bmp greengas GmbH-Insolvenz: Lange Lunte der Ukraine-Krise oder fossilmonopolistische Realpolitik?

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veröffentlicht am 11. Juli 2023, aktualisiert am 13. Juli 2023

 

Das Schutzschirmverfahren eines des größten Biomethan-Händlers in Deutschland erschüttert die Bio-Wärme- und BHKW-Branche: Im Mai 2023 hat die bmp greengas GmbH einen Antrag auf Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens gestellt und verhandelt seitdem mit Unterstützung eines Sanierungsgeschäftsführers mit seinen Kunden Mengen- und Preisanpassungen für bestehende Biomethanlieferverträge. 


Für die Betreiber von Biomethan-Wärmenetzen und Biomethan-BHKW ist dies ein Problem:

Bei der Wärmeversorgung können die fehlenden Mengen – insbesondere bei bi- oder multivalenten Wärmeerzeugungsystemen – nicht durch Umstellung auf andere Brennstoffe und Erzeugungsarten kompensiert werden und die Biomethan-Bezugskostensteigerungen nicht durch außerordentliche Wärmepreiserhöhungen an die Wärmeverbraucher weitergegeben werden.

 

Beim EEG-Betrieb von BHKW auf der Basis von Biomethan steht darüber hinaus die als gesetzlich garantiert fest einkalkulierte EEG-Vergütung im Feuer: 

Selbst wenn eine Umstellung auf fossilen, nach dem KWKG geförderten oder ungeförderten Betrieb noch wirtschaftlich darstellbar sein sollte, drohen vielen Betreibern bei einem Ausfall der Biogas-Zertifikatübertragung aufgrund der dann fälligen Rückforderung der EEG-Vergütung für das laufende Jahr selber in eine wirtschaftliche Notlage zu geraten, die bis zur Folgeinsolvenz reichen kann.

 

Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren, Restrukturierungsverfahren – das Insolvenzrecht wird von zunehmenden verfahrensrechtlichen Varianten des Insolvenzverfahrens geprägt. Der ältesten Verfahrensfortentwicklung, der Insolvenzeigenverwaltung, wurde vorgeworfen, dass dort das für die wirtschaftliche Schieflage verantwortliche Management vom „Bock zum Gärtner” gemacht würde. Mit dem neueren Schutzschirmverfahren (und dem ähnlichen Restrukturierungsverfahren) würde dem „Bock” nur ein Sachwalter als „Gärtner” zur Seite gestellt. Ob allerdings Sachwalter die spezifischen Branchenkenntnisse mitbringen, um ein Unternehmen im Schieflage zu sanieren, ist häufig – insbesondere in der hochkomplexen Welt des Biomethan-Handels – zweifelhaft. Mit dem Schutzschirmverfahren könnte dem „Bock” deshalb manchmal auch nur ein „blinder Gärtner” zur Seite gestellt werden. In der Praxis haben Schutzschirmverfahren deshalb bislang keinen guten Ruf, da sie keine effektive und neutrale Kontrolle garantieren und die Risiken für die Gläubiger damit erhöhen.


 

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Dabei weist das bmp-Schutzschirmverfahren durchaus auch energiepolitische Facetten auf: In der Kundenkommunikation wird zur Ursache der bmp-Insolvenz auf die Auswirkungen der Ukraine-Gaspreiskrise verwiesen. Diese ist im fossilen Gasmarkt an sich weitgehend abgeklungen, sodass von einer „langen Lunte” der Ukraine-Krise für den Biomethanmarkt gesprochen werden könnte.

 

Die bmp greengas GmbH ist ein Tochterunternehmen der Erdgas Südwest GmbH, die zum EnBW-Konzern und damit mittelbar dem Land Baden-Württemberg und weiteren baden-württembergischen, kommunalen Anteilseignern gehört. Insofern ist es ein bemerkenswerter Vorgang, dass der konzernrechtliche Haftungsverbund nach Angaben des Sanierungsgeschäftsführers im Vorfeld des Schutzschirmverfahrens aufgelöst worden ist. Damit lässt die Landespolitik zu, dass die bmp zulasten kleiner kommunaler und bürgerschaftlicher Biowärmenetz- und BHKW-Betreiber saniert wird. Werden diese Betreiber in Folgeinsolvenzen getrieben oder müssen aus kommunalwirtschaftlichen Gründen den Betrieb ihrer Energieerzeugungsanlagen einstellen, bekommen die in der fossilen Erdgasversorgung marktbeherrschenden Tochterunternehmen des EnBW-Konzerns eine Chance, Biomethan durch fossiles Erdgas zu verdrängen – wenn es nicht sogar Wärme- und Contractingunternehmen des EnBW-Konzern gelingt, die notleidenden Anlagen zu übernehmen und selber zu betreiben. In diesem Fall wären die regenerative Energieversorgung und der Wettbewerb im Energiemarkt die großen Verlierer einer auf fossile Brennstoffe und Marktbeherrschung ausgerichteten Landesenergiepolitik.

 

Vor diesem Hintergrund ist es schwer zu entscheiden, wie Biomethan-Kunden der bmp greengas GmbH mit den befristeten Vertragsanpassungsangeboten umgehen sollten. Einerseits werden sie mit der „Möhre” einer bevorzugten Gläubigerstellung durch die im Schutzschirmverfahren neu begründeten Verträge für den Fall einer Insolvenz, vor allem aber durch das Angebot des „Spatz in der Hand” einer sicheren, wenn auch verringerten und verteuerten Biomethanbelieferung gelockt. Denn in der aktuellen Marktsituation sind teilweise überhaupt keine Biomethanmengen – und wenn nur zu erheblich gestiegenen Preisen – verfügbar, sodass die Vertragsanpassung gegenüber dem Verlust des gesamten Vertrags in einem regulären Insolvenzverfahren als das kleinere Übel erscheinen könnte.

 

Dabei darf im Schutzschirmverfahren verhandelt werden. Wie immer bei Verhandlungen haben rechtliche Argumente einen Geldwert, sodass Vertragspartner des Schutzschirmverfahrens energie- und insolvenzrechtlicher Begleitung bedürfen. Gleichwohl spielt die Gläubigerberatung im Insolvenzrecht noch eine untergeordnete Rolle, da die Beratungskosten häufig in keinem angemessenen wirtschaftlichen Verhältnis zu den Befriedigungsquoten im Insolvenzverfahren und den entsprechenden Risiken im Schutzschirmverfahren stehen. Deshalb ist es häufig zweckmäßig, wenn sich Gläubiger in sog. „Gläubiger-Pools” zusammenschließen und gemeinschaftliche Beauftragung eines anwaltlichen Vertreters ihre Beratungskosten auf breitere Schultern verteilen.

 

Rödl & Partner berät laufend zu energie- und sanierungsrechtlichen Themen. Sprechen Sie uns an, wenn Sie weitere Fragen haben.

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