Internal Investigations – Whistleblowerschutz und Lieferkettengesetz schaffen neue Relevanz

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veröffentlicht am 27. Mai 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

  

Interne Ermittlungen nehmen für die Compliance Praxis vieler Unternehmen nicht erst seit Kurzem einen hohen Stellenwert ein. Verschiedene Gesetze, Gesetzesentwürfe und EU-Richtlinienvorschläge aus junger Vergangenheit verhelfen der Thematik nun zu einem zusätzlichen Aufschwung. Vor diesem Hintergrund soll dieser Beitrag einen kurzen Überblick über den Gegenstand und die Durchführung von Internal Investi­ga­tions bieten. Zudem werden die Probleme und Konfliktfelder beleuchtet, die mit den gesetzgeberischen Entwicklungen für Internal Investigations einhergehen können. 

 

  

  
      

Überblick:

Der in der Praxis für Interne Ermittlungen häufiger verwendete Begriff der Internal Investigations umfasst das Verfahren, wie Unternehmen Compliance-Untersuchungen durchführen, die durch Hinweise auf Rechts­ver­stöße initiiert werden. Mangels gesetzlicher Regelungen fallen eine genaue Eingrenzung des Themas, sowie die konkrete Festlegung des Umfangs von Internal Investigations schwer. Die Geschäftsleitung ist im Rahmen der Legalitätspflicht bei hinreichendem Verdacht zwar unstreitig dazu verpflichtet, Hinweisen auf Rechtsverstöße innerhalb des Unternehmens nachzugehen und Vorfälle aufzuklären. Hinsichtlich der Art und Weise, wie das Unternehmen seiner Aufklärungspflicht nachkommt ist ihm jedoch ein Ermessensspielraum eröffnet der in den Anwendungsbereich der Business Judgement Rule fällt. Die Ausgestaltung der oftmals sehr formalisierten internen Ermittlungsverfahren begegnet einerseits einer Reihe von Fragestellungen verschiedener Unter­neh­mensbereiche (Personal- und Rechtsabteilung, Datenschutz etc.). Andererseits gilt es ferner diverse externe Aspekte zu berücksichtigen. Die steigende Relevanz einer internationalen Ausrichtung von Internal Investi­ga­tions wird dabei etwa durch das bereits 2023 in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) deutlich. Danach müssen betroffene Unternehmen angemessene Abhilfemaßnahmen für den Fall ergreifen, dass eine Verletzung menschrechts- oder umweltbezogener Sorgfaltspflichten im eigenen Geschäftsbereich im In- oder Ausland festgestellt wird. Dies erfordert zwangsläufig eine Sachverhaltsaufklärung durch interne Ermittlungen im jeweilig betroffenen Land. Eine praxistaugliche Aufstellung des Compliance Management Systems sollte darüber hinaus auch gesetzesunabhängig angestrebt werden. Eine ausführliche Aufarbeitung von Rechtsverstößen kann beispielsweise als Milderungsgrund im Zusammenhang mit strafrechtlichen Verfahren oder zur Vermeidung bzw. Reduzierung von Bußgeldern in Betracht kommen.
 

Whistleblowing:

Häufigster Ausgangspunkt und damit von grundlegender Bedeutung für Internal Investigations sind regelmäßig Hinweise von Whistleblowern. Während das Verfahren zur Meldung von Hinweisen und der Schutz von Whistle­blowern lange Zeit kaum gesetzlich geregelt waren, dürfte sich dies in naher Zukunft ändern. Der im April veröffentlichte Referentenentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) stellt einen großen Schritt in Richtung einer nationalen Umsetzung der EU Whistleblower-Richtlinie dar. Der Entwurf sieht nicht nur die verpflichtende Einrichtung interner Meldestellen für Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten vor. Auch werden interne Untersuchungen konkret im Zusammenhang mit einzuleitenden Folgemaßnahmen genannt. Da der deutsche Gesetzgeber sich bereits seit letztem Jahr mit der Umsetzung der EU Whistleblower-Richtlinie in Verzug befindet, ist von einem zeitnahen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens auszugehen. Bezüglich einer Meldung menschrechts- und umweltbezogener Verstöße werden die Pflichten aus dem HinSchG ab dem näch­sten Jahr für einige Unternehmen zusätzlich von der Pflicht zur Einrichtung von Beschwerdeverfahren aus dem bereits erwähnten LkSG flankiert. Spätestens damit dürfte der Grundstein für eine verstärkt aufkeimende Whistleblowing-Kultur gelegt sein. Dies impliziert auch ein höheres Aufkommen an Internal Investigations.
 

