Warum es (k)einer Pflicht zur Nachhal­tig­keits­bericht­erstat­tung bei öffentlichen Unternehmen bedarf

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 veröffentlicht am 19. Mai 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten 


Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist zu einem, wenn nicht dem, zentralen Thema geworden, das sowohl öffentliche Unternehmen als auch Unternehmen aus der Privatwirtschaft betrifft. Durch neue Gesetze und Regulierungen, wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die damit einhergehenden Standard­entwürfe, werden die Anforderungen an die Transparenz von Nachhal­tigkeits­informa­tionen immer höher. 
 
Dieser regulatorische Druck führt dazu, dass Unternehmen zunehmend ihre Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Wirtschaft offenlegen müssen. Öffentliche Unternehmen und Unternehmen in der Kommunal­wirtschaft müssen sich daher aktiv mit ihrer Rolle und Verantwortung in Bezug auf Nachhaltigkeit auseinandersetzen. 
 

Pflicht oder Kür für öffentliche Unternehmen?

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sieht u.a. vor, den Kreis der Verpflichteten für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf alle großen haftungs­beschränkten Rechtsträger auszuweiten. Da die landesrechtlichen Vorschriften, Satzungen oder Gesellschafts­verträge regelmäßig verlangen, dass öffentliche Unternehmen unabhängig von ihrer tatsächlichen Größe wie große Kapital­gesellschaften zu bilanzieren haben, greift die CSRD (mittelbar) grundsätzlich sofort mit der Umsetzung der Richtlinie.
 
Die Anwendung der Vorschriften erfolgt in drei Stufen: 
  • am 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen unterliegen; 
  • am 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen unterliegen; 
  • am 1. Januar 2026 für börsennotierte KMU sowie für kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungs­unternehmen.  
     
In dem Moment, in dem ein öffentliches Unternehmen direkt verpflichtet ist nach der CSRD eine Nachhaltig­keits­bericht­erstattung aufzubauen, greift automatisch die EU-Taxonomie. Im Falle einer nicht direkten Verpflichtung, greift die EU-Taxonomie nicht automatisch.
 
Fraglich ist an der Stelle, ob Anstalten des öffentlichen Rechts (AÖR), Eigenbetriebe und sonstige öffentliche Betriebe und/oder Landesbetrieb bereits in eine Verpflichtung nach CSRD fallen. 
 
Nach den geltenden landesrechtlichen Vorschriften haben die meisten öffentlichen Eigengesellschaften in aller Regel im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung zu regeln, dass Jahresabschluss und Lagebericht nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften aufzustellen sind. Für andere öffentliche Unternehmen ergibt sich diese Berichterstattung teilweise aus den landesrechtlichen Vorschriften. 
 
Bspw. gelten für eine AÖR aus Nordrhein-Westfalen grundsätzlich die Verweise aus § 22 KUV („Für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres ist ein Jahresabschluss aufzustellen, der aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang besteht. Die allgemeinen Vorschriften, die Vorschriften über den Ansatz, die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, die Bewertung und über den Anhang, die nach dem dritten Buch des Handelsgesetzbuchs (1. und 2. Abschn.) für den Jahresabschluss der großen Kapitalgesellschaften gelten, finden sinngemäß Anwendung, soweit sich aus dieser Verordnung nichts anderes ergibt.“) sowie der Verweis aus § 26 KUV („Der Lagebericht muss die in § 289 Absatz 1 und 2 HGB genannten Sachverhalte behandeln. Im Lagebericht ist auch auf Sachverhalte einzugehen, die Gegenstand der Berichterstattung gemäß § 27 Absatz 2 im Rahmen der Prüfung nach § 53 des Haushaltsgrundsätzegesetzes sein können.“)
 
