Chinas neuer Standard für „einheimische Produkte“ im Beschaffungswesen

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 3. November 2025 | Lesedauer ca. 8 Minuten

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Mit der Verabschiedung des Rundschreibens zur Umsetzung der Standards für einheimische Produkte und der damit verbundenen Politik im öffentlichen Beschaffungswesen mit Wirkung zum 1. Januar 2026 (Guo Ban Fa [2025] Nr. 34 vom 28. September 2025, "Rundschreiben") hat die chinesische Regierung einen neuen Rechtsrahmen zur Definition und Förderung sogenannter "einheimischer Produkte" eingeführt.


 


​Ziel ist es, einen einheitlichen, offenen und fairen Markt für das öffentliche Beschaffungswesen zu etablieren und die gleichberechtigte Teilnahme aller Unternehmen zu gewährleisten. Das Rundschreiben stützt sich auf das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen und das Auslandsinvestitionsgesetz. Es zielt darauf ab, die Regeln für die Teilnahme in- und ausländischer Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen zu harmonisieren und sicherzustellen, dass Beschaffungsentscheidungen nach klaren und transparenten Kriterien getroffen werden. Gleichzeitig verbietet es ausdrücklich die Diskriminierung aufgrund der Eigentumsform, der Organisationsstruktur oder der Nationalität des Investors.


Bevorzugte Behandlung bei der Angebotsauswertung

Ab dem 1. Januar 2026 erhalten inländische und ausländische Produkte, die bei einer Ausschreibung miteinander konkurrieren, einen Preisbewertungsnachlass von 20 Prozent, wenn sie den Standard für „einheimische Produkte“ erfüllen. Das bedeutet, dass der Angebotspreis für qualifizierte Produkte zu Bewertungszwecken um 20 Prozent reduziert wird, ohne dass sich der tatsächliche Transaktionspreis ändert.

Wenn ein Anbieter mehrere Produkte im Rahmen eines Beschaffungspakets anbietet und die Gesamtkosten der qualifizierten inländischen Produkte 80 Prozent oder mehr der gesamten Produktkosten ausmachen, gilt der Rabatt von 20 Prozent für den gesamten Angebotspreis des Anbieters.


Definition von "einheimischem Produkt"

Ein Produkt gilt als einheimisch, wenn es die folgenden Bedingungen erfüllt:

  • Es muss in China hergestellt worden sein: Das Produkt muss innerhalb des Zollgebiets der Volksrepublik China hergestellt werden. Es muss eine wesentliche Umwandlung erfahren, d.h. eine Änderung der wesentlichen Merkmale, die zu einem neuen Produkt mit einem anderen Namen und einer anderen Verwendung führt. Geringfügige Vorgänge wie das Verpacken, Etikettieren, Polieren, Umpacken oder das bloße Anbringen einer Marke stellen keine wesentliche Umwandlung dar.
  • Lokale Wertschöpfungskette: Ein bestimmter Anteil der Komponenten muss in China hergestellt werden. Der Kostenanteil der in China hergestellten Komponenten ist nach einer vorgegebenen Formel zu berechnen. Die genauen Schwellenwerte werden innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Rundschreibens vom Finanzministerium (MOF) in Zusammenarbeit mit den zuständigen Industriebehörden festgelegt. Bis zur Bekanntgabe dieser Werte gelten Produkte, die die erste Bedingung "in China hergestellt" erfüllen, als einheimisch.
  • Schlüsselkomponenten und Prozesse: Für bestimmte Produktkategorien können zusätzliche Anforderungen festgelegt werden, die vorschreiben, dass Schlüsselkomponenten oder kritische Herstellungsprozesse in China durchgeführt werden müssen. Diese Anforderungen werden ebenfalls vom MOF und den Fachministerien erlassen, jeweils mit einer Übergangsfrist von drei bis fünf Jahren

​Umfang der Anwendung

Der Standard gilt für Waren, die über das öffentliche Beschaffungswesen erworben werden, einschließlich Waren, die Teil von Dienstleistungsverträgen sind.

