Die Vollmacht des Architekten hört da auf, wo das Portemonnaie des Bauherrn beginnt – Hilfreicher Leitfaden in Bezug auf Zusatzaufträge?

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veröffentlicht am 1. August 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Ein Architekt ist ein wichtiger Partner bei der Planung und Durchführung von Bauprojekten. Er ist verantwortlich für die Gestaltung und Umsetzung des Bauvorhabens vor Ort und arbeitet im Optimalfall eng mit dem Bauherrn zusammen, um sicherzustellen, dass das Projekt dessen Anforderungen und Erwartungen entspricht. In einigen Fällen kann es während eines laufenden Bauvorhabens notwendig sein, dass Zusatzaufträge erteilt werden. Doch wie funktioniert das und welche Vollmachten hat der Architekt in diesem Zusammenhang? Und welche Fallstricke lauern hier für den Bauherrn und den Bauunternehmer, wenn der Architekt ohne vorherige Abstimmung Zusatzaufträge erteilt?

 

 

 

 

 

Im Rahmen der Umsetzung von Bauprojekten stehen dem Architekten zum Zwecke der allgemeinen Bauüberwachung und Baustellenkoordinierung gewisse Befugnisse kraft seiner Stellung als Architekt zu. Diese umfassen jedoch regelmäßig nicht die Erteilung von Zusatzaufträgen ohne Abstimmung mit dem Bauherrn. Dem Grundsatz nach kann ein Architekt nur dann Zusatzaufträge im Namen des Bauherrn erteilen, wenn er dazu durch ihn ausdrücklich bevollmächtigt wurde.

 

Eine Vollmacht zum Abschluss zusätzlicher Aufträge kann unterschiedlich ausgestaltet sein. In einigen Fällen kann der Architekt beispielsweise nur bestimmte Zusatzaufträge erteilen, während in anderen Fällen eine umfassende Vollmacht erteilt wird, die es dem Architekten ermöglicht, alle notwendigen Entscheidungen im Namen des Bauherrn zu treffen. Doch auch wenn dem Architekten keine ausdrückliche Vollmacht erteilt wird, kann er unter gewissen Umständen stellvertretend für den Bauherrn handeln.

 

Vertragliche Regelungen

Eine Vollmacht zur Erteilung von Zusatzaufträgen kann durch den Bauherrn schriftlich oder mündlich erteilt werden. Wird die Vollmacht schriftlich erteilt, können dadurch Missverständnisse vermieden und die Rechte und Pflichten beider Parteien klar definiert werden. Auch im Sinne einer Beweisbarkeit bietet sich eine schriftliche Festlegung an. Im Optimalfall sind die Befugnisse sowie die Vollmacht des Architekten für das konkrete Bauvorhaben im zugrundeliegenden Architektenvertrag zwischen dem Bauherrn und dem Architekten geregelt. Im Bauvertrag zwischen Bauherrn und Bauunternehmer sollten diese Befugnisse des Architekten klarstellend aufgenommen werden. Auch ein expliziter Ausschluss einer derartigen Vollmacht für den Architekten kann in den jeweiligen Verträgen geregelt werden. Soweit im zugrundeliegenden Architektenvertrag eine Vollmacht explizit ausgeschlossen wird, sollte dies daher auch im Bauvertrag klargestellt werden. Entsprechende schriftliche vertragliche Regelungen sind daher vorzugswürdig und empfehlenswert.

 

Fehlende vertragliche Regelungen

In der Praxis tauchen Probleme häufig dann auf, wenn der Bauherr dem Architekten eben keine ausdrückliche Vollmacht für den Abschluss von Zusatzaufträgen erteilt hat und vertragliche Regelungen fehlen.

 

Vollmacht kraft Rechtsschein

Der nicht gesondert bevollmächtigte Architekt besitzt allein kraft seiner Funktion als Architekt zwar noch keine vertragliche Vollmacht oder Befugnis, im Namen des Bauherrn Zusatzaufträge abzuschließen. Tritt der Architekt gegenüber dem Bauunternehmer aber so auf, als wäre er zum Abschluss von Zusatzaufträgen befugt, stehen sogenannte Vollmachten kraft Rechtsschein im Raum. In diesen Konstellationen kann der Architekt unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne (ausdrückliche) Bevollmächtigung durch den Bauherrn diesen nach außen hin rechtswirksam vertreten. Was passiert daher, wenn der Architekt in dieser Rolle Entscheidungen trifft, die nicht mit der tatsächlich erteilten Vollmacht durch den Bauherrn übereinstimmen?