Folgt man der Meinung des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) ist ein Verweis auf § 289 HGB im Zusammen­hang mit dem Lage­bericht in den jeweiligen Landes­vorschriften bereits ausreichend, um eine Verpflichtung zu Berichterstattung zum 01.01.2025 anzunehmen. Diese Ansicht teilt grundsätzlich auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Sie schreibt in Ihrer Stellungnahme vom 09.01.2023 hierzu: „Bisher gilt die Regelung in den Ländern, dass KMU mit kommunaler Beteiligung oder kommunale Beteiligungen in ihren Gesellschafts­verträgen oder Satzungen die Verpflichtung aufzunehmen haben, Jahres­abschluss und Lage­bericht nach den Vorschriften des Dritten Buches des Handelsgesetzbuchs für große Kapital­­gesell­­schaften aufzustellen und zu prüfen. Aus dieser Verweisung ergibt sich zukünftig die Pflicht, einen Nachhaltig­keits­bericht zu erstellen. Damit würde sich der Anwendungs­bereich für die Berichtspflicht nach der CSRD ausweiten und eine Vielzahl von kleinen und mittleren kommunalen Unternehmen betreffen, die nach der Zielrichtung der Richtlinie nicht davon erfasst sein sollten.“
 
Gleichzeitig drängen aber die kommunalen Spitzenverbände darauf, die unterschiedlichen Gemeindeordnungen entsprechend zu ändern. „Daher fordern wir den Bund auf, sich gegenüber den Ländern dafür einzusetzen, dass entsprechende Änderungen in den Gemeindeordnungen in den Ländern rechtzeitig vorgenommen werden. So können KMU mit kommunaler Beteiligung oder für kommunale Beteiligungen von der Berichtspflicht nach der CSRD ausgenommen werden. Nach geltendem Recht unterliegen sie bereits der Berichtspflicht gegenüber dem Rat und dem Kreistag.“
 
Aus Sicht von Rödl & Partner wäre es zu knapp auf eine gesetzliche Klarstellung zu hoffen, die in Deutschland bis Mitte 2024 umgesetzt werden muss. Es ist davon auszugehen, dass kurzfristig alle kommunalen Unter­nehmen und auch Kommunen, allein aus Compliance-Gesichtspunkten und auch vor dem Hintergrund der Lieferketten und ihrer öffentlichen Vorbildfunktion eine Nachhaltigkeitsberichterstattung umsetzen sollten. Außerdem bietet diese eine ganze Menge weiterer Vorteile für ihre internen und externen Adressaten. Darüber hinaus gibt es bereits einige Bundesländer (z.B. Berlin), die ihre großen Landesbetriebe verpflichtet haben, einen Nach­haltig­keits­bericht aufzustellen.
 

Agieren statt reagieren

Trotz der steigenden Anforderungen sollte die Nach­haltig­keits­bericht­erstattung nicht als Belastung angesehen werden. Sie bietet vielmehr Chancen für Unternehmen, ihre Reputation zu verbessern, das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Stakeholder zu stärken und eine stärkere Verbindung zur Gemeinschaft herzustellen. Darüber hinaus kann eine transparente Bericht­erstattung dazu beitragen, das Verständnis und Bewusstsein für Nachhaltig­keitsfragen zu fördern.
 
Die Nachhaltig­keits­bericht­erstattung umfasst u.a.:
  • Umweltbelange, z.B. Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch, Luftverschmutzung, Nutzung von Erneuerbaren Energien, Schutz der biologischen Vielfalt
  • Arbeitnehmerbelange, z.B. Maßnahmen zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung, Arbeits­bedingungen, Achtung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Achtung der Rechte der Gewerkschaften, Gesundheitsschutz, Sicherheit am Arbeitsplatz
  • Sozialbelange, z.B. Achtung der Menschenrechte, Instrumente zur Bekämpfung der Korruption und Bestechung
     
Die Berichtspflichten werden durch die EU-Taxonomie-Verordnung noch ergänzt, und zwar um eine Bericht­erstattung über den ökologisch nachhaltigen Anteil der Umsatzerlöse, der Investitionsausgaben und der Betriebsausgaben.
 
Neben den gesetzlichen Anforderungen gibt es auch eine Reihe von Standards und Rahmenwerken, die Unternehmen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstützen können. Dazu gehören u.a. der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK), die Global Reporting Initiative (GRI) und natürlich die European Sustainability Reporting Standards (ESRS).
 
Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordert jedoch auch Ressourcen und Kompetenzen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie über die notwendige Expertise verfügen, sei es durch die Schulung von Mitarbeitern, die Einbindung von Nachhaltigkeitsexperten oder die Verbesserung der Datener­fassung und -analyse.
 
