Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in China

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veröffentlicht am 25. Oktober 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten


In außerhalb Chinas geführten Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, in denen eine chinesische Partei beteiligt ist oder Vermögenswerte im Hoheitsgebiet der Volks­republik China belegen sind, stellt sich unweigerlich die Frage nach der späteren Durchsetzung eines Urteils-/Schiedsspruchs in China. Die Klärung dieser Frage zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt ist von herausragender Bedeutung für den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer günstigen Entscheidung. Wir möchten im Folgenden den rechtlichen Hintergrund hierzu im Überblick darstellen und anschließend aufzeigen, wie sich praktische Hürden überwinden lassen.


 

 

Urteile und Entscheidungen ausländischer Gerichte

Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile in China werden hauptsächlich durch die Artikel 281 und 282 des chinesischen Zivilprozessgesetzes („ZPG“) sowie die Artikel 543 bis 549 der Auslegungen des Obersten Volksgerichts zur Anwendung des Zivilprozessgesetzes („ZPG-AL“) geregelt. Vor einer Vollstreckung muss das ausländische Urteil von einem Mittleren Volksgericht anerkannt werden. Anträge auf Anerkennung und Vollstreckung können alternativ von einem Antragsteller direkt per schriftlichem Antrag oder über diplomatische Kanäle von einem ausländischen Gericht in Übereinstimmung mit den Anforderungen eines entsprechenden Übereinkommens mit China oder auf Grundlage der Gegenseitigkeit gestellt werden. China hat bislang 39 solcher bilateraler Abkommen geschlossen, insbesondere mit den EU-Mitgliedstaaten Belgien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Litauen, Polen, Rumänien, Spanien und Zypern. Ein Vollstreckungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland existiert gegenwärtig nicht, weshalb es insofern nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit auf die Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Urteilen chinesischer Volksgerichte in Deutschland ankommt. 

Wenn ein bilateraler Vertrag besteht, richtet sich das Gericht bei der Entscheidung, ob eine Anerkennung erfolgt, nach den Bestimmungen des Vertrages. Fehlt ein solcher Vertrag (wie im Falle Deutschlands), kann eine Anerkennung nur erfolgen, wenn das Prinzip der Gegenseitigkeit zwischen dem ausländischen Staat und China gewährleistet ist. Wenn es weder einen bilateralen Vertrag noch eine Garantie der Gegenseitigkeit gibt, wird die Anerkennung verweigert. Außerdem wird das Gericht die Anerkennung auch dann verweigern, wenn das ausländische Urteil elementaren Rechtsgrundsätzen Chinas widerspricht oder die Souveränität, die Sicherheit und das soziale und öffentliche Interesse Chinas verletzt. Für den letztgenannten umfassenden Ausschlusstatbestand sind der Rechtsprechung chinesischer Gerichte vor allem Fälle der Verletzung von Verfahrensgrundsätzen zu entnehmen (wie etwa eine fehlerhafte Zustellung). Gegen eine ablehnende Entscheidung kann der Antragsteller Rechtsmittel einlegen.

Für den Fall, dass das Gericht das ausländische Urteil anerkennt, wird es auf Antrag einen Vollstreckungstitel ausstellen. Das Erfordernis eines gesonderten Antrags auch auf die Erteilung eines Vollstreckungstitels muss besonders hervorgehoben werden, da Artikel 545 Absatz 2 ZPG-AL ausdrücklich anordnet, dass mangels eines solchen Vollstreckungsantrags das angerufene Gericht nur den Antrag auf Anerkennung prüft und eine darauf beschränkte Entscheidung trifft. 

Grundsätzlich sind Urteile (einschließlich Versäumnisurteile unter weiteren Voraussetzungen) vollstreckbar, die sich auf die Zahlung von Geld beziehen oder den Beklagten verpflichten, eine Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Die Vollstreckung eines anerkannten ausländischen Urteils erfolgt analog zur Vollstreckung eines inländischen Urteils. 

Beachtet werden muss auch, dass für den Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung eine Ausschlussfrist von zwei Jahren gilt. Diese Ausschlussfrist beginnt entweder ab dem letzten Tag einer im Urteil bestimmten Frist zur Leistung oder, mangels einer solchen Leistungsfrist, ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des ausländischen Urteils. Wird nur ein Antrag auf Anerkennung (und nicht auch auf Vollstreckung) gestellt, läuft die zweijährige Frist ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Anerkennungsentscheidung.