Ausgeschlossen sind Gebäude und bauliche Strukturen, kulturelle Relikte und Ausstellungsstücke, Bücher und Archive, besondere Flora und Fauna, landwirtschaftliche und Fischereierzeugnisse, Mineralien, Versorgungsleistungen (Strom, Gas, Dampf, Warmwasser, Wasserversorgung), Nahrungsmittel, Getränke und Rohstoffe für Tabakwaren, sowie immaterielle Güter.


Erklärungen und Nachweise

Die Lieferanten müssen eine "Erklärung über die Einhaltung des Standards für einheimische Produkte" oder andere vom Ministerium für Wirtschaft und Finanzen genehmigte Nachweise vorlegen. Wird eine solche Erklärung vorgelegt, darf die Beschaffungsstelle keine weiteren Unterlagen verlangen.

Die Einreichung falscher Erklärungen oder gefälschter Nachweise, um den Zuschlag zu erhalten, zieht eine Haftung nach dem Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen nach sich und kann zum Ausschluss von künftigen Ausschreibungen führen.


Gleichbehandlung der Marktteilnehmer

Das Rundschreiben sieht ausdrücklich die Gleichbehandlung aller Arten von Unternehmen vor - staatlicher, privater und ausländisch investierter. Die Auftraggeber dürfen die Teilnahme nicht nach Marke, Sitz, Eigentumsstruktur oder Nationalität des Investors einschränken und keine unangemessenen oder diskriminierenden Bedingungen auferlegen. Wenn internationale Verträge oder Abkommen, bei denen China Vertragspartei ist, etwas anderes vorsehen, haben diese Bestimmungen Vorrang.


Beilegung von Streitigkeiten und Beaufsichtigung

Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Anwendung des Standards für einheimische Produkte werden im Rahmen der bestehenden Beschwerde- und Überwachungsverfahren des MOF behandelt. Das MOF oder designierte Fachinstitutionen können überprüfen, ob die Produktion in China stattgefunden hat und ob die Komponenten-Kosten-Verhältnisse in Übereinstimmung mit den vorgeschriebenen Regeln berechnet wurden. Alle beteiligten Behörden und Einrichtungen müssen Geschäftsgeheimnisse vertraulich behandeln.


Übergangs- und Umsetzungsregelungen

Die Umsetzung wird schrittweise ab dem 1. Januar 2026 erfolgen. Innerhalb von fünf Jahren werden für jeden Sektor produktspezifische Quoten und Anforderungen erlassen. Jede neue Vorschrift sieht eine zusätzliche drei- bis fünfjährige Übergangsfrist vor, um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Lieferketten und Produktionsvereinbarungen anzupassen.


Unternehmensaspekte

Unternehmen mit ausländischem Kapital können die Vorteile des Rundschreibens in Anspruch nehmen, das ausdrücklich auch staatliche und private Unternehmen erwähnt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei der Tochtergesellschaft um ein vollständig in ausländischem Besitz befindliches Unternehmen (WFOE) oder um ein chinesisch-ausländisches Joint-Venture-Unternehmen (JV) handelt. 


Das ausländisch investierte Unternehmen muss keine Produktionseinheit sein. Wenn es nur Handelstätigkeiten wie Import/Export und Großhandel ausübt, kann es möglicherweise trotzdem in den Genuss der Vergünstigungen kommen, solange die verkauften Produkte als einheimische Produkte im Sinne des Rundschreibens eingestuft werden. In der Praxis dürfte es jedoch für ein Produktionsunternehmen einfacher sein, die Anforderungen nachzuweisen und zu erfüllen. Ausländische Investoren können in Erwägung ziehen, bestehende Handelsunternehmen zu voll lizenzierten Produktionsunternehmen "aufzurüsten", einschließlich der Funktionen Einkauf, Produktion und Vertrieb. Unternehmensverlagerungen, z.B. in Chinas ausgewiesene Industrieparks und Freihandelszonen, wurden 2025 erleichtert. Verschiedene Standorte konkurrieren um die jeweiligen Investitionsprojekte, insbesondere wenn das Projekt auch Forschung und Entwicklung beinhaltet.

