BGH ebnet Weg für Wettbewerb um Fernwärme Konzessionen?

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​veröffentlicht am 13. Dezember 2023, aktualisiert am 2. Januar 2024




Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 5. Dezember 2023 (Az. KZR 101/20) die Landschaft der Wärmeversorgung neu definiert. Diese Entscheidung könnte als Katalysator für eine neue Ära des Wettbewerbs in der Fernwärmeversorgung dienen.

Im Rechtsstreit um das Fernwärmenetz Stuttgart hat der BGH entschieden, dass die Landeshauptstadt Stuttgart nach dem Auslaufen des Konzessionsvertrages mit der EnBW Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) nicht „automatisch“ Eigentümer des Fernwärmenetzes wird und nicht die Übertragung des Netzes von EnBW fordern kann. Auch hat die Stadt aber auch keinen Rechtsanspruch auf Entfernung der Netzleitungen durch die EnBW. Allerdings kann die EnBW auch nicht nach Kartellrecht die Verlängerung der Nutzungsrechte für das Fernwärmenetz beanspruchen.

Vorgeschichte zum Konflikt um das Fernwärmenetz in Stuttgart

Der Streit zwischen der Stadt Stuttgart und EnBW betrifft die Kontrolle und das Eigentum des örtlichen Fernwärmenetzes. Ursprünglich im Jahr 1994 mit den Technischen Werke der Stadt Stuttgart AG (TWS) abgeschlossen, wurde der Konzessionsvertrag nach der Integration der TWS in den EnBW-Konzern im Jahr 2011 von der Stadt Stuttgart beendet, um eine Neuausschreibung zu starten. Im Jahr forderte 2016 die Stadt Stuttgart dann die Übereignung des Netzes von EnBW, was jedoch abgelehnt wurde. Die rechtliche Auseinandersetzung endete zunächst in einem Urteil des Landgerichts Stuttgart, das die Forderung zur Netzübertragung ablehnte und stattdessen verlangte, dass die Stadt Stuttgart der EnBW einen neuen Vertrag zur Nutzung der städtischen Wege an-bieten muss (LG Stuttgart - 11 O 225/16 Urteil vom 14. Februar 2019). Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte später die Entscheidung gegen eine Verpflichtung zur Netzübertragung, verpflichtete aber die EnBW, die Netzleitungen zu entfernen (OLG Stuttgart - 2 U 82/19 - Urteil vom 26. März 2020).

Wie sieht der BGH den Wärmemarkt?

Die Stadt Stuttgart verfügt nach Auffassung des BGH zwar über eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für die Vergabe von Wegenutzungsrechten im Fernwärmebereich. Dies zwingt die Stadt Stuttgart aber nicht, der EnBW ein Nutzungsrecht für das Fernwärmenetz einzuräumen. Ein solcher Anspruch auf die Einräumung von Nutzungsrechten gemäß § 19 GWB kann nämlich nur in Erwägung gezogen werden, wenn die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen allen Interessenten ermöglichen, parallele Netzinfrastrukturen zu errichten. Diese Voraussetzung ist im vor-liegenden Fall – so der BGH – nicht gegeben. Die Stadt Stuttgart ist auch nicht verpflichtet, eine dauerhafte Monopolstellung der EnBW zu akzeptieren, nur weil die EnBW das Fernwärmenetz mit eigenen Mitteln aufgebaut hat. Diese Investitionen wurden im Rahmen eines zeitlich begrenzten Konzessionsvertrages und auf Grundlage von Wegenutzungsrechten getätigt, die von der öffentlichen Hand abgeleitet sind. Daher ist das Eigentum der EnBW an den Netzleitungen nach Auffassung des BGH „belastet“. In Anlehnung an die gesetzlichen Vorgaben zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen hat die Stadt Stuttgart vielmehr das Recht, im eigenen Interesse und im Interesse der Allgemeinheit zeitlich begrenzte Wegenutzungsrechte zu vergeben und einen Wettbewerb um das Netz zu organisieren. Damit sollen wettbewerbliche Nachteile eines Leitungsmonopols zumindest teilweise ausgeglichen werden.

Fernwärmeversorgung auf dem Weg zur Liberalisierung

Die Entscheidung des BGH dürfte zu einem Wandel hin zu einem liberalisierten Wärmemarkt führen. Viele Kommunen werden zukünftig keine unbefristeten Fernwärmekonzessionsverträge mehr abschließen (wollen), um ihre Ziele – insbesondere bei der kommunalen Wärmeplanung und deren Umsetzung – mit dem Partner umsetzen, der sich in einem Auswahlverfahren als der für die Ziele der Gemeinde geeignetste durchsetzt.

Die vom BGH eingeleitete Liberalisierung des Fernwärmemarktes verringert die Hürden für den Markteintritt und eröffnet für Fernwärmeversorger, aber auch Gemeinden wirtschaftliche Chancen. Gleichzeitig zwingt sie die Fernwärmeversorger in den Wettbewerb, für den sich die Unternehmen alsbald rüsten sollten.

Hinweis: Die Urteilsbegründung ist noch nicht verfügbar. Wir werden Sie unverzüglich informieren, sobald diese veröffentlicht wird.

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