EU verschärft Sanktionen: IP-Rechte und LNG-Sektor im Fokus des 14. Sanktionspakets – Handlungsbedarf ab Dezember 2024!

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 9. Oktober 2024 | Lesedauer ca. 8​ Minuten


Das 14. Sanktionspaket der EU gegen Russland vom 24. Juni 2024 bringt tiefgreifende Änderungen, die speziell den Schutz von IP-Lizenzen und Geschäftsgeheimnissen betreffen. Unternehmen müssen nun verstärkt auf die Einhaltung neuer Vorschriften achten, darunter die Erweiterungen der "No-Russia-Klauseln" und "Best-Effort"-Verpflichtungen. Dieser Artikel analysiert die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf geistige Eigentumsrechte und NDAs und gibt Handlungsempfehlungen, um rechtliche Risiken zu minimieren und Compliance-Anforderungen im Unternehmen sicherzustellen.


 


 

Geistiges Eigentum und Russland: 14. Sanktionspaket der EU betrifft auch IP-Rechte - Handlungsbedarf ab Dezember 2024!​

Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sah sich die Europäische Union (EU) gezwungen, zusammen mit den G7-Staaten eine Reihe von Sanktionen gegen Russland zu verhängen.  

 
Am 24. Juni 2024 haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf den Erlass des zwischenzeitlich 14. Sanktionspakets zur Ausweitung der Sanktionsmaßnahmen gegen Russland geeinigt. Das Sanktionspaket enthält insbesondere Maßnahmen gegen die Umgehung von bestehenden Sanktionen sowie Maßnahmen zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, also Patente, Marken, Urheberrechte und sonstige IP-Rechte (zum Sanktionspaket allgemein)​. Obwohl eine befürchtete Ausweitung der Haftung für drittstaatliche Tochtergesellschaften (noch) nicht in die Verordnung aufgenommen wurde, erfordert die Erweiterung des Sanktionspakets von betroffenen Unternehmen substanzielle Anpassungen.

 

No Russia Klauseln in Lizenzverträgen​

Bereits mit dem 12. Sanktionspaket im Dezember 2023 hat die EU mit Art. 12g VO (EU) 833/2014 Unternehmen für Ausfuhren ab dem 20. März 2024 verpflichtet, in ihren Verträgen über den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr von Gütern und Technologien in Drittländer eine Klausel aufzunehmen, die die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagt (sog. No-Russia-Klausel).
 
Zu diesen Gütern und Technologien gehören unter anderem solche, die wichtig für die Energiewirtschaft sind, etwa bestimmte Maschinen oder Ausrüstungen, die für die Förderung oder Produktion von Öl oder Gas eingesetzt werden.
 
Mit dem nun neu eingeführten Art. 12ga VO (EU) 833/2014 sollen künftig auch Transaktionen im Zusammen​­hang mit der Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums oder Geschäftsgeheimnissen Einzug in die Vorgaben erhalten. Dies sind vor allem Lizenzverträge, aber auch IP-Kaufverträge. So müssen EU-Unternehmen ab dem 26. Dezember 2024 vertraglich sicherstellen, dass die Nutzung dieser Rechte im Zusammenhang mit Gütern des Anhang XL, die für den russischen Markt bestimmt sind (sog. Common Priority Goods), untersagt wird. Hierzu gehören Güter aus der Metallverarbeitung, Elektronik und IT, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrt sowie Mess- und Prüftechnik (die Verordnung und Anhang XL sind hier abrufbar).

 
Ausgenommen von der Verpflichtung sind Verträge, die vor dem 25. Juni 2024 geschlossen wurden und bis zum 26. Juni 2025 erfüllt werden. Auch bei Altverträgen, die vor der Annahme des 12. Sanktionspaketes (vor dem 19. Dezember 2023) geschlossen wurden und bisher nicht abgelaufen sind, gibt es eine Umsetzungsfrist. Diese läuft bis zum 1. Januar 2025. Angesichts des Fristablaufs für diese Altverträge zum Jahreswechsel – also in einer Zeit, in der viele Unternehmen Betriebsferien haben oder viele Mitarbeiter im Urlaub sind – sollte auch dieses Datum im Blick behalten werden.

 
Wichtig zu wissen: Die Neuregelung in Art. 12ga VO (EU) 833/2014 erstreckt sich auch auf die Weiterleitung von Rechten durch Unterlizenznehmer. Zudem muss die Klausel angemessene Abhilfemaßnahmen bei Verstößen gegen die Vorgaben enthalten.