Eine Repräsentanz wird dagegen nicht ausreichen, da sie kein ausländisch investiertes Unternehmen ist und auch keine Handelsaktivitäten ausüben kann. 


Geistiges Eigentum

Der Besitz von entsprechendem geistigem Eigentum ist keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Vorteile des Rundschreibens. Die Aufnahme einer lokalen Produktion oder die Ausweitung der lokalen Produktion kann jedoch eine Lizenz für geistiges Eigentum aus dem Ausland nach China erfordern. Dies kann insbesondere die Lizenzierung von eingetragenen Patenten sowie von nicht eingetragener Technologie und Know-how beinhalten. 


Bei einem Lokalisierungsansatz kann das geistige Eigentum auch in einer chinesischen Tochtergesellschaft konzentriert werden.  Ein Vorteil könnte sein, dass das lokale Unternehmen das geistige Eigentum selbst besitzt, einschließlich (eingetragener) Marken, Patente, Gebrauchsmuster, Designs und Urheberrechte. Bei Bedarf kann das geistige Eigentum auch an Tochtergesellschaften in Übersee zurücklizenziert werden.

Lizenzgebühren, die zwischen verbundenen Parteien erhoben werden, stehen derzeit stark im Fokus der Steuer- und Zollbehörden. Die jeweilige Verrechnungspreisregelung muss sorgfältig ausgearbeitet werden. Unternehmen sollten auch das gesamte Geschäftsmodell prüfen, einschließlich der Frage, ob das lizenzierte geistige Eigentum dem Lizenzgeber übermäßige Gewinne einbringen könnte und ob wichtige Komponenten weiterhin von verbundenen Unternehmen bezogen werden.


Sorgfältige Prüfung von Lieferanten und Lieferverträgen

Um das geforderte Kostenverhältnis von in China hergestellten Komponenten zu erreichen, wählen Unternehmen möglicherweise mehr lokale Zulieferer. Dies erhöht das damit verbundene Risiko. Es ist wichtig, die entsprechenden Sorgfaltsprozesse zu verbessern, einschließlich regelmäßiger grundlegender Überprüfungen in Bezug auf die rechtliche Existenz, den gesetzlichen Vertreter, die rechtmäßige und möglicherweise abweichende physische Adresse, den Status des eingezahlten Stammkapitals, die Gesellschafter und wirtschaftlichen Eigentümer (auch hinsichtlich Sanktionskontrollen), auffällige Registerinhalte. Je nach Einzelfall müssen die Unternehmen auch tiefer gehende Prüfungen durchführen. Die entsprechenden Prozesse können idealerweise so optimiert werden, dass sie auch zukünftigen Anforderungen z.B. nach EU-Recht wie der CSDDD genügen. 


Die Unternehmen sollten ihre bestehenden Lieferverträge überprüfen, insbesondere daraufhin, ob sie alle erforderlichen Zusatzverpflichtungen enthalten. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass lokale Lieferanten alle Informationen bereitstellen, die das Unternehmen benötigt, um die Einhaltung des Rundschreibens nachzuweisen. Gegebenenfalls müssen entsprechende (automatisierte, digitalisierte) Prozesse eingerichtet werden.


Schutz der Daten

Alle erhobenen Daten unterliegen den strengen chinesischen Datenschutzbestimmungen. China hat mehr als 150 Gesetze im Zusammenhang mit dem Cyberspace formuliert und in Kraft gesetzt. Dieser Rahmen besteht aus Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, sowie Vorschriften und Verordnungen der lokalen Behörden. Die drei grundlegenden Gesetze sind das Cybersicherheitsgesetz (CSL), das Datensicherheitsgesetz (DSL) und das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten (PIPL).


