Fachkräfte-Einwanderung – Anerkennungsverfahren als Herausforderung meistern

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veröffentlicht am 10. Mai 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


In Deutschland ist der Berufszugang und die -ausübung in einer Vielzahl der Fälle (z.B. medizinische Berufe, Rechtsberufe, Lehrer an staatlichen Schulen, Meisterberufe im Handwerk) durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Nachweis einer be­stimm­ten Qualifikation gebunden oder die Berufsbezeichnung gesetzlich geschützt (sog. reglementierte Berufe). Für den Zugang zu diesen Berufen müssen Fachkräfte, die im Ausland einen Berufsabschluss erworben haben, daher grundsätzlich ein Verfahren zur Anerkennung ihrer Qualifikation durchlaufen. Ist der Beruf nicht regle­mentiert, ist das Durchlaufen eines Anerkennungsverfahrens zur Aufnahme oder Ausübung des entsprechenden Berufs aus aufenthaltsrechtlichen Gründen dann erfor­derlich, wenn ein Berufsabschluss in einem Drittstaat erworben wurde. Für Fachkräfte aus der EU und dem EWR ist der Zugang zu reglementierten Berufen durch die Richtlinie 2005/36/EG geregelt. Sie gewährleistet den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten Zugang zu demselben Beruf unter denselben Voraussetzungen wie Inländern. Auch mit der Schweiz ist die gegenseitige Anerkennung durch ein Abkom­men sichergestellt. Damit stellt sich die Rechtslage hinsichtlich der Aner­kennung von Berufs­qua­li­fi­ka­tio­nen für Fachkräfte aus Drittstaaten, insbesondere wegen unter­schied­licher Ver­fah­rens­arten, in der Praxis als kompliziert dar.



Entbehrlichkeit des Anerkennungsverfahrens

Schon jetzt ist die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens für Fachkräfte aus Drittstaaten aus der IT-Branche sowie für Berufskraftfahrer entbehrlich (§ 19c AufenthG i. V. m. der BeschV). Hintergrund dürfte zum einen der Mangel an Fachkräften in diesen Bereichen sein, zum anderen die Tatsache, dass es sich bei Tätig­keiten in der IT-Branche um sog. learning-by-doing-Jobs handelt, die häufig ohne formalen Berufsab­schluss ausgeübt werden. Eine Ausweitung auf weitere „Mangelberufe“ wie Ärzte, Ingenieure und Mathema­tiker scheint möglich.


Verfahrensarten

Je nach Art der ausländischen Berufsqualifikation gibt es unterschiedliche Verfahren:

Am bekanntesten ist das Anerkennungsverfahren. Darin prüft die, nach dem Arbeitsort und der Art des ausge­übten Berufs jeweils zuständige Stelle, die Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikation anhand eines zuvor festgelegten deutschen Referenzberufs. Für diese Gleichwertigkeitsprüfung sind bestimmte Doku­mente notwendig, die Inhalt und Dauer der Ausbildung dokumentieren. Die Berufserfahrung sowie weitere Kenn­tnisse und Fähigkeiten werden dabei berücksichtigt. Die ausländische Berufsqualifikation wird als gleich­wertig anerkannt, wenn keine wesentlichen Unterschiede zur deutschen Berufsqualifikation bestehen. Bei re­gle­men­tier­ten Berufen werden weitere Voraussetzungen geprüft, die neben der Anerkennung der Berufs­quali­fikation für die Berufszulassung notwendig sind. Dazu gehören z.B. die persönliche Eignung oder deutsche Sprachkenntnisse (mindestens Sprach-Niveau B1).

Die rechtlichen Grundlagen für das Anerkennungsverfahren sind das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) und berufsrechtliche Fachgesetze des Bundes sowie entsprechende Gesetze der Länder. Grundsätzlich ist für das Verfahren lediglich Voraussetzung, dass eine staatlich anerkannte Berufsqualifikation im Ausland er­wor­ben wurde und diese mit einem Zeugnis belegt werden kann. Der Aufenthalt in Deutschland und die deut­sche Staatsbürgerschaft sind keine Voraussetzung für das Anerkennungsverfahren.

