BGH erkennt gemeinsamen Markt für Fernwärme und Contracting bei Großkunden an

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veröffentlicht am 14. Juni 2023

 

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat kürzlich die Beschwerde eines großen Wärmekunden abgewiesen und damit die Auffassung bestärkt, dass Fernwärme und Contracting miteinander in Wettbewerb stehen und somit einen gemeinsamen Markt im kartellrechtlichen Sinne bilden (BGH, Beschluss vom 15.05.2023 - KZR 28/20). Ein Anschluss an ein Wärmenetz begründe demnach – jedenfalls im Hinblick auf Großkunden – keine marktbeherrschende Stellung.

 

Möglichkeit zum Anbieterwechsel besteht

 

Der BGH hat damit die Auffassung geäußert, dass gerade bei Großkunden kein Abhängigkeitsverhältnis des Kunden in der Form besteht, dass ein Anbieterwechsel nach dem Anschluss an das Fernwärmenetz nicht mehr möglich ist. Hiervon ist demnach zwar im Hinblick auf Haushaltskunden aufgrund der erheblichen Investitionen für den Anschluss an ein Wärmenetz unter Umständen auszugehen, jedoch nicht, wenn der Kunde aufgrund seiner Abnahmemengen und Kapitalreserven jederzeit auf ein Contractingmodell eines anderen Anbieters ausweichen kann.

 

Gemeinsamer Markt

 

Konkret behandelte das Landgericht (LG) und das Oberlandesgericht (OLG) Rostock die Frage, ob der versorgte Klinikbetreiber als Gewerbekunde gegen die Wärmelieferverträge seines Versorgers vorgehen kann, weil diese über eine Laufzeit von zehn Jahren hinausgingen und eine Mindestabnahmeverpflichtung beinhalteten.

 

Das LG Rostock ging in der Konstellation von einer marktbeherrschenden Stellung des Versorgers aus, während das OLG Rostock bereits zum Ergebnis kam, dass es einen gemeinsamen Markt für Contracting und Fernwärme geben müsse.

 

Grundlage für diese Argumentation war aus Sicht des OLG Rostock, dass die Umstellungskosten von Fernwärme auf Contracting im hier vorliegenden Fall keine Nachfragestelle darstellten, weil beim Contracting grundsätzlich der Contractor die Investitionen in ein neues Heizsystem trage und diese Kosten über einen längerfristigen Vertrag refinanziere. Anders als im Massengeschäft mit Haushalts- oder Kleingewerbekunden handeln Großkunden mit dem Fernwärmeanbieter regelmäßig eine individuelle Lösung aus. Das gilt regelmäßig oder gerade auch bei Wärmecontracting. Das OLG Rostock stützte seine Argumentation auf das Bedarfsmarktkonzept. Danach sind Absatzmärkten alle Produkte und Dienstleistungen zuzurechnen, die aus Verbrauchersicht nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines Bedarfs austauschbar sind. Was den Wärmeversorgungsmarkt betrifft, ist nach Ansicht des OLG Rostock zu unterscheiden zwischen der Neuanschaffung oder Neuinstallation eines Heizsystems – hier gelte der Markt für Gas, Öl, Fernwärme und Wärmecontracting als einheitlich – und dem bestehenden Versorgungssystem. Im Hinblick auf den Fall des bestehenden Versorgungssystems verneint die Rechtsprechung eine Austauschbarkeit der Energieträger wegen der mit der Umstellung verbundenen Investitionen oder anderen zu schaffenden Voraussetzungen. Aus diesem Grund wird hier nicht von einem einheitlichen Wärmemarkt ausgegangen.

 

Im Hinblick auf die Austauschbarkeit von Fernwärme und Contracting kam das OLG Rostock aber zum Ergebnis, dass eine Austauschbarkeit besteht. Das Gericht sah im hier vorliegenden Fall keine „klassische Fernwärmeversorgung“, wie etwa bei Haushalts- oder Kleingewerbekunden, sondern hob insbesondere die Großkundeneigenschaft des Klinikbetreibers hervor. Großkunden, seien demnach in der Regel in der Lage, alternative Optionen für die Versorgung umzusetzen. Am Großkundenmarkt seien Wärmecontracting und Fernwärmeversorgung damit grundsätzlich als austauschbar zu betrachten. Damit sei durch die Einbeziehung des Contractings ein bundesweiter Markt für Contracting und Fernwärme anzunehmen.

 

Dieser Ansicht ist der Kartellsenat des BGH gefolgt, sodass er die Nichtzulassungsbeschwerde des Kunden zurückwies, weil die zugrundeliegenden Wärmelieferungsverträge nicht gegen das Kartellrecht verstießen.

 

Fazit

 

Auch im Rahmen dieser Entscheidung bringt der BGH erneut Klarheit in die kartellrechtliche Behandlung von Contractingverhältnissen. Die Annahme eines gemeinsamen Marktes für Fernwärme und Contracting im Hinblick auf Großkunden führt auch in der Vertragsgestaltung für derartige Versorgungsverhältnisse zu weiterreichenden Freiheiten und einer Anpassung der Rechtsprechung an die tatsächliche Marktsituation.

 

Haben Sie kartellrechtliche Fragen zur Einordnung von Wärmelieferungsverträgen oder Contractingverträgen? Sprechen Sie uns gerne an!

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Martina Weber

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