BGH zum Stimmverbot in der GmbH

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veröffentlicht am 8. November 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Urteil vom 8.8.2023, AZ II ZR 13/22

 

In einer aktuellen Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof (BGH) einmal mehr Gelegenheit, sich mit der Reichweite des Stimmverbotes von Gesellschaftern in der Gesellschafterversammlung der GmbH zu beschäftigen und die gefestigte Rechtsprechung hierzu weiter zu konturieren. 


Sachverhalt

Der vorgenannten Entscheidung liegt vereinfacht der folgende Sachverhalt zugrunde:


An der beklagten A-GmbH sind drei Gesellschafter beteiligt, der Kläger (G1) mit 47,83 %, sowie die beiden Nebenintervenienten (G2 und G3) mit jeweils 26.84 %.


G2 und G3 sind darüber hinaus jeweils hälftig an der B-GmbH beteiligt.


G2 lässt in der Folgezeit für die B-GmbH beim DPMA verschiedene Marken eintragen, die von G1 als Konkurrenzmarken zu den bestehenden Marken der A-GmbH angesehen werden. Zwischen den Parteien ist u.a. streitig, ob es sich um konkurrierende Marken handelt und ob die Anmeldung vorsätzlich oder versehentlich für die B-GmbH erfolgte.


Auf der folgenden Gesellschafterversammlung der A-GmbH wurden auf Veranlassung von G1 drei Tagesordnungspunkte über die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der A-GmbH gegen die G2 (TOP 1), gegen G 3 (TOP2) und gegen die B-GmbH (TOP 3) zur Abstimmung gestellt. G1 stimmte jeweils für die Beschlüsse, G2 und G3 jeweils dagegen. Der Versammlungsleiter stellte jeweils fest, dass die Beschlussfassungen damit mit Stimmenmehrheit der Stimmen von G2 und G3 abgelehnt werden sind.


G1 wendet sich mit seiner Klage gegen die ablehnenden Beschlussfassungen zu TOP 1 bis TOP 3 in der Gesellschaftsversammlung und begehrt zugleich die Feststellung des positiven Zustandekommens der jeweiligen Beschlüsse mit seinen Stimmen. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben die Klage jeweils abgewiesen. Zur Begründung haben sie darauf verwiesen, dass G2 und G3 keinem Stimmverbot unterlegen hätten, weil die Geltendmachung der Schadenersatzansprüche inhaltlich nicht geboten gewesen sei.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers G1 führte zur Aufhebung der Urteile.


Der BGH macht unter Verweis auf seine gefestigte Rechtsprechung deutlich, dass im Rahmen der Beschlussfassung zu TOP 1 die G2 als Betroffene einem Stimmverbot unterlegen habe und der Beschluss daher mit den allein zu zählenden Stimmen von G1 (47,83 %) gegen die Stimmen von G3 (26.084 %) zustande gekommen ist. Für die Frage des Stimmverbots komme es anders als das Berufungsgericht meint nicht darauf an, ob die Geltendmachung der Schadenersatzansprüche rechtlich geboten sei oder nicht. Ebenso entscheidet der BGH zum TOP 2.


Auch zum TOP 3, der Schadenersatzansprüche nicht direkt gegen G2 bzw. G 3 als Gesellschafter betrifft, sondern Schadenersatzansprüche gegen die von G2 und G3 gehaltene B-GmbH, bejaht der BGH  ein Stimmverbot -und zwar sowohl von G2 als auch von G3. Zwar betrifft der Wortlaut von § 47 Abs. 4 GmbHG nur Beschlussfassungen über Ansprüche gegen einen Gesellschafter direkt. Der BGH hat aber bereits in früheren Entscheidungen das Stimmverbot auf den Alleingesellschafter der Drittgesellschaft erstreckt und erstreckt in diesem Fall das Stimmverbot auch auf die beiden jeweils hälftig an der B-GmbH beteiligten Gesellschafter G2 und G3. Aufgrund der hälftigen Beteiligung sei die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse von G2 und G3 mit dem der B-GmbH gleichsetzen könne.

 

Einordnung

Die Entscheidung ist in den folgenden Kontext einzuordnen:


Die GmbH ist eine eigene Rechtspersönlichkeit und gegenüber ihren Mitgliedern (Gesellschaftern) wirtschaftlich und rechtlich verselbständigt. Nach dem Grundsatz der Verbandssouveränität muss jeder Verband grundsätzlich selbstbestimmt und souverän seinen Verbandswillen bilden und umsetzen können.


Dass ein Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung nicht unbefangen, sondern voreingenommen und parteiisch abstimmt, dass er seine Sonderinteressen in der Gesellschaft verfolgt, ist der Normalfall, weil er gerade zur Wahrnehmung seiner individuellen Interessen dem Verband beigetreten ist oder ihn gegründet hat und wird vom Grundsatz her hingenommen.


Das Gesetz begegnet diesem Einfluss von Partikularinteressen aber zum Einen damit, dass eine der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht widersprechende Stimmabgabe eines Gesellschafters unwirksam ist.


Zudem wird in § 47 Abs. 4 GmbHG den Sonderinteressen des Gesellschafters in enumerativ aufgezählten Fällen jeglicher Einfluss auf die Verbandsentscheidung versagt. Nach § 47 Abs. 4 GmbHG hat ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, kein Stimmrecht. Dasselbe gilt von einer Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft wie im vorliegenden Fall.

 

Der BGH hat bereits in der Vergangenheit in einer Reihe von Entscheidungen herausgearbeitet, dass die einzelnen Anwendungsfälle der Vorschrift weit auszulegen sind und dass es insbesondere nicht darauf ankommt, ob die Schadenersatzansprüche, die Gegenstand der Beschlussfassung sind überhaupt bestehen oder nicht. Erforderlich ist lediglich, dass die möglichen Pflichtverletzungen umrissen werden, ob die Ansprüche berechtigt sind oder nicht, ist erst in dem folgenden Schadenersatzprozess zu prüfen, nicht bereits in dem Prozess über die Wirksamkeit der Beschlussfassungen. 


Fazit

Mit der Entscheidung festigt der BHG seine langjährige Rechtsprechung zu Reichweite und Umfang von Stimmverboten, die gerade in streitigen Gesellschafterauseinandersetzungen eine sehr wichtige Rolle spielen. 

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Maik Wiesner

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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