Unternehmen müssen sicherstellen, dass die im Zusammenhang mit dem Rundschreiben verarbeiteten Daten den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen genügen. Insbesondere bei der Verarbeitung wichtiger Daten, (sensibler) personenbezogener Informationen und beim Datenexport ins Ausland sollten Unternehmen ihr rechtliches Risiko abschätzen.


Steuerliche Implikationen

Falls die Produktion nach China verlagert wird, kann dies zu einer Funktionsverlagerung aus dem Ausland führen. Dies kann eine Entschädigung durch die chinesische Tochtergesellschaft an ihren ausländischen Hauptsitz erfordern. Ohne einen entsprechenden Ausgleich können in Deutschland erhebliche steuerliche Risiken entstehen. Andererseits kann eine Einmalzahlung für die Funktions-/Geschäftsverlagerung in der Praxis schwierig umzusetzen sein, was von der chinesischen Steuer- und Devisenbehörde möglicherweise nicht akzeptiert wird. Die Strukturierung der Entschädigung erfordert eine sorgfältige steuerliche und rechtliche Gestaltung.  Dies kann z. B. durch eine Aufteilung in verschiedene Komponenten wie die Übertragung von materiellen Vermögenswerten, die Lizenzierung von immateriellen Vermögenswerten oder die Bereitstellung von Unterstützungsleistungen geschehen.


Die Verrechnungspreispolitik für die verschiedenen Arten von Transaktionen ist ein weiteres Thema. Die Verrechnungspreispolitik für die Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern dürfte oft die größte Herausforderung darstellen. Unterschiede in den Steuervorschriften der beiden Länder können die Angelegenheit weiter erschweren. Die deutsche Steuerbehörde könnte beispielsweise der Ansicht sein, dass der Erfolg der chinesischen Tochtergesellschaft hauptsächlich auf die lizenzierte Spitzentechnologie zurückzuführen ist. Die chinesische Steuerbehörde könnte den Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung, Verbesserung und Nutzung der Technologie entsprechend den spezifischen Anforderungen des chinesischen Marktes legen.  Die chinesische Steuerbehörde kann ferner behaupten, dass standortspezifische Aspekte wie Standortvorteile und Marktprämien ebenfalls einen erheblichen Anteil am Erfolg der chinesischen Tochtergesellschaften haben. Der Gewinn, der auf die Anstrengungen der chinesischen Tochtergesellschaften sowie auf diese standortspezifischen Vorteile zurückzuführen ist, soll daher in China besteuert werden. Bezieht die chinesische Tochtergesellschaft dennoch einen Teil der Schlüsselkomponente von verbundenen Parteien im Ausland, muss sie die chinesische Zollbehörde davon überzeugen, dass die lizenzierten immateriellen Wirtschaftsgüter nicht zu den für die Herstellung der Schlüsselkomponenten verwendeten gehören. Andernfalls können zusätzliche Zölle anfallen.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine ausgewogene Lösung sowohl aus der Sicht der chinesischen Steuer- und Zollbehörden als auch aus der deutschen Steuerperspektive gefunden werden muss, die versucht, die Risiken in jeder Hinsicht so weit wie möglich zu mindern.


Fazit

Mit diesem Rundschreiben wird zum ersten Mal eine verbindliche nationale Definition des Begriffs "einheimische Produkte" in Chinas öffentlichem Beschaffungssystem eingeführt. Während es formal die Gleichbehandlung aller Unternehmen garantiert, wird es in der Praxis Waren bevorzugen, die in China hergestellt werden und/oder einen hohen lokalen Anteil aufweisen. Für Anbieter aus multinationalen Konzernen werden die lokale Fertigung und ein höherer Anteil an in China hergestellten Komponenten zu entscheidenden Faktoren für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit bei öffentlichen Ausschreibungen.

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