkatastrophen mit sich bringt und verstärkte Anstrengungen zur Dekarbonisierung aller Sektoren von unserer Gesellschaft fordert. 

Die tiefgreifenden Transformationsprozesse rund um die wegweisenden "5-D" der Energiewirtschaft beschleunigen sich und erfordern unternehmerische Antworten: Die Dekarbonisierung und Dezentralisierung (Energiewende), die Digitalisierung der Geschäftsprozesse, der Erhalt der unternehmerischen Leistungsfähigkeit trotz drohender Kompetenzverluste und Fachkräftemangel im Zuge des demografischen Wandels, sowie die in der Konsequenz umzusetzende Diversifizierung der Geschäftsmodelle hin zu einem lokalen, nachhaltigen und multifunktionalen Energiedienstleister bleiben zentrale strategische Herausforderungen aller Entscheider in der Branche. Darüber hinaus müssen Stadtwerke und Energieversorger ihren Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge gerecht werden. Auch künftig erwarten die kommunalen Gesellschafter entsprechende Ergebnisbeiträge. 

Innovationsfähigkeit, Veränderungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit werden darüber entscheiden, wer sich wie und mit welchen Geschäftsmodellen im Energiemarkt der Zukunft behaupten wird – letztlich eine existenzielle Frage. 

Erheblicher Investitionsbedarf 

Die dynamische Entwicklung in der gesamten Wertschöpfungskette führt zwangsläufig zu einem erheblichen Anstieg der bisherigen Investitionstätigkeit. Die Vorgaben der Bundesregierung erfordern eine sektorübergreifende Kooperation zwischen den Bereichen Strom- und Wärmeversorgung sowie dem Verkehrssektor. Um die ambitionierten CO2-Reduzierungsziele zu erreichen, sind Investitionen in innovative Technologien notwendig. Nur so lassen sich fossile Brenn- und Treibstoffe durch regenerativ erzeugten Strom ersetzen. 

Die Digitalisierung beeinflusst grundlegend bestehende Prozesse und gibt Raum für neue Geschäftsmodelle sowie disruptive Innovationen, die zu tiefgreifenden Marktveränderungen führen. Traditionelle, monodirektionale Versorgungsnetze transformieren sich in intelligente Smart Grids. Investitionen, vor allem in Personal und Informationstechnologien, sind unerlässlich, um die Potenziale der Digitalisierung optimal zu nutzen. 

Die Dezentralisierung markiert einen Paradigmenwechsel von Großkraftwerken mit Gigawattleistungen zu zahlreichen kleinen Erzeugungsanlagen im Mega- oder Kilowattbereich. Gleichzeitig erfordert die Entwicklung und Integration von Speichertechnologien erhebliche Investitionen. Die nahtlose Integration dieser Vielzahl von Versorgungsanlagen in das Gesamtsystem sowie die bedarfsgerechte Steuerung stellen eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft dar und bedingen ebenfalls umfangreiche Investitionen. 

Es ist davon auszugehen, dass diese Herausforderungen den erforderlichen Investitionsbedarf eines konventionellen Energieversorgungsunternehmens nahezu verdoppeln werden. Gleichzeitig intensiviert sich der wirtschaftliche Druck auf die Unternehmen. Dies manifestiert sich beispielsweise in schrumpfenden Margen im Vertrieb, der Regulierung der Strom- und Gasnetze mit tendenziell abnehmenden Kapitalrenditen sowie zu erwartenden rückläufigen Ergebnissen im Erdgasgeschäft. 

Diese Effekte werden derzeit durch ein Marktumfeld verstärkt, das durch ein hohes Preisniveau an den Großhandelsmärkten für Strom und Gas, eine beinahe beispiellose Inflationsentwicklung und stark steigende Fremdkapitalzinsen gekennzeichnet ist. 

Auswirkungen auf die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage sowie Ableitung eines passenden Finanzierungsmix

Der zunehmende Investitionsbedarf in Verbindung mit den sich wandelnden Marktbedingungen beeinflusst maßgeblich die finanzielle, vermögens- und ertragsseitige Situation von Energieversorgungsunternehmen. Die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen werden häufig unterschätzt und zeigen sich meist erst durch eine umfassende langfristige Unternehmensplanung mit einem Planungshorizont von 10 bis 20 Jahren deutlich.

Eine langfristige Unternehmensplanung entsteht durch eine strukturierte Analyse des Unternehmens, seiner Umwelt und der Märkte. Diese Analyse bildet die Grundlage für eine detaillierte Darstellung der erwarteten künftigen Geschäftsentwicklung in finanzielle Zielgrößen wie Erlöse, Aufwendungen, Investitionen oder Kapitalentwicklung. Eine integrierte Unternehmensplanung kann so die Entwicklungen künftiger Ergebnis-, Vermögens- und Finanzkennzahlen in Szenarien prognostizieren. 

In verschiedenen Projekten haben unsere Analysen gezeigt, dass sich die Eigenkapitalquote in den nächsten 10 bis 20 Jahren mitunter halbieren wird – abhängig von den Szenarien zur Erreichung der Klimaneutralität und der unternehmenseigenen Ausschüttungsquote. Zusätzlich zur steigenden Schuldenlast tragen die zu erwartenden Rückgänge in den angestammten Geschäftsfeldern zu einer zusätzlichen Belastung des dynamischen Verschuldungsgrads bei. Die relevanten Kennzahlen entwickeln sich oft bereits mittelfristig in einen Bereich, der aus Sicht von Kreditinstituten als kritisch beurteilt werden oder zu Verstößen gegen bestehende Nebenabreden in Kreditverträgen führen kann. 

Eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung der Transformation der Energiewirtschaft und des eigenen Unternehmens ist darum auch ein optimaler Finanzierungsmix. Dabei gilt es, die Innenfinanzierungskraft zu stärken und alternative Möglichkeiten der Eigen- und Fremdfinanzierung sorgfältig zu analysieren. 

Ableitung einer ausgewogenen und zukunftsfähigen Finanzierungsstruktur 

Die künftige Finanzierungsstruktur sollte die Bedürfnisse eines Energieversorgers und seiner Stakeholder berücksichtigen und gleichzeitig sicherstellen, dass das Unternehmen in der Lage ist, seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen und seine Wachstumsziele zu erreichen. Daher sollten zur Ableitung eines optimalen Finanzierungsmix zunächst relevante Kriterien für die Bewertung der Handlungsoptionen definiert werden. Die quantitativen Kriterien können dabei durch eine sorgfältige Analyse der Finanzlage des Unternehmens mittels einer langfristigen Unternehmensplanung abgeleitet werden. So werden relevante Informationen über die künftigen Cashflows, das erforderliche handelsrechtliche und regulatorische Eigenkapital oder Ausschüttungspotenziale gewonnen. 

Neben den quantitativen Kriterien sind zusätzlich qualitative Kriterien wie Sicherheiten, künftige Finanzierungsflexibilität oder unternehmerische Handlungsfreiheiten zu bestimmen. Die unterschiedlichen Zielkriterien sind maßgeblich für eine ausgewogene und zukunftsfähige Finanzierungsstruktur. 

Unter Berücksichtigung der individuellen Kriterien kann anschließend eine passende Kombination der unterschiedlichen Instrumente zur Eigen- und Fremdfinanzierung erfolgen (Bild 1). 



Bild 1: Kombination der unterschiedlichen Instrumente zur Eigen- und Fremdfinanzierung

Formen der Finanzierung 

Um die künftige Bonität zu verbessern und auch die regulatorische Eigenkapitalquote langfristig halten zu können, sind neben den klassischen Einlagen zukünftig auch alternative Instrumente der Eigenfinanzierung von Bedeutung. Neben den beschriebenen Möglichkeiten im Bereich des Mezzanine-Kapitals, die oft über "Bürgerkapital" oder von Versicherungen zur Verfügung gestellt werden, ist auch die Finanzierung über Kooperationspartner möglich. Diese können sich am Gesamtunternehmen über eine Kapitalerhöhung beteiligen oder über die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft, die entsprechend mit Eigenkapital ausgestattet wird. Vor allem bei der Umsetzung von Projekten im Bereich der Erneuerbare Energien oder bei der Realisierung von Wärmeprojekten stellt dies eine praktikable Machbarkeitsform dar. 

Bei projektbezogenen größeren Investitionsvolumina kann im Einzelfall auch eine Projektfinanzierung empfehlenswert sein. In einem ersten Schritt erfolgt die Gründung einer Projektgesellschaft, die die Fremdfinanzierung durchführt. Der künftige Kapitaldienst wird durch die Cashflows des Projekts bedient, wobei ausschließlich das Projekt selbst als Sicherheit für den Kapitalgeber dient. Dies führt in der Regel zu einer gewissen Reduzierung des Finanzierungsrisikos und ermöglicht es einem Energieversorgungsunternehmen, die Bilanz teilweise zu entlasten. 

Auf der anderen Seite erhöhen sich jedoch aufgrund der Besonderheit der Finanzierung die Zinskosten. Auch die Anforderung an solche Projekte sind entsprechend höher. So ist die Qualität an die Erstellung einer Investitions- und Finanzierungsplanung sowie an die Beschreibung der Erträge entsprechend hoch. In Bezug auf die "wirtschaftliche Robustheit" ist dies eng verbunden mit der Kapitaldienstfähigkeit und ihrer Absicherung, falls erforderlich, beispielsweise über Kapitaldienstreservekonten. Die erwirtschaftete Liquidität ist daher in erster Linie zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem operativen Geschäft der Gesellschaft und für Zins- und Tilgungszahlungen an Darlehensgeber zu verwenden. Erst danach werden weitere Fremdkapitalgeber (gegebenenfalls mit Rangrücktritt) bedient. 

Auch die Angemessenheit des Sicherungskonzepts, das heißt, die Sicherungsübereignung und die Eintrittsrechte des Finanzierers in die Projektverträge sowie die Sicherung dieser Rechte, ist von wesentlicher Bedeutung. Sie erfordern das Vorhandensein aller erforderlichen Genehmigungen sowie den Abschluss der relevanten Verträge, einschließlich Einspeise- und Vergütungszusagen. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf dem Abschluss von Kauf- und Lieferverträgen, beispielsweise für Windenergieanlagen, sowie von Betriebsführungs- und Vollwartungsverträgen mit Verfügbarkeitsgarantien. 

Zusammenfassung 

Die Energiewende stellt Energieversorgungsunternehmen vor immense Herausforderungen und führt in zahlreichen Bereichen zu einer deutlichen Zunahme des Investitionsbedarfs. In vielen Fällen wird der steigende Finanzierungsbedarf nicht über eine klassische Fremdfinanzierung gedeckt werden können. Eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Transformation und die Erschließung neuer Ergebnisquellen ist in erster Linie eine passende und solide Eigenkapitalbasis. Dies kann auch einen Beitrag der Gesellschafter oder die Umsetzung von Kooperationen erfordern. Sofern die Grundlage geschaffen ist, kann anschließend auf Basis einer Analyse der individuellen Anforderungen eine passende Kombination der unterschiedlichen Instrumente zur Eigen- und Fremdfinanzierung erfolgen, wobei alle (Sonder-)Formen der Finanzierung zu prüfen sind.



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