Das neue Lieferketten­sorgfalts­­pflich­­ten­­ge­­setz (LkSG) im Detail – was nun zu tun ist

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zuletzt aktualisiert am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 7 Minuten

von Carla Everhardt, Dr. Susana Campos Nave und Clemens Bauer


Mit dem Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG), umgangssprachlich besser bekannt unter der Bezeichnung „Lieferkettenge­setz“, werden den Unternehmen umfangreiche neue Pflichten im Hinblick auf Men­schen­rechte in der Lieferkette auferlegt, die sog. „Sorgfaltspflichten”. Das Lieferket­ten­sorgfaltspflichtengesetz tritt mit dem 1. Januar 2023 in Kraft und begründet für verpflichtete Unternehmen dringenden Handlungsbedarf. Um der Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte entlang der Wertschöpfungskette gerecht zu werden, sieht der Gesetzgeber vor, dass umfangreiche Compliance-Maßnahmen eingeführt werden.



Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes

Die Pflichten des LkSG treffen ab dem 1. Januar 2023 unmittelbar alle Unternehmen unabhängig von der Rechtsform, deren Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder deren satzungsgemäßer Sitz im Inland liegt. Der Gesetzgeber geht in diesen Fällen davon aus, dass die relevanten Entscheidungen für das Risikomanagement der Lieferkette in Deutschland getroffen werden.

Der Anwendungsbereich umfasst im ersten Schritt Unternehmen einer bestimmten Mindestgröße, mithin müssen mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt sein. Ab dem Jahr 2024 wird der Anwendungsbereich darüber hinaus bereits auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erweitert.


Abgestellt wird hierbei auf die das Unternehmen im Allgemeinen prägende Personalstärke, in der Regel bezogen auf das Geschäftsjahr. Schwankungen im Hinblick auf die Belegschaftsstärke sollen vor dem Hinter­grund der Planungssicherheit und damit Rechtssicherheit grundsätzlich keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des LkSG haben.

Aber auch kleine und mittlere Unternehmen, welche die vorgenannte Mindestgröße nicht erreichen, müssen sich mit den Anforderungen des LkSG beschäftigen. Die Implementierung von Sorgfaltspflichten in Vertrags­beziehungen sowie die Delegation von Pflichten u.a. in Lieferbedingungen wird zu einem wesentlichen Bestand­teil der Zuliefererverträge und ist im Sinne eines effektiven Menschenrechtsschutzes auch seitens des Gesetzgebers angelegt.­


Schutzgüter und Pflichtenkanon der Unternehmen

Die geschützten Rechtspositionen des LkSG werden in § 2 Abs. 1 LkSG definiert, der auf in der Anlage des Gesetzes aufgeführte, weitgehend universell ratifizierten völkerrechtliche Verträge zum Schutz der Menschen­rechte verweist. Neben dieser – allgemeinen – Bezugnahme auf die völkerrechtlichen Verträge als Referenz­rahmen, enthält § 2 Abs. 2 LkSG außerdem einen konkreten Katalog von menschenrechtsbezogenen Risiken, die einen typischen arbeitsrechtlichen Bezug aufweisen. Aufgeführt werden u.a. Kinderarbeit, Zwangsarbeit sowie klassische Aspekte des Arbeitsschutzes (u.a. offensichtlich ungenügende Sicherheitsstan­dards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen).

Umstritten war während des Entstehungsprozesses des neuen Gesetzes die Einbeziehung des Umweltschutzes in den Schutzbereich des LkSG. Der Umweltschutz ist nach dem derzeitigen Stand zumindest dann umfasst, soweit eine Umweltschädigung mittelbar Menschenrechte wie den Gesundheitsschutz berührt oder die in § 2 Abs. 1 LkSG i.V.m. Anlage LkSG benannten internationalen Umweltabkommen ausdrücklich auf den Umwelt­schutz Bezug nehmen. Perspektivisch ist davon auszugehen, dass mit der Einführung der europäischen Lie­ferkettenrichtlinie der Umweltschutz eine größere Rolle spielen wird und das LkSG europarechtskonform anzupassen ist. So sieht der Erstentwurf der europäischen Lieferkettenrichtlinie eine höhere Regelungsdichte in Bezug auf Umweltthemen vor, u.a. mit einem detaillierten Katalog von umweltbezogenen Verstößen und bei Eingriffen in die biologische Vielfalt.

