Effektives De-Risking für Unternehmen: Abfindung von Pensionen

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 31. Juli 2025 | Lesedauer ca. 3 Minuten
 

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil der Alterssicherung in Deutschland. Laut dem Alterssicherungsbericht der Bundesregierung für das Jahr 2024 ist die Zahl der aktiven Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung seit der Rentenreform 2001 deutlich gestiegen und umfasst mittlerweile rund 20,875 Millionen aktive Anwartschaften. Diese positive Entwicklung zeigt, dass Unternehmen die Bedeutung der bAV erkennen und entsprechende Angebote für ihre Mitarbeiter schaffen. Trotz dieser Fortschritte stehen Unternehmen vor verschiedenen Herausforderungen. Dazu gehören die steigenden Kosten für die Finanzierung der Versorgungszusagen, das ungünstige Zinsumfeld und die Komplexität der rechtlichen, wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen. Daneben können erteilte Versorgungszusagen insbesondere im Bereich des Mittelstands bei einer geplanten Unternehmensveräußerung ein Verkaufshindernis darstellen. Auf Seiten der Veräußerer besteht daher vielfach der Wunsch sich von den Versorgungsverpflichtungen „zu befreien“.​

 

 

Abfindung von Versorgungszusagen

Neben der Auslagerung von Pensionsverpflichtungen, beispielsweise durch Übertragung auf eine sog. „Rentner-Gesellschaft“, stellt die Abfindung des Anspruchs eines Versorgungsberechtigten aus einer Versorgungsvereinbarung eine effektive De-Risking-Strategie für Unternehmen dar.

 

Gesetzlicher Rahmen: Das Abfindungsverbot und seine Ausnahmen

Für Versorgungszusagen an Arbeitnehmer gilt nach der Zielsetzung des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) als Arbeitnehmerschutzgesetz das Abfindungsverbot nach § 3 BetrAVG, wonach unverfallbare Anwartschaften im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und laufende Leistungen nur unter den Voraussetzungen der Absätze 2 bis 6 des § 3 BetrAVG abgefunden werden dürfen. Ausnahmsweise sind Abfindungen in folgenden Fällen möglich: 

  • Versorgungsanwartschaften vor Erreichen der Unverfallbarkeit;
  • Versorgungsanwartschaften im laufenden Arbeitsverhältnis, sofern nicht in sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses;
  • Kleinstanwartschaften und Kleinstrenten (Bagatellgrenzen für das Jahr 2025: 37,45 Euro pro Monat bei laufenden Leistungen und 4.494 Euro bei Kapitalzusagen), ggf. Beachtung Vorrang des Rechtsanspruchs auf Portabilität des Arbeitnehmers;
  • Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 210 SGB VI;
  • Versorgungsanwartschaften, die während eines Insolvenzverfahrens erdient worden sind, sofern die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt und das Unternehmen liquidiert wird.


Persönlicher Anwendungsbereich und Fallkonstellationen 

Das Abfindungsverbot gilt im Ausgangspunkt auch für arbeitnehmerähnliche Personen, wenn ihnen eine Versorgungszusage aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden ist. Organpersonen wie GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder sind arbeitnehmerähnliche Personen, sofern sie nicht aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung und einer entsprechenden Leitungsmacht eine Unternehmerstellung besitzen. Unter Berücksichtigung der bislang ergangenen Rechtsprechung ergibt sich folgende Anwendbarkeit des BetrAVG:

  • Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF): Keine Anwendbarkeit des BetrAVG à Abfindung möglich
  • Mehrheits-GGF (> 50 Prozent): Keine Anwendbarkeit des BetrAVG --> Abfindung möglich
  • GGF (= 50 Prozent): Keine Anwendbarkeit des BetrAVG nach BGH1 ​ -->  Abfindung möglich
  • Minderheits-GGF (< 50 Prozent): BetrAVG anwendbar, sofern Zusammenrechnung mit andern GGF keine Beteiligung > 50 Prozent ergibt
  • Minderheits-GGF (< 10 Prozent): BetrAVG anwendbar​​​​


Im Übrigen bedarf die Statusbeurteilung von GGF einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Führt diese zu dem Ergebnis, dass der GGF als Unternehmer im eigenen Unternehmen zu beurteilen ist, so sind die Schutzbestimmungen des BetrAVG auf die ihm gegenüber erteilte Versorgungszusage nicht anzuwenden. Unter Umständen ist bei einer Veränderung der Beteiligungshöhe (sog. Statuswechsel) eine zeitanteilige Betrachtung vorzunehmen. Steuerrechtlich sollte die Abfindung betrieblich veranlasst sein und dem Fremdvergleich standhalten, um eine verdeckte Gewinnausschüttung und eine verdeckte Einlage zu vermeiden.

 

Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten durch die Rechtsprechung 

Für den Personenkreis der Organmitglieder hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 21.04.2009 (Az. 3 AZR 285/07), bestätigt durch den Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 23.5.2017 (Az. II ZR 6/16), den Weg frei gemacht für Ausnahmevereinbarungen zum Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG, indem es die Ausnahmeregelungen für Tarifvertragsparteien auch auf Organmitglieder anwendbar erklärte. Der BGH begründet die Entscheidung mit einem Vergleich der Interessenlagen: Wo der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien eine entsprechende Verhandlungsmacht zuerkenne und ihnen deshalb Abweichungen vom BetrAVG erlaube, müsse dies auch für Vereinbarungen mit Organmitgliedern gelten, weil bei diesen typischerweise keine Verhandlungsunterlegenheit vorliege. Bei einer Weitergeltung des Abfindungsverbots für Organmitglieder würde diesem Personenkreis ein höheres Schutzniveau zukommen als Arbeitnehmern. Insbesondere die BGH-Entscheidung stellt ausdrücklich klar, dass § 3 BetrAVG im Rahmen einer mit einem Organmitglied getroffenen Versorgungsvereinbarung abbedungen werden kann.

 

Auswirkungen auf die Praxis 

Um auf die eingangs genannten wirtschaftlichen Herausforderungen flexibel reagieren zu können, ist aus heutiger Sicht eine Ausnutzung des Gestaltungsspielraums, den die Rechtsprechung bei der Erteilung von Versorgungszusagen an Organmitglieder eröffnet hat, unerlässlich. Grundsätzlich steht es den Vertragsparteien hier frei, umfassende Abfindungsregelungen von vornherein in der Versorgungszusage vorzusehen. Aber auch in der Vergangenheit erteilte Versorgungszusagen sind auf die Möglichkeit ihrer (ad-hoc) Abfindbarkeit zu untersuchen. Steuerliche Vorgaben dürfen dennoch nicht vernachlässigt werden: Bei der Abfindung von Pensionszusagen stellt sich regelmäßig die Frage nach dem Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung. Daher ist bei der konkreten Ausgestaltung der Abfindung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, größte Sorgfalt geboten: Steuerrechtliche Vorgaben setzen hier enge Grenzen. 


1 BGH, Urt. v. 1.10.2019 – II ZR 386/17.

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