 

In solchen Fällen kann zunächst eine sogenannte Anscheinsvollmacht entstehen. Die Anscheinsvollmacht als Unterform der Rechtsscheinsvollmacht ist eine Ausnahme von der Grundsatzregel, dass eine Vollmacht nur dann besteht, wenn sie ausdrücklich erteilt wurde. Nach der Verkehrssitte ist der Architekt üblicherweise nur für kleinere Zusätze/technische Änderungen, die üblicherweise mündlich zwischen Architekt und Bauunternehmer ohne Mitwirkung des Bauherrn vor Ort auf der Baustelle abgesprochen werden, bevollmächtigt. Eine Anscheinsvollmacht wird unter Umständen bereits dann angenommen, wenn ein Dritter (hier der Bauunternehmer) aufgrund des Verhaltens des Architekten davon ausgehen darf, dass eine Vollmacht für die Erteilung von Zusatzaufträgen besteht. Dies gilt unabhängig davon, ob diese tatsächlich durch den Bauherrn erteilt wurde.

 

Die Anscheinsvollmacht eines Architekten zum Abschluss von Zusatzaufträgen mit finanziellen Verpflichtungen wird nach der Rechtsprechung unter anderem dann angenommen, wenn der Architekt selbst im Namen des Bauherrn den Hauptauftrag verhandelt hat und abschließt sowie das Bauvorhaben leitet. Von dieser Vollmacht ist für den Bauunternehmer demnach in der Regel zu erwarten, dass sie sich auch auf die Erteilung ergänzender, aber immer noch notwendiger, Aufträge erstreckt.

 

Insoweit wird dem Bauherrn möglicherweise bereits die Beauftragung des Architekten durch den Bauherrn, ohne Klarstellung dessen fehlender Vollmacht für Zusatzaufträge, zugerechnet. Jedenfalls aber, wenn der Bauherr, beispielsweise aufgrund des Verhaltens des Architekten in Baubesprechungen, hätte erkennen können, dass der Architekt als sein Vertreter auftritt, wird ihm dessen Handeln zuzurechnen sein. Der Dritte darf sich dann auf den gesetzten Rechtsschein einer vorliegenden Vollmacht verlassen und aufgrund dieser Rechtsscheinsvollmacht Rechtsgeschäfte mit dem Vertreter abschließen.

 

Ein Beispiel: Ein Architekt wird vom Bauherrn beauftragt, ein Bauprojekt zu planen und umzusetzen. Der Bauherr gibt dem Architekten jedoch keine ausdrückliche Vollmacht, Zusatzaufträge abzuschließen. Der Architekt schließt dennoch einen Vertrag mit einem Bauunternehmen ab, um zusätzliche Bauarbeiten durchzuführen. Das Bauunternehmen geht davon aus, dass der Architekt über eine Vollmacht des Bauherrn verfügt, da er als Architekt für das Projekt verantwortlich ist und ihm gegenüber so auftritt, als wäre er zum Abschluss von Zusatzaufträgen berechtigt. In diesem Fall kann ebendiese Anscheinsvollmacht entstehen, die den Architekten berechtigt, den Vertrag im Namen des Bauherrn abzuschließen.

 

Auch eine Duldungsvollmacht ist eine besondere Form der Stellvertretung, bei der der Vertreter (hier: der Architekt) ohne ausdrückliche Vollmacht des Vertretenen (hier: des Bauherrn) handelt. Der Vertretene duldet das Handeln des Vertreters stillschweigend, indem er ihm wiederholt und wissentlich die Möglichkeit gibt, in seinem Namen zu handeln. Der Bauherr muss auch in diesem Fall der Vertretung durch den Architekten nicht ausdrücklich zustimmen, sondern es genügt, dass er das Handeln des Architekten duldet.