In der Praxis und ohne einen bilateralen Vertrag ist die Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines ausländischen Urteils in China jedoch nicht garantiert. Fälle, in denen China die Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines Urteils außerhalb eines zwischenstaatlichen Vertrages bestätigt hat, stellen eher die Ausnahme als die Regel dar. Insgesamt sind uns bis dato drei Verfahren zur Anerkennung von Urteilen deutscher Gerichte in China bekannt, wovon in zwei Verfahren vor dem Zweiten Mittleren Volksgericht in Peking der Antrag abgelehnt wurde (mangels Gegenseitigkeit im ersten Fall sowie mangels Erschöpfung des Rechtswegs im zweiten). Das dritte Verfahren aus dem Jahre 2013 wurde zwecks Anerkennung eines aus Deutschland stammenden Insolvenzurteils vor das Mittlere Volksgericht in Wuhan gebracht, welches dem Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung stattgab. Daraus kann man ableiten, dass eine Anerkennung und Vollstreckung deutscher Urteile in China zwar grundsätzlich möglich ist, es jedoch gegenwärtig noch an genügend Falldaten für eine verlässliche Erfolgsprognose mangelt.

Schiedssprüche ausländischer Schiedsgerichte 

Im Vergleich zu Urteilen ausländischer Gerichte stellt sich die Situation hinsichtlich Schiedssprüchen ausländischer Schiedsgerichte anders dar. China ist ein Unterzeichnerstaat des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Übereinkommen), dem über 160 Staaten angehören. Nach diesem Übereinkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten im Grundsatz, Schiedssprüche anzuerkennen und zu vollstrecken, die auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates ergangen sind. 

Vom Übereinkommen zugelassene Ausnahmen hiervon sind vor allem die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, fehlendes rechtliches Gehör der Gegenseite oder ein Schiedsspruch, der den Gegenstand der Schiedsvereinbarung überschreitet. Gerade die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung wurde bisher in der Praxis oft dadurch begründet, dass es an einer eindeutigen Eingrenzung des Streitgegenstandes oder der zweifelsfreien Benennung eines Schiedsgerichts („Schiedskommission“ nach geltendem chinesischem Recht) mangelte. Mit Blick auf China ist ferner der Ausnahmetatbestand von Bedeutung, wonach Schiedssprüche nicht anerkennungs- und vollstreckungsfähig sind, deren Gegenstand nach nationalem Recht nicht im Wege eines Schiedsverfahrens entschieden werden kann oder dessen Anerkennung und Vollstreckung gegen die öffentliche Ordnung verstoßen würde. Nach dem chinesischen Schiedsverfahrensgesetz sind nur vertragliche Streitigkeiten oder Streitigkeiten über Eigentumsrechte zwischen gleichgestellten Bürgern, juristischen Personen oder sonstigen Organisationen einer Schiedsvereinbarung zugänglich. Ausdrücklich ausgeschlossen sind familien-, erb-, verwaltungs- sowie arbeitsrechtliche Streitigkeiten. Überdies findet das New Yorker Übereinkommen kraft eines von China eingebrachten Vorbehaltes in China nur auf handelsrechtliche Streitigkeiten Anwendung. 

Die Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs erfolgt in der gleichen Weise wie die Vollstreckung eines inländischen Schiedsspruchs. Letzterer wird nach den gleichen Regeln vollstreckt wie ein inländischen Gerichtsurteil.

Das seit über 25 Jahren nahezu unverändert bestehende chinesische Schiedsverfahrensgesetz blieb trotz diverser unwesentlicher Änderungen lange hinter dem international herrschenden Standard zurück. Eine echte nennenswerte Revision wurde erst im Jahr 2018 durch das chinesische Justizministerium angestoßen, die schließlich nach langer Überarbeitungszeit zu einem ersten am 31. Juli 2021 zur öffentlichen Stellungnahme gestellten Entwurf führte. Die wesentlichen Änderungen dieses Entwurfs sind:

  • Wegfall der eindeutigen Benennung einer Schiedskommission sowie der klaren Eingrenzung des Streitgegenstandes als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Schiedsvereinbarung;
  • Ausdrückliche Zulassung der Errichtung von Zweigstellen ausländischer Schiedsinstitutionen in China zur Verhandlung über Schiedsverfahren mit Auslandsbezug;
  • Ermöglichung von ad hoc Schiedsverfahren für Handelsstreitigkeiten mit Auslandsbezug;
  • Zuweisung der primären „Kompetenz-Kompetenz“ über die Zuständigkeit zum benannten Schiedsgericht bzw. der Schiedsinstitution mit anschließender Überprüfungsmöglichkeit durch chinesische Volksgerichte;
  • Einräumung eines Wahlrechts zur Beantragung einstweiliger Maßnahmen entweder beim Schiedsgericht oder beim zuständigen Volksgericht (die Vollstreckung können indes nur Volkgerichte anordnen).