Verfahrensschritte:

Nach Eingang eines Hinweises durch Whistleblower, interne Kontrollinstrumente oder externe Hinweisquellen erfolgt zunächst eine vorgelagerte Prüfung. Dabei wird untersucht, inwiefern der Hinweis überhaupt geeignet ist, Internal Investigations anzustoßen und in welchem Umfang diese erfolgen müssen. Hier stellt sich regel­mäßig die Frage, welche Schwelle erreicht sein muss, damit eine Aufklärungspflicht besteht und interne Ermitt­lungen angestellt werden müssen. Dies ist bisher nicht gesetzlich festgelegt und auch die Recht­sprech­ung kann noch keine Anhaltspunkte zur Bestimmung bieten. Einen Anknüpfungspunkt liefert jedoch die Straf­pro­zessordnung. Dort ist die Schwelle des Anfangsverdachts gemäß des § 152 Abs. 2 StPO erreicht, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Mit dem Referentenentwurf zum LkSG kommt nun eine weitere Orientierungshilfe dazu. Dort werden Informationen über Verstöße in § 3 definiert als begründete Verdachtsmomente oder Wissen über tatsächliche oder mögliche Verstöße sowie über Versuche der Verschlei­erung solcher Verstöße, die bereits begangen wurden oder sehr wahrscheinlich erfolgen werden. Vor diesem Hintergrund werden Internal Investigations jedenfalls immer dann erforderlich, wenn Hinweise über einen Sachverhalt eingehen, die compliance relevante Regel- bzw. Rechtsverstöße nahelegen. Ein besonderes Augen­merk ist dabei regelmäßig auf anonyme Hinweise zu richten. Mangels Zurückverfolgbarkeit ist hier nicht selten auch eine missbräuchliche Motivation des Hinweisgebers in Betracht zu ziehen. Der Entwurf des HinSchG verpflichtet die Unternehmen in dieser Hinsicht zwar ausdrücklich nicht dazu, auch anonyme Meldungen zu ermöglichen. Mit der Namensnennung einhergehende datenschutzrechtliche Unsicherheiten könnten jedoch dazu führen, dass diese in der Praxis weiterhin ermöglicht und genutzt werden. Damit würde die Problematik anonymer Hinweise auch unter dem neuen Whistleblowing Gesetz fortbestehen. 
 
Für den weiteren Verfahrensablauf nach der Vorprüfung ist eine festgelegte Vorgehensweise nicht nur zu empfehlen. Vielmehr statuieren das neue LkSG und der Entwurf des HinSchG nunmehr konkret einzuhaltende Verfahrensschritte. Diese betreffen insbesondere die Hinweisprüfung, die Kommunikation zum Hinweisgeber, sowie zu treffende Abhilfemaßnahmen. Bei der Aufarbeitung von Hinweisen erweisen sich vor allem die Interviewführung und die Auswertung von E-Mail Verkehr und sonstigen Dokumente als effektive Aufklä­rungs­tools. Dabei sind jedoch eine Reihe rechtlicher Vorschriften, etwa aus den Bereichen des Arbeits- oder Datenschutzrechts zu berücksichtigen. 
 
Bei der Festlegung der Zuständigkeiten für Internal Investigations sind die Unternehmen weitestgehend frei. Abhängig von der Größe des Unternehmens und der Bedeutung etwaiger Hinweise und Verstöße können sowohl der Compliance Officer, gesonderte interne Abteilungen oder externe Akteure mit den Ermittlungen betraut werden. Die so durchgeführten Internal Investigations stellen das Fundament für die richtige Auswahl und eine effektive Umsetzung geeigneter Abhilfemaßnahmen dar. Sie werden damit zu einem wichtigen Steuerungsinstrument der Geschäftsleitung zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten. 
 
Bei der methodischen Ausgestaltung und Durchführung von internen Ermittlungsverfahren berät Rödl & Partner Sie ganzheitlich mit internationaler Ausrichtung und interdisziplinärer Expertise. Ihr Kümmerer unterstützt Sie in allen Bereichen, die von Internal Investigations umfasst sind und kann ein auf Ihr Unternehmen und die gesetzlichen Entwicklungen abgestimmtes Umsetzungskonzept bieten. 
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