Der Katalog der Schutzgüter des LkSG muss als abschließend verstanden werden. Durch die allgemeine Bezugnahme auf die völkerrechtlichen Referenzrahmen stehen Unternehmen aber vor der Herausforderung, die völkerrechtlichen Verträge auszulegen und die relevanten Schutzgüter im Unternehmen zu erschließen.


Überblick über die Sorgfaltspflichten und Bußgeldrahmen

Gemäß § 3 LkSG sind Unternehmen dazu verpflichtet, in ihrer Lieferkette festgelegte, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Unternehmen ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht werden.

Zentrale Pflicht für Unternehmen ist deshalb die Integration der Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik. Hiervon umfasst werden verschiedene, aufeinander aufbauende und miteinander verknüpfte Maßnahmen, namentlich:

  • die Einrichtung eines Risikomanagementsystems (§ 4 Abs. 1 LkSG)
  • die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit für den Menschenrechtsschutz (§ 4 Abs. 3 LkSG)
  • die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5 LkSG)
  • die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung (§ 6 Abs. 2 LkSG)
  • die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 Abs. 1 und Abs. 3 LkSG) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (§ 6 Abs. 4 LkSG)
  • das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei Verletzung einer geschützten Rechtsposition (§ 7 Abs. 1 – Abs. 3 LkSG)
  • die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8 LkSG) zur Mitteilung von Menschenrechtsverstößen
  • die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern (§ 9 LkSG) und
  • die Dokumentation (§ 10 Abs. 1 LkSG) und Berichterstattung (§ 10 Abs. 2 LkSG) im Hinblick auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten


§ 24 LkSG sieht bei Verstößen gegen die Vorgaben des LkSG verschiedene Bußgeldrahmen vor. Das höchst­mögliche Bußgeld gegen natürliche Personen kann 800.000 Euro betragen. Gegenüber Unternehmen sind in bestimmten Fällen Bußgelder über 400 Mio. Euro bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes denkbar. Ordnungswidrigkeitsrechtlich kommen als Adressaten die Leitungspersonen eines Unternehmens, aber auch beispielsweise der Menschenrechts- oder Compliance-Beauftragte in Betracht.


Reichweite der Sorgfaltspflichten

Das LkSG begründet eine Bemühenspflicht, aber keine Erfolgspflicht. Damit verlangt der Gesetzgeber von den Unternehmen gerade keine Garantie, dass Menschenrechtsverstöße in jedem Fall verhindert werden.


Verpflichtete müssen aber nachweisen, alles dafür getan zu haben, um menschenrechtsbezogene Risiken in der Lieferkette zu verhindern. Hierbei kommt dem Prinzip der Angemessenheit – ein unbestimmter Rechtsbegriff, der einer Auslegung offen steht – eine entscheidende Bedeutung zu.


Die Reichweite der Sorgfaltspflichten ist eine Frage des Einzelfalls und wird gemäß § 3 Abs. 2 LkSG anhand folgender Kriterien näher konkretisiert:

  • Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens
  • dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher eines menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risikos oder der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht
  • der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung, der Umkehrbarkeit der Verletzung und der Wahrscheinlichkeit der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht, sowie
  • die Art des Verursachungsbeitrages des Unternehmens zu dem menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiko oder zu der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht


Die Frage, ob ein Unternehmen den abgestuften Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, entscheidet sich im Rahmen einer individuellen Risikobetrachtung und macht die Einbeziehung verschiedener Faktoren notwendig. Typische Kriterien bei der Bewertung sind hierbei neben der Branche die tatsächlichen und ordnungspoli­ti­schen Rahmenbedingungen des Produktionsortes (beispielsweise Kinderarbeit in Drittweltländern, Arbeits­sicherheit in der Textilproduktion).

