19. Sanktionspaket: Europa zieht die Schrauben an, neue Sanktionen gegen Russland und Belarus

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 30. Oktober 2025 | Lesedauer ca. 5 Minuten

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Die Europäische Union intensiviert den wirtschaftlichen und rechtlichen Druck auf Russland und Belarus. Neue Verbote im Energie- und Finanzsektor, erweiterte Exportbeschränkungen und erstmals Sanktionen gegen russische Juristen markieren eine neue Phase der EU-Sanktionspolitik.

 


Am 23. Oktober 2025 wurden im Amtsblatt der Europäischen Union drei zentrale Rechtsakte veröffentlicht: der Beschluss und die Verordnung über personenbezogene (blockierende) Sanktionen, der Beschluss und die Verordnung über sektorale Sanktionen sowie der Beschluss und die Verordnung über restriktive Maßnahmen gegen Belarus. Diese Dokumente bilden zusammen das 19. Sanktionspaket der Europäischen Union, das darauf abzielt, den wirtschaftlichen und rechtlichen Druck auf die Russische Föderation weiter zu verstärken, Maßnahmen gegen die Umgehung bestehender Beschränkungen zu ergreifen und gleichzeitig Personen und Organisationen in Belarus zu sanktionieren, die die russische Aggression gegen die Ukraine unterstützen.
 
Zur Vermeidung von Problemen bei der Auslegung wurden mehrere Begriffe im Zusammenhang mit dem Besitz und der Kontrolle juristischer Personen an die Definitionen der EU-Antiterrorismusverordnung (EG) Nr. 2580/2001 angeglichen. In diesem Zusammenhang wurde die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 geändert. Unter dem Begriff „Eigentum an einer juristischen Person, Organisation oder Einrichtung“ wird nun der Besitz von 50 % oder mehr der Vermögensrechte oder der Stimmrechte an einer solchen Person verstanden. Der Begriff „Kontrolle“ wird zwar nicht ausdrücklich definiert, soll jedoch weit ausgelegt werden. Die Kontrolle kann auf acht verschiedene Weisen ausgeübt werden, unter anderem durch das Recht, die Mehrheit der Mitglieder der Leitungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane zu ernennen oder abzuberufen; durch alleinige Kontrolle aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Anteilseignern; durch die Möglichkeit, über das gesamte oder einen Teil des Vermögens der juristischen Person zu verfügen; sowie durch eine konsolidierte Unternehmensführung, die in der Konzernberichterstattung ausgewiesen ist.
 
Die Verordnung (EU) Nr. 269 wurde außerdem um ein neues Aufnahmekriterium – das Kriterium „k“ – ergänzt. Dieses ermöglicht die Aufnahme von Personen und Einrichtungen in die EU-Sanktionsliste, die Handlungen oder Politiken unterstützen oder umsetzen, welche die Deportation, Zwangsumsiedlung oder Zwangsassimilation – einschließlich psychologischer und ideologischer Beeinflussung (Indoktrination) – sowie die militarisierte Erziehung minderjähriger ukrainischer Staatsbürger fördern. Auf dieser Grundlage nahm der Rat der EU 21 natürliche Personen in die Sanktionsliste auf.
 
Darüber hinaus wurden 42 juristische Personen gelistet: 30 mit Sitz in Russland, 2 in Kirgisistan, 4 in China, 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten, 2 im Vereinigten Königreich und 2 in den Vereinigten Staaten. Unter ihnen befindet sich erstmals eine russische Anwaltskanzlei, die sich auf die Entsperrung eingefrorener Vermögenswerte spezialisiert hat. Dies ist der erste Fall, in dem die EU Sanktionen gegen russische Juristen verhängt hat; Grundlage war das Kriterium der Sanktionsumgehung.
 
Die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 wurde um neue Begriffsbestimmungen ergänzt, die Krypto-Vermögenswerte, Zahlungsdienste sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit touristischen Tätigkeiten betreffen. In Anhang IV („schwarze Liste“ der Exportkontrolle) wurden 45 neue juristische Personen aufgenommen, die an der Lieferung von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck beteiligt sind.
 
