Zulässigkeit heimlicher Mitarbeiterüberwachung und deren gerichtliche Verwertbarkeit

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​veröffentlicht am 3. Mai 2017  

 

Arbeitgeber, die den Verdacht hegen, ein Arbeitnehmer begehe zu ihren Lasten eine Straftat oder verstoße gegen eine ihm obliegende arbeitsvertragliche Pflicht, greifen zur Aufdeckung der Sachverhalte oftmals auf Methoden der heimlichen Mitarbeiterüberwachung zurück. Der häufig bestehende Irrglaube, das sei stets unzulässig, bedarf einer Korrektur – insbesondere bei genauerer Betrachtung der neueren Rechtsprechung.

 

 

Sofern die von Rechts wegen geforderten Voraussetzungen vorliegen, kann der Gewinn von Beweismitteln durch heimliche Mitarbeiterüberwachung durchaus zulässig sein und zur Begründung einer (außer)ordentlichen Kündigung in einem etwaigen Prozess zur Rechtfertigung herangezogen werden. Die Überwachungsmaßnahme muss dabei immer mit kritischem Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das grundrechtlich gewährte Recht auf informationelle Selbstbestimmung betrachtet werden. Bei Verletzung der Rechte drohen dem Arbeitgeber Schmerzensgeldansprüche durch den Arbeitnehmer. Arbeitgeber sollten daher die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur zulässigen Mitarbeiterüberwachung in jedem Fall einhalten und die zugrundeliegenden Beweggründe sauber und nachvollziehbar dokumentieren.

 

 

Zulässigkeit der Beweiserhebung

Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist zugleich Schutzgesetz und Legitimationsgrundlage für Eingriffe, wenn es an einer Einwilligung des Betroffenen zur Datenerhebung fehlt. Zentrale Norm für das Arbeitsverhältnis stellt nach derzeitiger Rechtslage § 32 BDSG dar, der die Erhebung, Nutzung oder Verarbeitung personenbezogener Daten erlaubt, wenn „dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist”.
Die Rechtsprechung hat zur Konkretisierung des Merkmals der Erforderlichkeit im Zusammenhang mit der verdeckten Mitarbeiterüberwachung in den vergangenen Jahren folgende Grundsätze entwickelt:

 

  • Anlass der Maßnahme muss ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers sein.
  • Der Verdacht darf sich nur auf einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern beziehen.
  • Des Weiteren müssen alle milderen Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft und erfolglos geblieben sein.
  • Die Überwachungsmaßnahme darf nicht unverhältnismäßig sein, d.h. das Interesse des Arbeitgebers zur Aufklärung der Verfehlung darf das Interesse der/des Arbeitnehmer/s auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1, 2 Abs. 1 Grundgesetz) nicht überwiegen.

 

Liegen diese Voraussetzungen positiv vor, ist die Überwachungsmaßnahme zulässig.

 

Bedeutung für die Praxis

Was das im Einzelnen für den Arbeitgeber bedeutet, soll im Folgenden aufgezeigt werden:

 
Zu Beginn der Überwachungsmaßnahme muss ein konkreter Verdacht von strafbaren Handlungen oder anderen schweren Verfehlungen zulasten des Arbeitgebers bestehen. Bloße Mutmaßungen, es könnten Straftaten begangen werden oder vage, nicht belegbare Anhaltspunkte sind nicht ausreichend. Der Verdacht muss durch stichhaltige Fakten belegbar sein, deren Interpretation einzig ein Fehlverhalten seitens der Belegschaft zulässt. Indes begründet die allgemeine Lebenserfahrung den Verdacht einer Straftat, wenn innerhalb eines kurzen Zeitraums Fehlbestände/Inventurdifferenzen von leicht zu entfernenden Gegenständen im Lagerraum/Verkaufsbereich auftreten und sie nicht auf einen Fehler in der elektronischen Dokumentation zurück zu führen sind [BAG, Urt. v. 20.10.2016 – 2 AZR 395/15; BAG, Urt. v. 22.09.2016 – 2 AZR 848/15].

 

Der Verdacht muss sich nicht zwangsweise auf einen einzelnen oder bestimmte Arbeitnehmer beziehen. Es ist ausreichend, dass der Kreis der verdächtigen Arbeitnehmer funktional und räumlich eingegrenzt werden kann, z.B. auf alle Arbeitnehmer, die Zutritt zum Lagerraum haben oder im Kassenbereich arbeiten.

 

Des Weiteren müssen alle milderen – das Persönlichkeitsrecht weniger belastende Maßnahmen – zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft und erfolglos geblieben sein. Die verdeckte Überwachungsmaßnahme darf immer nur ultima ratio, also das letzte mögliche Mittel sein. So ist zur Aufklärung des Verdachts von Diebstählen grds. eine Taschenkontrolle das mildere Mittel vor der verdeckten Videoüberwachung. Die Spindkontrolle unter Anwesenheit des Arbeitnehmers ist milder als die heimliche Schrankkontrolle. In diesem Zusammenhang wird eine verdeckte Überwachungsmaßnahme durch einen Privatdetektiv regelmäßig unzulässig sein, da es das mildere Mittel wäre, wenn der Arbeitgeber selbst die Überwachung vornimmt.