Deutlich wird, dass der Gesetzgeber auf den Dreiklang Vermeidung, Prävention und Abhilfe setzt. Dabei sind die Sorgfaltspflichten als dynamische Pflichten zu verstehen. Die Frage nach der Wirksamkeit der Nachhaltig­keitspolitik im Unternehmen ist in regelmäßigen Abständen, mindestens aber jährlich, sowie anlassbezogen zu prüfen. Ferner können Veränderungen in der Geschäftstätigkeit und im Geschäftsumfeld Anlass für eine Überprüfung sein. Dabei gilt, je stärker die Einflussmöglichkeit des Unternehmens und je größer die Risiko­geneigtheit der Geschäftstätigkeit (d.h. die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung der geschützten Rechtsposition) ist, desto größer ist der Maßstab, der an die Sorgfaltspflichten anzulegen ist.

Auch wenn das LkSG die Sorgfaltspflichten in erster Linie nur an den eigenen Geschäftsbetrieb sowie die unmittelbaren Zulieferer anlegt, können Fehlverhalten mittelbarer Zulieferer Handlungspflichten begründen, sobald ein Unternehmen substantiierte Kenntnis über mögliche menschenrechtliche Verletzungen in der Lieferkette erlangt hat. In diesen Fällen entsteht die Verpflichtung, anlassbezogen Maßnahmen einzuleiten.

Mit der Kontrolle und Durchsetzung des Sorgfaltspflichtengesetzes wurde das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle betraut, das im Rahmen der Überprüfung der Unternehmen ebenfalls einen risikobasierten Ansatz mit verschie­denen Abstufungen in der Prüfung, von der Plausibilisierung von Hinweisen über vertiefte Prüfungen bis zu der Durchführung von Ortsterminen im Ausland, verfolgt.


Zu den einzelnen Sorgfaltspflichten im Detail

Vorgabe „Identifikation von Risiken und Durchführung einer Risikoanalyse der eigenen Tätigkeiten und Geschäftsbeziehungen“

Das LkSG verpflichtet Unternehmen zur Durchführung einer Risikoanalyse in Hinblick auf die eigenen Tätig­keiten und Geschäftsbeziehungen in der Lieferkette. Unternehmen haben dafür zu sorgen, dass festgelegt ist, wer innerhalb des Unternehmens dafür zuständig ist das Risikomanagement zu überwachen, etwa durch die Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten.


Diese Bestandsaufnahme dient als Grundlage für die spätere Festlegung von Präventions- und Abhilfe­maß­nahmen mit dem Ziel, menschenrechtliche Risiken und Rechtsgutsverletzungen entlang der Lieferketten zu identifizieren, zu verhindern, zu beenden oder zumindest zu minimieren. Aufgedeckte Risiken sind zu bewerten und zu priorisieren. Ist der Sachverhalt unklar, besteht eine Nachforschungspflicht, sofern weitere Informatio­nen benötigt werden.


Vorgabe „Verankerung und Kommunikation einer Menschenrechtsstrategie und Präventionsmassnahmen“

Basierend auf den Erkenntnissen der Risikoanalyse sollen Unternehmen eine Grundsatzerklärung sowie darauf aufbauende Maßnahmen verabschieden. Das umfasst ferner auch die kontinuierliche Anpassung und Aktua­lisierung der menschenrechtsbezogenen Leitlinien.


Entscheidende Bedeutung misst der Gesetzgeber dem „Tone from the Top“ zu – die Menschenrechtserklärung soll von der Unternehmensleitung verabschiedet werden und ein klares Bekenntnis zu der entwickelten Menschenrechtsstrategie enthalten.