In Anhang XXIII zu Artikel 3k wurden neue Warengruppen aufgenommen, deren Ausfuhr in die Russische Föderation verboten ist. Dazu gehören Sanitärprodukte und -ausstattungen, darunter Toiletten, Waschbecken, Spülkästen, Armaturen, Rohre und sonstige Bestandteile sanitärer Systeme, ferner Schnittblumen (insbesondere Rosen, Rhododendren und Azaleen), motorisierte Spielwaren, Dreiräder, Roller, Tretfahrzeuge, Puppen, Puppenwagen und Puzzles. Zusätzlich wurden Baumaterialien, mineralische und chemische Düngemittel, Erzeugnisse aus Gummi und Kunststoffen sowie bestimmte Metalle und Erze, die in der Maschinenbau- und Rüstungsindustrie Verwendung finden, in den Anhang aufgenommen. Nach Einschätzung des Rates der EU können diese Güter unmittelbar oder mittelbar zur Stärkung der russischen industriellen Basis beitragen oder zur Umgehung bestehender Beschränkungen eingesetzt werden.
 
Im Energiesektor führt das Paket neue Beschränkungen für russisches verflüssigtes Erdgas (LNG) ein. Ab dem 25. April 2026 gilt ein Verbot für den Abschluss neuer Lieferverträge über LNG; ab dem 1. Januar 2027 tritt ein vollständiges Verbot für den Kauf, die Lieferung und den Import russischen LNGs in Kraft, einschließlich langfristiger Verträge, die vor dem 17. Juni 2025 geschlossen wurden. In Anhang XLII wurden 117 Schiffe der sogenannten „Schattenflotte“ aufgenommen, denen der Zugang zu EU-Häfen und die Inanspruchnahme europäischer Dienstleistungen untersagt wird.
 
Mit dem neuen Artikel 5ah wird es EU-Wirtschaftsakteuren untersagt, Rechtsbeziehungen zu Unternehmen und Organisationen in russischen Sonderwirtschaftszonen (SWZ), Zonen beschleunigter Entwicklung und vergleichbaren Gebieten aufzunehmen. Die vollständige Liste findet sich in Anhang LII und umfasst unter anderem Skolkowo, Alabuga und Technopolis Moskau. Darüber hinaus wurde ein Verbot der Rückversicherung von Schiffen der Schattenflotte eingeführt.
 
Im Finanzsektor wurde EU-Wirtschaftsbeteiligten sowie deren ausländischen Tochtergesellschaften die Zusammenarbeit mit dem russischen Zahlungssystem Mir und dem Schnellzahlungssystem SBP untersagt. Diese Maßnahme soll verhindern, dass Russland parallele Zahlungssysteme zur Umgehung der Finanzsanktionen nutzt.
 
Für Mitarbeiter russischer diplomatischer und konsularischer Vertretungen sowie deren Familienangehörige wurde ein Meldeverfahren für Reisen innerhalb des Schengen-Raums außerhalb des Akkreditierungsstaates eingeführt. Geplante Reisen müssen den zuständigen Behörden des betroffenen Mitgliedstaates mindestens 24 Stunden vor der Grenzüberquerung gemeldet werden.
Ein weiterer Block der restriktiven Maßnahmen betrifft den Tourismussektor. Artikel 5n der Verordnung (EU) Nr. 833 wurde dahingehend ergänzt, dass nun auch Dienstleistungen verboten sind, die unmittelbar mit touristischen Tätigkeiten in der Russischen Föderation verbunden sind. Darunter fallen die Tätigkeiten von Reisebüros und Reiseveranstaltern, die Bereitstellung touristischer Informationen, Beratungs- und Planungsleistungen, die Organisation von Reisen, die Beförderung von Passagieren und Gepäck, die Buchung von Unterkünften, der Ticketverkauf sowie die Tätigkeit von Reiseleitern und die mit dem Tourismus verbundenen Werbedienstleistungen.
 
Im Rahmen der belarussischen Maßnahmen hat der Rat der EU die entsprechende Sanktionsliste erweitert und zwei natürliche sowie drei juristische Personen aufgenommen, die mit dem militärisch-industriellen Komplex der Republik Belarus verbunden sind und das Regime von Alexander Lukaschenko unterstützen.
 
Damit erweitert das 19. Sanktionspaket der Europäischen Union sowohl den persönlichen als auch den sektoralen Anwendungsbereich des Sanktionsrahmens erheblich. Es stärkt die Kontrolle über die Umgehung bestehender Maßnahmen, führt neue juristische Definitionen ein und schafft einen Präzedenzfall für Sanktionen gegen Vertreter der russischen Rechtsbranche. Zudem wird der Geltungsbereich der Handelsbeschränkungen deutlich ausgeweitet – erstmals umfasst der Exportstopp auch eine breite Palette von Konsum- und Bauprodukten.

Quellen:
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