Erwerb eines Unternehmens aus der Insolvenz

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von Elmar Hiltner und Christopher Schmidl

 

​Nach der sehr positiven wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren verschlechtern sich seit einigen Monaten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft zusehends. Ursachen sind neben der generellen Eintrübung der Konjunktur auch strukturelle Veränderungen in wichtigen Sektoren der heimischen Wirtschaft (z.B. Automobil, Handel), mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die finanzielle Situation der betroffenen Unternehmen. Finanzielle Belastungen und eine damit verbundene Schieflage von Unternehmen, die sich verstärkt auch entlang der Wertschöpfungskette auf indirektbetroffene Unternehmen erstrecken wird, werden auch Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Marktes für Unternehmenstransaktionen haben. Damit gerät auch ein Erwerb aus der Insolvenz wieder vermehrt in den Fokus von in- und ausländischen Investoren. Nachdem im Jahr 2018 mit 19.552 Insolvenzen der tiefste Stand seit Jahren verzeichnet wurde, wird in den kommenden Jahren wieder mit einem Anstieg derselben gerechnet.

Unternehmenserwerb aus der Insolvenz

Der Kauf eines insolventen Unternehmens erfolgt entweder durch den Erwerb des Rechtsträgers (der Gesellschaft) im Wege eines sog. Share Deals, d.h. durch den Erwerb von Unternehmensanteilen, oder durch den Erwerb der Vermögensgegenstände der Gesellschaft (Asset Deal). Man spricht hierbei oft auch von einer übertragenden Sanierung. Es werden also das Unternehmen oder nur Betriebsteile auf einen neuen Rechtsträger übertragen.

Aufgrund verschiedener Vorteile u.a. einer faktischen Entschuldung, einer geringeren Komplexität sowie der Realisierung von Sanierungspotentialen ist der Asset Deal in der Praxis der Regelfall. Zudem können die gewünschten Vermögenswerte selektiv erworben werden („Cherry Picking”). Sind für die Fortführung der Geschäftstätigkeit jedoch bestimmte an die juristische Person gebundene Rechte (Patente, Lizenzen, Markenrechte, aber auch an Personen gebundene, öffentlich-rechtliche Genehmigungen) unabdingbar, die aufgrund der Notwendigkeit der Mitsprache Dritter gegebenenfalls nicht übertragen werden können, kann es sich anbieten, den Kauf als Share Deal in Verbindung mit einem Insolvenzplanverfahren zu strukturieren.

Motiv für den Kauf eines insolventen Unternehmens ist zum einen die Möglichkeit, Vermögenswerte mit erheblichen Abschlägen zu erwerben, zum anderen das krisengebeutelte Unternehmen mit Hilfe des Insolvenzverwalters und des insolvenzrechtlichen Instrumentariums restrukturieren zu können. Den Kaufinteressenten bietet sich somit die Chance, ein Unternehmen bereits in der seinen Bedürfnissen entsprechenden Form zu übernehmen, d.h. nur mit den aus seiner Sicht notwendigen Ver­mö­gens­ge­gen­ständen, (Schlüssel-)Mitarbeitern und ohne die Belastung durch Verbindlichkeiten (z.B. Pen­sions­verbindlichkeiten).

Des Weiteren ist es nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter möglich, nachteilige oder nicht mehr notwendige Dauerschuldverhältnisse (z.B. Miet- und Leasingverträge) zu beenden. Diesen aus Käufersicht attraktiven Aspekten eines Kaufs aus der Insolvenz stehen aber auch einige mit einem erhöhten Risiko verbundene Besonderheiten solcher Transaktionen gegenüber, die vom potentiellen Käufer erkannt und bei dessen Kaufentscheidung berücksichtigt werden müssen: So werden z.B. die bei sonstigen Unternehmenstransaktionen allgemein üblichen Garantien und Gewährleistungen in der Regel nur schwer durchsetzbar sein.

Bei einem Erwerb aus der Insolvenz ist es für den potentiellen Erwerber darüber hinaus von großer Bedeutung, ein Verständnis für die der Krise zugrundeliegenden Ursachen zu gewinnen, Sanierungspotentiale zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu deren Realisierung zu entwickeln.

Besonderheiten beim Erwerb aus der Insolvenz

Einige Besonderheiten sollten bei einem Erwerb aus der Insolvenz beachtet werde, darunter sind u.a. folgende zu nennen:

  • Zeitfaktor: Zum einen muss die Liquidität zur temporären Fortführung des Unternehmens gesichert, zum anderen darauf geachtet werden, dass kein Vertrauensverlust mit Stakeholdern, wie Lieferanten und Kunden sowie Banken, entsteht. Insofern unterliegt der Kauf aus der Insolvenz im Regelfall einem erheblichen Zeitdruck.
  • Ansprechpartner: Bei einem Erwerb aus der Insolvenz können die üblicherweise als Ansprechpartner fungierenden Leitungsorgane eines Unternehmen eventuell nicht mehr zur Verfügung stehen. Zudem wird deren Handlungsspielraum durch den Insolvenzverwalter deutlich eingeschränkt. Insofern ist es sinnvoll, bei Kaufinteresse direkt und frühzeitig den Insolvenzverwalter einzubinden.
  • Taktische Risiken: Ggf. ist es für einen Erwerber sinnvoll auf einen Insolvenzantrag des Zielunternehmens zu spekulieren bzw. diesen selbst stellen zu lassen, um damit im Eröffnungsverfahren den Kaufvertrag auszuhandeln. Andererseits besteht in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass hierdurch ein Mitbieter begünstigt wird.
  • Due Diligence: Die Anforderungen an eine Due Diligence Untersuchung haben insbesondere das Ziel, die insolvenzrechtlichen Risiken, die sich aus der möglichen Anschlussinsolvenz des Verkäufers ergeben, zu erkennen und vorhandene Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Dabei sollte auch eine Einschätzung der operativen, steuerlichen und finanziellen Risiken erfolgen. Dies alles dient dazu, bestmögliche Verhandlungsergebnisse mit dem Verkäufer zu erzielen und eine fundiert begründete Unterstützung der Stakeholder zu erreichen, um darauf aufbauend Erwerbsstrategien sowie ein Restrukturierungskonzept entwickeln zu können.


Fazit

Die Spielregeln für den Erwerb eines Unternehmens aus der Insolvenz weichen erheblich von denjenigen bei sonstigen Unternehmenstransaktionen ab. Kaufinteressenten müssen insofern die Herausforderungen und Chancen für einen Erwerb aus der Insolvenz besonders abwägen. Die dargestellten Besonderheiten stellen dabei nur eine Auswahl dar, die es im Einzelfall zu prüfen und gegebenenfalls zu erweitern gilt.

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