Die elektronische Arbeitsunfähigkeits­bescheinigung – Handlungsbedarf für Arbeitgeber?

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veröffentlicht am 23. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Ein in der arbeitsrechtlichen Praxis nicht selten vorkommender Grund für den Ausspruch einer Abmahnung ist neben der wesentlich verspäteten Anzeige der Arbeitsunfähigkeit insbesondere auch die Nicht- oder verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeits­bescheinigung. Die Nicht- oder verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat jedenfalls für den Arbeitnehmer nicht nur eine etwaige Abmahnung zur Folge. Vielmehr ist in diesen Fällen der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zu verweigern, solange der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung, die von ihm ärztliche Bescheinigung vorzulegen, nicht nachkommt. 

 

   

Die Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes

Der Arbeitnehmer ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG verpflichtet, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert. Der Arbeitgeber ist auch berechtigt, eine kürzere Vorlagefrist festzulegen. Erfolgt die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit eines gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmers durch einen Vertragsarzt, so gilt die Vorlagepflicht allerdings nur noch bis Ende des Jahres 2022.

 

Einhergehend mit der sogenannten „elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" tritt mit Wirkung zum 1. Januar 2023 auch eine Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) in Kraft. Das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz, das am 28. November 2019 im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2019 I 1746) verkündet wurde, sieht eine Ergänzung des § 5 EFZG durch einen Absatz 1a vor, nach dessen Satz 1 die bisherige Vorlagepflicht fortan nicht für Arbeitnehmer gilt, die Versicherte einer gesetzlichen Krankenasse sind. Ausgeschlossen von der neuen Regelung seien lediglich Personen, die eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ausüben und in Fällen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.

 

Damit war bereits mit Verkündung des Dritten Bürokratieentlastungsgesetzes klar: Aus der Vorlagepflicht gesetzlich krankenversicherter Arbeitnehmer, die einen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt aufsuchen, wird nunmehr eine Abrufungspflicht des Arbeitgebers.

 

Während Arbeitnehmer bislang einen „gelben Schein" in dreifacher Ausfertigung erhielten, zu deren Vorlage an den Arbeitgeber und die Krankenkasse sie verpflichtet waren, entfällt diese Pflicht ab 1. Januar 2023 für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer, soweit die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Vertragsarzt erfolgt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform ist damit zumindest bezüglich der genannten Arbeitnehmergruppe passé  - jedenfalls für Arbeitgeber. Arbeitnehmer sind demgegenüber nach der Neufassung des § 5 Abs. 1a verpflichtet, sich die ärztliche Bescheinigung aushändigen zu lassen.

   

Was das konkret für Arbeitgeber bedeutet

Der die Arbeitsunfähigkeit feststellende Vertragsarzt hat die Arbeitsunfähigkeitsdaten der zuständigen Krankasse zu übermitteln. Diese sind nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten verpflichtet, eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die gemäß § 109 SGB IV (ebenfalls ab 1. Januar 2023 in Kraft) folgende Informationen enthält: 

    • den Namen des Beschäftigten,
    • den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
    • das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
    • die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
    • die Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf den Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.
       
    • Die von den Krankenkassen elektronisch übermittelten Daten können dann vom Arbeitgeber bei der zuständigen Krankenkasse elektronisch abgerufen werden, sofern dieser zum Erhalt der Daten berechtigt ist.

      Weitere Auswirkungen für Arbeitgeber

      Neu ist auch, dass der Arbeitgeber im Gegensatz zur bisherigen Papierform der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weder den Namen, noch den Fachbereich des ausstellenden Arztes entnehmen können wird. Die Möglichkeit des Arbeitgebers, von den Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einzuholen, wird jedenfalls in den Fällen wegfallen, in denen die Arbeitsunfähigkeit die von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.

       

      Weitere Auswirkungen auf Arbeitgeberseite werden sich etwa dann zeigen, wenn die Daten nicht abrufbar sind und sich die Frage stellt, ob der Arbeitnehmer unentschuldigt der Arbeit fernbleibt und/oder der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist. Einer näheren Prüfung wird auch die Frage des grundsätzlich hohen Beweiswertes von - zumindest bislang in Papierform vorgelegten - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen („Die Erschütterung des Beweiswertes einer AU-Bescheinigung") bedürfen.

       

      Fazit

      Auch wenn mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Digitalisierung Rechnung getragen werden soll, bleibt es abzuwarten, welche Auswirkungen die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der arbeitsrechtlichen Praxis letztendlich mit sich bringen wird. Jedenfalls aus Arbeitgebersicht wird die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weitere Fragen aufwerfen.
         

      Fakt ist auch, dass der Wechsel von der Vorlagepflicht des Arbeitnehmers hin zur Abrufpflicht des Arbeitgebers einen zusätzlichen Aufwand auf Arbeitgeberseite bedeutet. Gleiches gilt auch mit Blick auf das etwaige Erfordernis der Anpassung von Arbeitsverträgen. Die regelmäßig in Arbeitsverträgen enthaltene Vorlagepflicht wird in den genannten Fällen jedenfalls ab 1. Januar 2023 nicht mehr wirksam sein.

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