Das Anerkennungsverfahren dauert in der Regel drei bis vier Monate. Die Kosten sind einzelfallabhängig und liegen im Schnitt bei ca. 600 Euro. Das Verfahren kann mit folgenden Ergebnissen enden:

  • Anerkennung bei Gleichwertigkeit der ausländischen mit der deutschen Berufsqualifikation


Werden bei der Gleichwertigkeitsprüfung wesentliche Unterschiede festgestellt, die trotz Berufserfahrung so­wie sonstigen Kenntnissen und Fähigkeiten bestehen bleiben, kommt es auf die Art des Berufs an:

  • teilweise Anerkennung in nicht reglementierten Berufen, wenn nur Teile der Ausbildung gleichwertig sind; Ausgleich durch Anpassungsqualifizierung möglich
  • teilweise Anerkennung in reglementierten Berufen, wenn nur Teile der Ausbildung gleichwertig sind; Ausgleichsmaßnahme wird durch die zuständige Stelle festgelegt; nach erfolgreichem Abschluss eine Prüfung der weiteren Berufszulassungsvoraussetzungen
  • keine Anerkennung bei wesentlichen Unterschieden zum deutschen Referenzberuf, die nicht ausgeglichen werden können


Für bestimmte Qualifikationen aus EU/EWR/Schweiz gelten wiederum vereinfachte Regelungen im Aner­ken­nungs­­verfahren. Eine sog. automatische Anerkennung gilt hier unter anderem für folgende Berufe: (Fach-)Arzt, (Fach-)Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker, Architekt.

Das Verfahren der Qualifikationsanalyse ist sinnvoll, wenn bestimmte für die Anerkennung ausländischer Be­rufs­qua­li­fikationen notwendige Dokumente (z.B. Arbeits- oder Abschlusszeugnisse) fehlen oder unvoll­ständig sind. Ob eine Qualifikationsanalyse in Frage kommt, entscheidet die zuständige Behörde, ggf. nach Hinweis auf die fehlenden Unterlagen durch den Antragsteller. Dies bietet sich z.B. an, wenn die Antrag­stellenden ihre Do­ku­men­te auf der Flucht zurücklassen mussten oder verloren haben. Sie kann dann im Verfahren zur An­er­ken­nung ausländischer Berufsqualifikationen angewendet werden. Dies gilt für alle dualen Ausbildungsberufe, Meisterberufe oder Fortbildungsberufe.

Die Qualifikationsanalyse ist ein praktischer Nachweis der Qualifikation und keine Prüfung. Dieser kann durch Fachgespräche, Arbeitsproben oder eine Probearbeit im Betrieb erbracht werden. Nach erfolgreicher Teilnahme an einer Qualifikationsanalyse bescheinigt die zuständige Stelle die volle oder teilweise Anerkennung. Die Kos­ten der Qualifikationsanalyse hat prinzipiell der Antragstellende zu tragen, soweit keine finanzielle Unter­stüt­zung durch die Agentur für Arbeit, das Jobcenter oder ein Anerkennungszuschuss in Betracht kommt.

Fachkräfte aus Drittstaaten dürfen für eine qualifizierte Beschäftigung nach Deutschland einreisen, wenn ihr ausländischer Hochschulabschluss einem deutschen entspricht. Um das festzustellen, ist in der Regel eine Zeugnisbewertung notwendig. Die Zeugnisbewertung ist ein eigenes Verfahren für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung in nicht reglementierten Berufen (z.B. Physiker, Biologen oder Sprachwissenschaftler) zur Bewer­tung ausländischer Hochschulabschlüsse, welches die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) durchführt. Im Anschluss stellt die ZAB eine offizielle Bescheinigung aus, in der die ausländische Hochschul­qualifikation sowie ihre beruflichen und akademischen Verwendungsmöglichkeiten beschrieben werden. Das Verfahren dauert bis zu drei Monate und kostet pro Zeugnisbewertung 200 Euro. Eine Zeugnis­bewer­tung ist nicht erforderlich, wenn die ausländische Hochschule und der Abschluss in der Datenbank „anabin“ ver­zeich­net und dort entsprechend bewertet sind.

Eine Ersetzung des Anerkennungsverfahrens durch die Zeugnisbewertung ist in reglementierten Berufen nicht möglich.

Der Europäische Berufsausweis (EBA) bietet ein vollelektronisches Verfahren zur Anerkennung von Berufs­qua­li­­fi­ka­tionen in reglementierten Berufen aus Ländern der EU und des EWR. Der EBA dient als elektronischer Nach­weis, dass die Berufsqualifikation anerkannt wurde. Er berechtigt jedoch nicht automatisch zur Berufs­aus­übung. Dafür müssen je nach Beruf weitere Kriterien erfüllt sein wie z.B. die persönliche Eignung oder deut­sche Sprachkenntnisse. Der EBA kann derzeit für folgende Berufe beantragt werden: Apotheker, Berg­führer, Immobilienmakler, Krankenpfleger für allgemeine Pflege und Physiotherapeut.

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