Öko-Institut erhöht Haftungsrisiken für regenerative Energieprodukte

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​veröffentlicht am 09. August 2023

 

In seiner aktuellen Kurzanalyse empfiehlt das Freiburger Öko-Institut, die auf der EU-Richtlinie 2009/72/EG basierenden Stromkennzeichnungen zu ändern. Nur so könnten Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen, ob sie wirklich Strom beziehen, der zur Energiewende beiträgt. Auslöser dieser Empfehlung ist die Analyse der Werbeaussagen von Stromanbietern zur Klimabilanz ihrer Ökostromprodukte. Das Freiburger Öko-Institut kam zu dem Ergebnis, dass zahlreiche dieser Aussagen irreführend oder gar falsch seien.


Mit seiner Kurzanalyse legt das Freiburger Öko-Institut damit die Grundlage für gewährleistungsrechtliche Minderungsansprüche und lauterkeitsrechtliche Abmahnungen. Grünstrom- und Biogasvertriebe, aber auch Fernwärmeversorger mit werblichen Aussagen zur regenerativen Qualität der Fernwärme sollten deshalb ihre Vertriebsunterlagen und vertraglichen Regelungen zur Qualität ihrer Energielieferung einer Prüfung unterziehen und gegebenenfalls an die erst vor kurzem verschärften Anforderungen der Rechtsprechung, die nunmehr durch die Studie des Öko-Instituts um eine tatsächliche Grundlage ergänzt worden sind, anpassen.

 

Irrenführende geschäftliche Handlung


Nach der Kurzanalyse des Freiburger Öko-Instituts sind zahlreiche Werbeaussagen von Stromanbietern im Zusammenhang mit der Klimabilanz ihrer Ökoprodukte irreführend. Exemplarisch genannt wurden z.B. „Unser Ökostrom ist klimaneutral“ oder auch „Mit dem Wechsel zu unserem Ökostrom können Sie Ihren persönlichen CO₂-Fußabdruck deutlich reduzieren“.

Dass derartige Aussagen nunmehr selbst nach Ansicht des bisher eher auf Seiten regenerativer Anlagenbetreiber zu verortenden Freiburger Öko-Instituts auf Seiten der Verbraucher zu dem Missverständnis führen, mit dem Bezug des beworbenen Ökostroms könne ein tatsächlicher Beitrag zur Minderung der weltweiten CO₂-Emissionen geleistet werden, werden preisunzufriedene Großverbraucher und kritische Verbraucherverbände als Indiz für ein Abweichen der tatsächlichen Beschaffenheit von der vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des Gewährleistungsrechts und als irreführende Angabe im Sinne des Lauterkeitsrechts werten.


Kaum ein Thema beherrscht unsere heutige Gesellschaft so sehr wie der Klimawandel und die damit einhergehende Minimierung der weltweiten CO₂-Emissionen. Viele Verbraucher entscheiden sich daher bewusst für den Bezug des in der Regel teureren Ökostroms. Dies stets in der Annahme, dem drohenden Klimawandel aktiv entgegenwirken zu können. Auch zahlreiche Stromanbieter haben dieses erkannt und bewerben aktiv die Klimabilanz ihrer Ökoprodukte.


Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ist hierbei jedoch Vorsicht geboten. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schützt die Verbraucher vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Unlauter ist eine geschäftliche Handlung insbesondere, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.


Wird einem Verbraucher bewusst suggeriert, durch den Bezug des teureren Ökostroms die weltweiten CO₂-Emissionen zu mindern, obwohl eine entsprechende Kausalkette kaum nachweisbar oder zumindest umstritten sein kann, setzt sich der werbende Stromanbieter bewusst der Gefahr der Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus.


Das OLG Schleswig hatte hierzu in einer jüngeren Entscheidung [vgl. Leiding/Held, REE 2020, 205-207] gerade erst die Anforderungen für grünen Regionalstrom verschärft. Danach ist damit zu rechnen, dass andere unterinstanzliche Gerichte diese Rechtsprechung aufgreifen werden und auch auf andere Energieprodukte übertragen werden.

 

Kaufrechtliche Gewährleistungshaftung


Noch kritischer wurde die folgende Werbeaussage betrachtet: „Durch den Wechsel zu unserem Ökostrom können Sie aktiv zum Klimaschutz beitragen“. Nach der Kurzanalyse des Freiburger Öko-Instituts ist diese Aussage nicht nur wettbewerbsrechtlich irreführend, sondern sogar sachlich unbegründet und damit falsch.


Neben den bereits skizzierten wettbewerbsrechtlichen Risiken ergibt sich damit auch das Risiko der kaufrechtlichen Gewährleistungshaftung. Selbst wenn in einem Grünstrom-, Biogas- oder Fernwärme-vertrag überhaupt keine weitere Regelung zur regenerativen Qualität des Energieprodukts getroffen wurde, kann der Energielieferant nach den gesetzlichen Gewährleistungsregelungen bereits für seine öffentlichen Werbeaussagen haften. Wer Ökostrom als aktiven Beitrag zum Klimaschutz vermarktet, kann damit bereits einen Verstoß gegen die Beschaffenheitsvereinbarung begehen. Dann setzt er sich bereits damit neben der Gefahr der Geltendmachung von Preisminderungsansprüchen auch dem Risiko weitergehender Nacherfüllungs-, Rücktritts- und Schadensersatzansprüchen aus. Gerade in Zeiten des durch die Ukraine-Krise nach wie vor hohen Energiepreisniveaus wird dabei vor allem das Recht zur Kaufpreisminderung im Vordergrund stehen.

 

Macht der Kunde dieses gegenüber dem Stromanbieter geltend, muss unter Umständen ein bereits entrichteter Kaufpreis für erhebliche Zeiträume bis zur Verjährungsgrenze zurückgewährt werden. Immerhin verjähren gewährleistungsrechtliche Preisminderungsansprüche innerhalb von 2 Jahren, sodass bei Rückforderungsverfahren von Haushalts- und Kleingewerbekunden Durchsetzungsaufwand und -risiken in keinem Verhältnis zu den möglichen Ergebnissen eines derartigen Gerichtsverfahrens stehen dürften. Vor dem Hintergrund des zur Überwindung des David-Goliath-Dilemmas geschaffenen Instruments der Musterfeststellungklage müssen Versorger die gestiegenen Risiken des Grünstrom-, Biogas- und Ökowärmevertriebs dennoch ernst nehmen.

 

Fazit


Um den skizzierten wettbewerbs- und gewährleistungsrechtlichen Haftungsrisiken aktiv entgegenzuwirken, sollten Sie ihre Werbeaussagen zur Klimabilanz Ihrer Ökoprodukte genau überprüfen und die Beschaffenheits- und Haftungsbeschränkungsklauseln ihrer Energie-Vertriebs-AGB ergänzen. Dies nicht zuletzt, da durch die nunmehr veröffentlichte Kurzanalyse des Freiburger Öko-Instituts auch die zuständigen Verbraucherzentralen auf die Problematik aufmerksam gemacht wurden.

 

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