 
Zur effektiven Verhinderung der Umgehung der Russland-Sanktionen hat die EU mit dem neuen Art. 8a VO (EU) 833/2014 zudem eine „Best-Effort“-Verpflichtung eingeführt. Unternehmen sind angehalten, sich nach besten Kräften dafür einzusetzen, dass ihre Tochtergesellschaften im Ausland keine Tätigkeiten ausüben, die den Sanktionen zuwiderlaufen. Tochterunternehmen aus Drittstaaten fallen zwar grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Sanktionsvorschriften. Mit Einführung der neuen Compliance-Vorschrift in Art. 8a haben sich die Handlungspflichten für EU-Mutterunternehmen in Bezug auf ihre drittstaatlichen Tochterunternehmen jedoch nun verschärft.
 
 

Energiewirtschaft

 

Erstmals umfasst ein europäisches Sanktionspaket nun auch den russischen Flüssigerdgassektor. Die Neuregelungen zielen darauf ab, Russlands Einnahmen aus dem Verkauf und Transport von LNG zu schmälern – ein vollständiges Einfuhrverbot ist allerdings weiterhin nicht geplant.

 

 

Zunächst wurde Art. 3a Abs. 1a Verordnung (EU) 833/2014 insoweit angepasst, als sich das bereits geltende Verbot, neue Beteiligungen an außereuropäischen Unternehmen im russischen Energiesektor einzugehen, nun auch explizit auf Bauprojekte im LNG-Sektor erstreckt.

 

 

Ein zentrales Element der Sanktionen bildet zudem der neue Art. 3r Verordnung (EU) 833/2014, welcher ein Verbot der Wiederausfuhr von russischem LNG, insbesondere die „Umladung“ auf EU-Territorium für den Weitertransport in Drittländer regelt. Die Neuregelung betrifft sowohl Schiff-zu-Schiff- als auch Schiff-zu-Land-Umladungen. Sie gilt nicht für Wiederverladedienste, die für die Bunkerung von mit LNG betriebenen Schiffen zwingend erforderlich sind.

 

 

Art. 3t Verordnung (EU) 833/2014 verbietet die Unterstützung von im Bau befindlichen LNG-Projekten durch die unmittelbare oder mittelbare Bereitstellung von Gütern, Technologien bzw. Finanzierungshilfen und Dienstleistungen an russische Organisationen und Einrichtungen. In der Praxis betrifft diese Neuregelung, insbesondere die Projekte „Arctic LNG 2” und „Murmansk LNG”.

 

 

Art. 3u Verordnung (EU) 833/2014 umfasst Einfuhrbeschränkungen sowie das Verbot unmittelbarer oder mittelbarer technischer oder finanzieller Unterstützung für russisches LNG über bestimmte, nicht an das Erdgasnetz angeschlossene, Terminals in der Union. Ausgenommen ist die Lieferung von LNG vom Festland eines Mitgliedstaats an seine Gebiete in äußerster Randlage.


 

Maßnahmen zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums​

Mit dem neu einge­führten Art. 5s VO (EU) 833/2014 gilt ein Verbot der Annahme von Anträgen für die Eintragung neuer Marken, Patente und anderen Schutzrechten durch die europäischen Ämter für geistiges Eigentum, wenn diese Anträge von russischen Staatsangehörigen oder natürlichen und juristischen Personen mit Wohnsitz in Russland bzw. Organisationen oder Einrichtungen mit Sitz in Russland gestellt werden. Die Regelung gilt ebenfalls, wenn die Anträge gemeinsam mit nicht-russischen natürlichen oder juristischen Personen mit Wohnsitz (bzw. Sitz) außerhalb Russlands eingereicht werden. Das Verbot erstreckt sich auch auf Anträge, die während laufender Registrierungsverfahren im Zusammenhang mit den Rechten des geistigen Eigentums gestellt werden. 

 
Ausgenommen von der Regelung sind Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats, eines dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Landes oder der Schweiz sowie natürliche Personen, die über eine befristete oder unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für eines dieser Länder verfügen.

 

Derzeitige Amtspraxis von DPMA, EUIPO und WIPO​

Das Sanktionspaket enthält keine Hinweise, welche spezifischen Mechanismen auf Seiten der Markenämter implementiert werden sollten, um die Einhaltung der Maßnahmen sicherzustellen. Es lässt auch offen, wie die Ämter mit unzulässigen Anträgen umgehen sollen, führt aber aus, dass diese nicht verpflichtet sein sollen, eine förmliche Ablehnungsentscheidung zu erlassen. Das hieße, dass eine erneute Einreichung möglich ist, sobald die derzeitige Beschränkung aufgehoben wird.