Ob und inwiefern diese vorgeschlagenen Änderungen letztlich in die finale Version des neuen Schiedsverfahrensgesetzes übernommenen werden, muss abgewartet werden. Jedoch deutet sich dadurch schon jetzt an, dass China ernsthaft bemüht ist, ein attraktiveres Umfeld für kommerzielle Schiedsverfahren mit Auslandsbezug zu schaffen.
     

Vereinbarung des Gerichtsstandes

Schließlich bietet sich in grenzüberschreitenden Sachverhalten grundsätzlich auch die vertragliche Einigung auf einen bestimmten ausschließlichen Gerichtsstand zur Umgehung der oben genannten Anerkennungs- und Vollstreckungshürden an. Im Jahr 2017 unterzeichnete China das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen. Das Übereinkommen bezweckt, Sicherheit bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten zu schaffen, indem es den Parteien die Wahl eines ausschließlichen Rechtsstands zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Handelsvertrag ermöglicht. Die Gerichte der Mitgliedsstaaten müssen die Klauseln über die ausschließliche Zuständigkeit in Handelsverträgen dergestalt respektieren, dass sie die Verfahren zugunsten der Gerichte anderer Mitgliedsstaaten aussetzen. Ferner sind sie verpflichtet, Urteile der Gerichte anderer Mitgliedsstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken, vorbehaltlich bestimmter begrenzter Ausnahmen. 

China hat jedoch bis heute das Übereinkommen nach wie vor nicht ratifiziert, weshalb dessen Bestimmungen in China nach wie vor keine Wirkung entfalten. Es sieht momentan auch nicht danach aus, dass sich dieser Schwebezustand in naher Zukunft ändern wird. 

Zusammenfassung und Handlungsempfehlung

Mangels eines bilateralen Vertrag und einer relevanten Anzahl von Urteilen chinesischer Gerichte, in denen die Gegenseitigkeit der Anerkennung und Vollstreckung zwischen Deutschland und China festgestellt wurde, ist in der chinesischen Praxis nach wie vor davon auszugehen, dass Urteile deutscher Gerichte in China nicht vollstreckt werden können. 

Besseren Aussichten zur Anerkennung- und Vollstreckung bestehen dementgegen bei Aufnahme einer Schiedsklausel in Handelsverträge mit Auslandsbezug. Dabei sind insbesondere die nach geltendem chinesischen Recht bestehenden strengen Voraussetzungen an die Wirksamkeit solcher Schiedsvereinbarungen zu beachten. Dies beinhaltet insbesondere die Anforderung der Benennung einer konkreten Schiedsinstitution und Vermeidung eines sogenannten ad hoc Schiedsverfahrens. Spürbare Verbesserungen deuten sich durch den ersten Entwurf des neuen Schiedsverfahrensgesetzes an, dessen finale Fassung jedoch noch abgewartet werden muss.

Da China bis zum heutigen Tage das Haager Übereinkommen zu Gerichtsstandsvereinbarungen lediglich unterzeichnet und nicht auch ratifiziert hat, sind chinesische Gerichte nicht an entsprechende Vereinbarungen und darauf beruhende ausländische Urteile gebunden.

Vor diesem Hintergrund sollte vor Abschluss von Handelsverträgen mit direktem Bezug zu China genau überlegt werden, wie die Regelungen zum anwendbaren Recht und der Streitbeilegung strategisch klug und rechtswirksam formuliert werden müssen. Die wohl beste Lösung stellt nach wie vor die Aufnahme von Schiedsklauseln dar, wobei nach aktueller Gesetzeslage nicht nur die bestehenden Schranken beachtet werden müssen, sondern auch nur kleinste Ungenauigkeiten bei der Formulierung gewichtige Folgen habe können. Soweit dabei auf eine chinesische Schiedsinstitution zurückgegriffen wird, empfiehlt es sich zum Beispiel, deren Musterschiedsklauseln zu verwenden. 
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