Der Side Letter als möglicher Teil der Erbfolgeregelung

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veröffentlicht am 20. November 2019 | Lesedauer ca. 2 Minuten


In der Wirtschaftspraxis sowie im nationalen und internationalen Geschäftsverkehr ist der Side Letter ein beliebtes Instrument, um Zusatzvereinbarungen zu einem Haupt­vertrag zu treffen. Die damit verfolgten Zwecke sind vielseitig. Bei der Verwendung eines Side Letters bei der Erbfolgeregelung ist jedoch Vorsicht geboten.


Die Verwendung eines Side Letter kann vielerlei Vorteile mit sich bringen. Motive der Beteiligten sind etwa die Geheimhaltung von Vertragsinhalten oder Kostenvorteile bei der notariellen Beurkundung des Hauptvertrags. Bei der Erbfolgeregelung kann es sein, dass der künftige Erblasser bestimmte letztwillige Verfügungen vor seinen Angehörigen rechtfertigen oder seine Motive schildern möchte. Denkbar ist auch, dass ein Elternteil der nächsten Generation Immobilien überträgt und dabei gewisse Regelungen einem Side Letter vorbehält, um Notarkosten zu sparen. In beiden Konstellationen sind jedoch einige Punkte zu beachten.


Der Side Letter als Anhang zum Testament

Nach § 2247 BGB muss das eigenhändige Testament unterschrieben sein. Grundsätzlich hat die Unter­zeich­nung am Ende der Urkunde zu erfolgen: Sie soll das Testament räumlich abschließen, um spätere Zusätze auszuschließen. Unterhalb oder nach der Unterschrift angefügte Ergänzungen, die nicht eigens unterschrieben sind, werden nicht von der Unterschrift abgedeckt und erfüllen daher nicht die Voraussetzungen eines handschriftlichen Testaments. Zu empfehlen ist daher, auf Anlagen zu einem Testament grundsätzlich zu verzichten. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass das Geheimhaltungsinteresse des künftigen Erblassers bei der Erbfolgeregelung per Side Letter i.d.R. ohnehin nicht zum Tragen kommt, da den engen Angehörigen die Inhalte des Side Letters bei der Testamentseröffnung bekannt werden dürften:


Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind nicht nur Testamente, sondern auch Briefe oder sonstige schriftliche Vereinbarungen des Erblassers beim Nachlassgericht abzuliefern, wenn deren Inhalt erbrechtlich relevante Äußerungen enthält. Wer dieser Ablieferungspflicht nicht entspricht, kann sich wegen Urkunden­unter­drückung strafbar und schadensersatzpflichtig machen. Dokumente mit erbrechtlich relevantem Inhalt sind den engen Angehörigen bei der Testamentseröffnung bekannt zugegeben.


Der Side Letter bei Immobilienübertragungen mit vorweggenommener Erbfolge

Im Gegensatz zum Grundstücksüberlassungsvertrag, der nach § 311b BGB notariell beurkundungspflichtig ist, ist der Side Letter grundsätzlich formfrei. Das könnte ein ausschlaggebender Grund für die Parteien sein, gewisse Regelungsinhalte nicht im Hauptvertrag, sondern in einem Side Letter niederzulegen, um die Notarge­bühren niedrig zu halten. Die Folgen des Side Letters könnten hier allerdings fatal sein:

Zum einen könnte der Side Letter selbst dem Formerfordernis des § 311b BGB unterliegen. Das ist auf jeden Fall anzunehmen, wenn er die Pflicht zur Übertragung eines Grundstücks beinhaltet (z.B. wenn dem Immobilien­schenker ein Rückübertragungsrecht eingeräumt wird). Außerdem werden von der gesetzlichen Formbedürftigkeit eines Grundstücksüberlassungsvertrags alle Vereinbarungen umfasst, aus denen sich nach dem Willen der Vertragsparteien das Rechtsgeschäft zusammensetzen soll. Side Letter und Überlassungs­vertrag könnten damit eine rechtliche Einheit bilden, sodass der Side Letter auch notariell beurkundungs­pflichtig wäre. Ein Verstoß gegen die Beurkundungspflicht führt zur Nichtigkeit des Side Letters.

Zum anderen kann die Nichtigkeit des Side Letters schlimmstenfalls zur Unwirksamkeit des an sich form­wirksam beurkundeten Hauptvertrags führen: Nach § 139 BGB ist das ganze Rechtsgeschäft (die Grundstücks­überlassung) nichtig, wenn ein Teil des Rechtsgeschäfts (Regelungen des Side Letters) nichtig ist und nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Zur Beurteilung der Frage, ob auch der Grundstücksüberlassungsvertrag nichtig ist, kommt es auf den genauen Regelungsinhalt des Side Letter sowie auf den Willen der Parteien an.


Entscheidend ist also der jeweilige Einzelfall. Wenn die beiden Vereinbarungen nach dem Willen der Vertragsparteien derart voneinander abhängen sollen, dass sie „miteinander stehen und fallen”, wird der formunwirksame Abschluss des Side Letters die Nichtigkeit des Hauptvertrags zur Folge haben.


Fazit

Das Anwendungsfeld des Side Letters dürfte sich bei der (vorweggenommenen) Erbfolgeregelung in Grenzen halten. Sollen im Einzelfall doch Nebenvereinbarungen zu einem Testament oder einen Grundstücks­über­lassungs­vertrag getroffen oder Erläuterungen vorgenommen werden, bedürfen sie einer genauen Prüfung. Der Schenker oder Testator riskiert im schlimmsten Fall die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts bzw. der letztwilligen Verfügung.

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