 
Wie halten es DPMA, EUIPO und WIPO daher mit der Umsetzung des 14. Sanktionspaketes?

 
Das Deutsche Patent und Markenamt (DPMA) mit Sitz in München hat mit Hinweis seiner Präsidentin vom 19. Juli 2024 auf die Neuerungen durch das 14. Sanktionspaket hingewiesen und durch ihre Mitteilung vom 9. August 2024​ Details zu den Neuerungen für Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt bekannt​­gegeben. 

 
Wichtig zu wissen: Es gibt hier neue Formvorschriften des DPMA, die es bei der Angabe des Wohnortes bzw. der Staatsangehörigkeit von Verfahrensbeteiligten, die natürliche Personen sind, zu beachten gilt (sog. Zusatzerklärung von natürlichen Personen für Anträge/Anmeldungen und Einreichungen aufgrund des 14. Sanktionspakets gegen Russland i.S. des Art. 5s Abs. 1 VO (EU) 833/2014)).

 
Ausweislich der Website des European Union Intellectual Property Office (EUIPO) und einer telefonischen Auskunft von dort gibt das EUIPO noch keine Informationen zur Umsetzung des 14. Sanktionspakets gegen Russland. Auch findet sich im digitalen Anmeldeverfahren der EUIPO noch keine Beschränkungen für An​­mel­dungen aus der Russischen Föderation oder von russischen Staatsbürgern.

 
Auch die Word Intellectual Property Organization (WIPO) hat zum 14. Sanktionspaket noch keine Stellung­nahme veröffentlicht. Auf ihrer Homepage befindet sich bislang nur ein Appell​ an die nationalen Markenämter, die in den Internationalen Schutzrechtsabkommen vorgesehenen Fristen so flexibel wie möglich zu handhaben.

 
Die WIPO agiert überwiegend digital und bietet mehrere Systeme zur Beantragung von Schutzrechten des geistigen Eigentums an:

 
-das Patent Cooperation Treaty (PCT) - für die Patentierung von Erfindungen in allen Ländern, die mit der WIPO zusammenarbeiten;
  • das „Madrider System“ für die Registrierung von Marken;
  • das „Haager System“ für die Patentierung von gewerblichen Mustern und Modellen;​
  • das „Lissabonner System“ für die Eintragung von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen.

 
Keines dieser Systeme verfügt bislang über technische oder anderweitige Beschränkungen für Anmeldungen aus der Russischen Föderation oder von russischen Staatsbürgern.

 
Die WIPO hält bislang auch ihre Arbeit mit den nationalen russischen Ämtern aufrecht, einschließlich der Registrierung von Marken in Zusammenarbeit mit Rospatent. Auch Informationen über bevorstehende Veranstaltungen in Moskau werden auf der offiziellen Website der WIPO veröffentlicht. Es bleibt abzuwarten, wie die Amtspraxis fortgesetzt wird.

 

Ausblick​

Für europäische Unternehmen bringt das 14. Sanktionspaket neuen Handlungsbedarf mit sich. 
 
 
Während die Einfuhr von russischem Flüssigerdgas in die Europäische Union zunächst zulässig bleibt, verdeutlichen die neu eingeführten Regelungen in den bisher unangetasteten LNG-Sektor, dass die Union weiterhin langfristig eine vollständige Unabhängigkeit von russischen Energieressourcen anstrebt.

 
Aufgrund der Erweiterung der No-Russia-Klausel sind Unternehmen dringend angehalten, ihre bestehenden Lizenzverträge zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Gerne unterstützen wir Sie bei der rechtssicheren Umsetzung der neuen Vorgaben in Ihre Vertragsstrukturen.

 
Obwohl Tochtergesellschaften in Drittstaaten derzeit keine vertragliche No-Russia-Klausel einfügen müssen, sollten Unternehmen aufgrund der Schwerpunkte der letzten Sanktionspakete, in deren Fokus die Verhin­derung von Umgehungen der Sanktionen steht, ihre Geschäftsbeziehungen in Drittstaaten verstärkt kon­trollieren. Durch die Neuregelung des 14. Sanktionspakets stehen Unternehmen vor der Herausforderung, die neuen „Best-Effort“-Verpflichtungen aus Art. 8a VO (EU) 833/2014 in praxistaugliche Lösungen umzusetzen – wobei noch offen ist, wie bzw. nach welchen Kriterien die zuständigen nationalen Behörden die Einhaltung der von der Verordnung geforderten „Bemühungen“ überprüfen werden.​
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