Als Mindestinhalte sieht der Referentenentwurf folgende Punkte vor:

  • Darstellung der relevanten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken
  • Beschreibung des betrieblichen Risikomanagement-Konzepts
  • Ausführungen zu Zielvorgaben, Maßstäbe und Leitlinien des Unternehmens (sog. „menschenrechtsbezogene Erwartungen“)


Vorgabe „Berücksichtigung der Menschenrechtsstrategie und Präventionsmassnahmen im geschäftlichen Handeln sowie Kontrolle der Einhaltung“

Der Gesetzgeber verlangt eine Integration der im Rahmen der Menschenrechtsstrategie festgelegten, allgemei­nen Grundsätze im Alltag. Alle Geschäftsabläufe sind unter Zugrundelegung der Menschenrechts­strategie zu prüfen und in diesem Zusammenhang beispielsweise Verhaltenskodizes oder Einkaufsrichtlinien zu etablieren. Ferner soll die Menschenrechtsstrategie durch Berücksichtigung in den Verträgen ein verbindlicher Bestandteil der Geschäftsbeziehungen werden.


Die Berücksichtigung der Menschenrechte im geschäftlichen Handeln kann im Einzelfall so weit gehen, dass Unternehmen ihre Zulieferer bei der Vorbeugung von Risiken beispielsweise durch Trainings oder Fortbildungen im Hinblick auf die Menschenrechtsproblematik zu unterstützen haben.


Vorgabe „Ergreifung von Abhilfemassnahmen, Erstellung eines Konzepts zur Minimierung von Menschenrechtsverletzungen und ggf. Aussetzung der Geschäftsbeziehung“

Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette müssen beendet werden. Sofern das nicht möglich ist, muss ein Konzept entwickelt werden, um die negativen Auswirkungen zu minimieren. In einem kooperativen Ansatz sollen Unternehmen mit Ihren Zulieferern eine gemeinsame Lösung finden, wobei ein Korrekturmaßnahmen-Plan verlangt werden kann. Als Ultima Ratio kommt dabei der Abbruch der Geschäftsbeziehungen in Betracht, während als milderes Mittel das zeitweise Aussetzen von Geschäftsbeziehungen in Frage kommen kann.


Vorgabe „Einrichten und Unterhalt eines Beschwerdesystems und spätere Prüfung des Beschwerdesystems“

Das LkSG sieht die verbindliche Einführung eines Beschwerdesystems vor, das ohne Hürde zugänglich sein soll. Ferner sind die Voraussetzungen der Vertraulichkeit und des Datenschutzes zu wahren. Das Beschwerde­verfahren soll auch Personen offenstehen, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit eines mittelbaren Zulieferers in ihren Rechtspositionen verletzt werden. Mithin muss das Beschwerdeverfahren so eingerichtet werden, dass auch dritte Personen, die Kenntnis von der Verletzung einer geschützten Rechtsposition erlangen, die Möglichkeit haben, auf sie hinzuweisen.


Vorgabe „Informationspflichten“

Durch die Dokumentation der Einhaltung der Sorgfaltspflichten bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Aufbewah­rung der Dokumentation über einen Zeitraum von sieben Jahren, schafft der Gesetzgeber die Voraussetzung zur Kontrolle und Durchsetzung des LkSG.


Neben der Pflicht zur Erteilung von Auskünften und zur Mitwirkung bei Kontrollen auf Verlangen, müssen Unternehmen jährlich einen Bericht über die umgesetzten Sorgfaltspflichten, namentlich zur Risikoermittlung sowie die erfolgten Präventions- und Abhilfemaßnehmen, erstellen.


Fazit

Das LkSG ist ein wichtiges Compliance-Thema mit hohen Haftungsrisiken. Unternehmenslenker müssen sich deshalb mit den Neuerungen des LkSG beschäftigen und die Situation im eigenen Unternehmen unter Berück­sichtigung der neuen Vorgaben kritisch prüfen. Bei Nichtumsetzung der Sorgfaltspflichten besteht die Gefahr der Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren und von empfindlichen Geldbußen.


Dabei kann konzeptionell auf die bereits existierenden Compliance-Management-Systeme aufgesetzt werden. Geschäftsleitung und Compliance-Beauftragte müssen im Sinne einer verantwortungsvollen Unternehmens­führung folglich nun aktiv werden, um diese im Hinblick auf die neuen Anforderungen zu ergänzen, sowie die vertraglichen Vereinbarungen mit den Lieferanten an die neuen Vorgaben anzupassen.

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