 

Einschränkungen der Rechtsscheinsvollmachten

Im Bereich des Bauvertragsrechts wird jedoch oftmals davon ausgegangen, dass die jeweiligen Fachunternehmen als Bauunternehmer Kenntnis davon haben (müssen), dass der Architekt grundsätzlich keine Vertretungsmacht ohne explizite Vollmacht durch den Bauherrn zum Abschluss von Zusatzaufträgen hat. Dies soll jedenfalls für große Bauunternehmen gelten. Bei kleinen Unternehmen, die aber regelmäßig in diesem Bereich tätig sind, wird auch von einer diesbezüglichen Kenntnis auszugehen sein. Dadurch kann sich der Bauunternehmer unter Umständen nicht darauf berufen, zu Recht von einer zulässigen Stellvertretung des Bauherrn durch den Architekten ausgegangen zu sein. Der Bauunternehmer darf sich dann nicht auf den vom Architekten gesetzten Rechtsschein verlassen und ist insoweit nicht mehr als gutgläubig anzusehen. Lässt er sich die (vermutete) Vollmacht daher nicht vom Bauherrn bestätigen, besteht die Gefahr, dass der durch den Architekten erteilte Zusatzauftrag nicht wirksam abgeschlossen wurde. Damit der geschlossene Zusatzauftrag in dieser Konstellation der fehlenden Gutgläubigkeit des Bauunternehmers Wirkung für und gegen den Bauherrn zeigt, muss dieser den Vertragsschluss genehmigen. Zu beachten ist für den Bauherrn, dass diese Genehmigung auch konkludent, das heißt durch entsprechendes schlüssiges Verhalten, vorgenommen werden kann.

 

Verweigert der Bauherr diese Genehmigung, ist der Architekt dem Bauunternehmer zwar grundsätzlich nach dessen Wahl entweder zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet. Dies gilt jedoch nicht für den Fall, dass der Bauunternehmer erkennen hätte können, dass der Architekt keine vertragliche Vertretungsmacht hatte. Überwiegend nimmt die Rechtsprechung an, dass oben genannte „Rechtsscheinsvollmachten” grundsätzlich nicht zu Zusatzaufträgen führen dürfen, die Kostensteigerungen auslösen.

 

Fazit

So klar, wie das einleitende Motto vermittelt, ist die Rechtslage in der Praxis somit leider nicht. Eine allgemeingültige Abgrenzung, wann der Architekt auch ohne explizite Vollmacht wirksam Zusatzaufträge erteilen kann, lässt sich daraus nicht ableiten. Vielmehr ist der jeweilige Einzelfall zu betrachten. Es ist daher wichtig, dass der Bauherr dem Architekten klare (schriftlich festgehaltene) Vorgaben gibt und ihn nur in dem Umfang handeln lässt, der für die Planung und Durchführung des Bauprojekts notwendig ist. Darüber sollte auch der Bauunternehmer (wiederum schriftlich) in Kenntnis gesetzt werden. Der Bauherr sollte sich auch regelmäßig über den Fortschritt des Projekts informieren und sicherstellen, dass der Architekt im Rahmen seiner Befugnisse handelt und nicht darüber hinausgeht. Er läuft sonst Gefahr, dass der durch den Architekten erteilte Zusatzauftrag gegen seinen Willen als wirksam erachtet wird und er eine entsprechende Vergütung schuldet.

 

Der Bauunternehmer sollte sich bei der Erteilung von Zusatzaufträgen durch den Architekten stets beim Bauherrn rückversichern, dass diese tatsächlich vom Bauherrn gewollt und beauftragt sind. Zu Beweiszwecken sollte er sich dies stets schriftlich bestätigen lassen. Er läuft sonst Gefahr, dass er ohne tatsächliche Beauftragung Leistungen erbringt, mit entsprechenden Risiken für die Vergütung. Idealerweise werden bereits im Vertrag zwischen Architekten und Bauherrn klare Vorgaben zu dessen Vertretungsmacht getroffen. Diese Regelungen zur Vertretungsmacht des Architekten werden bestenfalls in den jeweiligen Verträgen mit den durchführenden Bauunternehmern entsprechend festgehalten, um auch für Rechtssicherheit für die ausführenden Bauunternehmen zu sorgen und Missverständnissen vorzubeugen.​

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