Doch während manche diese neue Pflicht als Belastung sehen könnten, gibt es bereits viele interne und externe Faktoren, die öffentliche Unternehmen und Kommunen dazu drängen, nachhaltiger zu handeln und darüber zu berichten. Daher könnte die neue Verpflichtung im Grunde als irrelevant angesehen werden, da sie eher eine formalisierte Bestätigung dessen ist, was bereits geschieht.
 

Push- und Pull-Faktoren 

Denn genauer betrachtet, existieren bereits heute jede Menge sogenannter externer “Push” and “Pull”-Faktoren, die öffentlichen Unternehmen und Kommunen wenig Spielraum lassen. 
 
Treibende oder “Push”-Faktoren sind jene Aspekte, die öffentliche Unternehmen und Kommunen dazu drängen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen oder Veränderungen vorzunehmen. Sie können von externen Bedingungen, wie gesetzlichen Anforderungen und Marktbedingungen, oder von internen Herausforderungen, wie organisatorischen Bedürfnissen und Zielen, herrühren. Konkret zu nennen sind hier beispielsweise politische Beschlüsse und Agenden wie die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, die Agenda 2030, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und das Bundesverfassungsgericht-Urteil vom 24.03.2021. Hinzu kommen die für uns alle inzwischen spürbaren Umweltveränderungen, wie Extremwetterereignisse und Dürreperioden sowie der demografische Wandel. Schließlich wird auch Sustainable Finance immer wichtiger, da Investitionskredite und Fördergelder zunehmend an Nachweise zur nachhaltigkeitskonformen Investitionstätigkeit gekoppelt sind. 
 
Anziehende oder “Pull”-Faktoren hingegen sind Elemente, die öffentliche Unternehmen und Kommunen dazu motivieren, in eine bestimmte Richtung zu gehen oder bestimmte Entscheidungen zu treffen. Sie repräsentieren die Vorteile oder positiven Ergebnisse, die ein öffentliches Unternehmen oder eine Kommune erzielen kann, wenn es bestimmte Maßnahmen ergreift oder Veränderungen durchführt.  Hier sind v.a. eine immer nachhal­tig­keitsbewuss­tere Öffentlichkeit, bestehend aus Bürgern, politischen Akteuren, Vereinen und NGOs zu nennen, die verstärkt nachhaltiges Handeln einfordern. Zudem spielt die Reputation eine große Rolle, da Städte und Regionen als lebenswerte Kommunen, attraktive Wirtschaftsstandorte und touristische Ziele gelten wollen. Schließlich fördert die Verfügbarkeit von wissenschaftlichen Angeboten und Begleitforschung, einschließlich Indikatoren, Daten und Best-Practice-Beispielen, die Nachhaltigkeitsbemühungen.
 

Fazit

Insgesamt ist es daher unerlässlich, dass öffentliche Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen trans­parent darstellen und über sie berichten. Dabei ist es jedoch wichtig zu betonen, dass die neuesten rechtlichen Verpflichtungen nur einen Teil der Motivation darstellen und es zahlreiche andere Faktoren gibt, die das Thema Nachhaltigkeit in den Vordergrund rücken.
 
Somit stellt die Nachhaltigkeitsberichterstattung sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance für Unternehmen dar. Durch eine transparente und effektive Berichterstattung können sie ihre Rolle und Verant­wortung in Bezug auf Nachhaltigkeit demonstrieren und so das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Stake­holder stärken. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass öffentliche Unternehmen diese Entwicklung nicht nur als regulatorische Anforderung, sondern auch als Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Nachhaltig­keits­leistung und ihres Beitrags zur Gesellschaft sehen.
 
Wir, als Rödl & Partner, beschäftigen uns bereits seit längerem intensiv mit diesem Thema und betreuen auch unsere öffentlichen Mandanten in der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten, Nachhaltigkeitshaushalten und in der Implementierung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie​. Sprechen Sie uns sehr gern hierzu an und wir finden eine auf Sie optimal skalierte Lösung, um den Herausforderungen der Zukunft gut entgegen­treten zu können. 

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Ina Eichhoff

Steuerberaterin, Sustainability Auditor IDW

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