 

Die Überwachungsmaßnahme muss ferner verhältnismäßig sein. Das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung des Verdachts muss die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer an ihrem grundrechtlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiegen. Hierbei ist entscheidend, wie sehr die heimliche Überwachungsmaßnahme in die Privats-/Intimssphäre des Arbeitnehmers eingreift. Eine Videoüberwachung in Umkleideräumen wird i.d.R. nicht verhältnismäßig sein. Auch die Überwachung der privaten Lebensführung durch einen Privatdetektiv oder den Arbeitgeber selbst stellt regelmäßig einen massiven Eingriff in das Grundrecht des Arbeitnehmers dar und wird nur schwerlich die Interessen des Arbeitgebers an der Aufklärung des Verdachts überwiegen. Bei der (heimlichen) Videoüberwachung ist gleichfalls erheblich, wie intensiv der Eingriff für den Arbeitnehmer wirkt. Sofern der Arbeitnehmer dauerhaft im Bild und somit einer ständigen Beobachtung ausgesetzt ist, stellt das einen stärkeren Eingriff in die Grundrechte des Arbeitnehmers dar als eine lediglich bereichsbezogene Überwachung, wo sich die betroffenen Arbeitnehmer nur gelegentlich aufhalten.

 

Wenn der betroffene Betrieb ein Betriebsrat hat und sich bei der Überwachungsmaßnahme ein Mitbestimmungs- oder Beteiligungsrecht ergibt, ist er hinzuzuziehen.

 

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt und bestätigt die Überwachungsmaßnahme die Begehung einer Straftat oder schweren Verfehlung eines Arbeitnehmers, können die gewonnen Beweismittel zur Begründung einer Kündigung herangezogen und in einem etwaigen Kündigungsprozess in zulässiger Weise eingebracht werden.

 

Rechtsfolgen der Unzulässigkeit: Beweisverwertungsverbot und Schmerzensgeld

War die Überwachungsmaßnahme unzulässig, ist die Frage der Verwertbarkeit in einem späteren Prozess differenzierter zu beantworten. § 32 BDSG normiert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Datenerhebung. Die Rechtsfolgen eines Beweisverwertungsverbotes ergeben sich daraus nicht. Regelmäßig muss jedoch ein mittelbares Beweisverwertungsverbot angenommen werden, da eine Legitimationsgrundlage für den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vollständig fehlt und die Maßnahme daher unverhältnismäßig sein sollte. Das Verwertungsverbot verbietet nicht nur die Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung, sondern auch die Vernehmung eines Zeugen der über den Inhalt des Bildmaterials gesehen hat.

 

Aus der alleinigen Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte kann noch kein Beweisverwertungsverbot begründet werden. Dem Betriebsrat kann allerdings ein Anspruch auf Unterlassung der Maßnahme zustehen. Allen von der unzulässigen Überwachungsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmern steht grds. ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung des allg. Persönlichkeitsrechts zu.​

 

Zufallsfunde

Viele Arbeitgeber stellen sich im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerüberwachung die Frage, ob sog. Zufallsfunde zulasten von Arbeitnehmern, die von der zulässigen Überwachungsmaßnahme gar nicht umfasst waren, verwertet werden dürfen. Die Rechtsprechung nimmt hier keine generelle Unverwertbarkeit an, nur weil die gewonnen Erkenntnisse außerhalb des Beobachtungszwecks liegen. Vielmehr ist entscheidend, dass das ermittelte Verhalten entweder eine strafbare Handlung oder zumindest eine schwerwiegende Pflichtverletzung zum Gegenstand hat. Das Aufklärungsinteresse des Arbeitgebers muss das Interesse des Arbeitnehmers an seinem Persönlichkeitsrecht überwiegen, was selbst die Überwachungsmaßnahme gerechtfertigt hätte.

 

Fazit

Wie in so vielen arbeitsrechtlichen Sachverhalten, kommt es bei der Frage der Zulässigkeit und Verwertbarkeit der Überwachungsmaßnahme auf den jeweiligen Einzelfall an. Arbeitgeber sollten alle wesentlichen Schritte ordnungsgemäß begründen und dokumentieren. Insb. die tatsächliche Ausschöpfung aller alternativen Aufklärungsmöglichkeiten und deren Erfolglosigkeit müssen im Zweifel nachvollziehbar darlegt werden können.

 

Dem Arbeitgeber drohen bei einer unzulässigen Überwachungsmaßnahme nicht nur die Unverwertbarkeit des gewonnen Materials in einem späteren Kündigungsschutzprozess (in dem er dann unterliegen wird und den Arbeitnehmer weiter beschäftigen muss), sondern auch ein Schmerzensgeldanspruch der betroffenen Arbeitnehmer und möglicherweise ein Bußgeldverfahren aufgrund eines Verstoßes gegen das BDSG.

 

In diesem Zusammenhang ist abschließend darauf hinzuweisen, dass das aus der Überwachungsmaßnahme gewonnene Material – ungeachtet dessen, ob sie recht- oder unrechtmäßig war – unverzüglich nach Sichtung zu löschen ist, sollte es keine Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat oder schwerwiegenden Pflichtverletzung der/des Arbeitnehmer/s enthalten. Lediglich das Material, das in einem späteren Prozess zur Durchsetzung der Rechte des Arbeitgebers notwendig ist, darf bis zum Abschluss der Rechtsverfolgung aufbewahrt werden. Hierbei hat der Arbeitgeber darauf zu achten, dass das Material vor Zugriffen Unbeteiligter geschützt wird.

 

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