Branchenspezifische Beratung für Unternehmen des Life Science-Sektors

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veröffentlicht am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten

Interview mit Dr. Barbara Klaus



FRAU DR. KLAUS, WAS VERSTECKT SICH ÜBERHAUPT HINTER DEM GEFLÜGELTEN WORT DER „LIFE SCIENCES” UND WELCHE UNTERNEHMEN SIND IN DEM SEKTOR TÄTIG?

Der Begriff der Life Sciences umfasst all jene Wissenschaften, die sich mit Prozessen oder Strukturen von Lebewesen beschäftigen – sprich neben Biologie auch verwandte Bereiche wie Medizin, Medizintechnik, Biomedizin, Biochemie, Molekularbiologie, Biophysik, Bioinformatik, Pharmakologie, Agrochemie und Ernährungswissenschaft. Life Science-Unternehmen arbeiten in den Bereichen und entwickeln bzw. ver­markten Produkte sowie Dienstleistungen, die unter Anwendung dieser Wissenschaften hergestellt werden. Zur Life Science-Industrie gehören bspw. Pharma- und Medizin­produkte­unternehmen, Nanotechnologie-, Lebensmittel- und Chemie­unternehmen sowie in der Bio­techno­logie, Kosmetik- und Agrarbranche tätige Firmen. Life Science-Produkte umfassen eine breite Palette, angefangen von Arzneimitteln und Medizin­produkten, über Lebens- und Futtermittel sowie Lebens­mittel­kontakt­materialien, andere Verbraucherprodukte wie Kosmetika, Textilien, Spielzeug, Möbel, Wasch- und Reinigungs­mittel, bis hin zu agrochemischen Produkten, wie Dünger und Pflanzen­schutzmittel.


WIE WÜRDEN SIE DIE AKTUELLEN MARKTCHANCEN FÜR DIE LIFE SCIENCE-INDUSTRIE BESCHREIBEN?

Die Life Science-Industrie ist gekennzeichnet von Spezialisierung bzw. Internationalisierung und der Entwicklung zielgerichteter Produkte. Nicht zuletzt die Covid-19-Krise führt die Bedeutung dieser Branche klar vor Augen. So ist die Nachfrage nach Produkten der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie der Medizintechnik-Unternehmen und der Lebensmittelbranche (z.B. nach „gesunden” Lebensmitteln und Nahrungs­ergänzungs­mitteln) stark gestiegen, auch wenn es freilich durch den Lockdown und den damit verschobenen Operationen sowie Rückgängen beim Export zu Umsatzrückgängen gekommen sein mag. Jedenfalls hat sich erneut gezeigt, dass Life Science-Produkten eine überaus große Bedeutung zukommt.

Man denke nur an Impfstoffe, die entwickelt werden, sowie an Arzneimittel, die neu erprobt oder sogar neu erfunden werden. Hinzu kommen Diagnostika wie Tests zur Detektion einer Infektion mit SARS-CoV-2, Beatmungs­geräte, Schutzmasken und -kleidung, Corona Warn-Apps, Kunststoffe für Verpackungen zur Verlängerung der Haltbarkeit und den Kontaminations­schutz von Lebensmitteln sowie Desinfektions­mittel, die nun zunehmend auch von Unternehmen aus der Kosmetik- und Körperpflegebranche produziert und vertrieben werden.

Auch Unternehmen, die bislang in anderen Industriebereichen tätig waren, haben die Chance genutzt und vollkommen neue Geschäftszweige für Produkte geschaffen, deren Nachfrage bedingt durch die Corona-Pandemie gestiegen ist. Sie hat sich zudem als Beschleuniger der Digitalisierung erwiesen, gerade auch im Gesundheitssektor. Davon profitieren v.a. Unternehmen, die bereits in ihre digitale Transformation investiert haben, u.a. ein Großteil der Life Science- und Konsumgüterindustrie.

Das geht alles Hand in Hand mit einem neuen Bewusstsein für die absolute Notwendigkeit, den Umweltschutz voranzutreiben und Abfälle zu vermeiden bzw. zu recyclen. Erkannt hat das die Europäische Kommission im Übrigen bereits vor Ausbruch der Covid-Pandemie in Europa. Der am 11. Dezember 2019 vorgestellte „European Green Deal” enthält einen Fahrplan, der die Wirtschaft in der EU nachhaltiger machen soll. Die angestrebte Verknüpfung von Klimaschutz und Wirtschaftswachstum stellt damit gerade auch für die Life-Science-Branche eine Chance für Innovation dar.


WELCHE HERAUSFORDERUNGEN ERGEBEN SICH FÜR DIE LIFE SCIENCEINDUSTRIE?

Die neuen Entwicklungen stellen uns in der Tat vor große rechtliche Herausforderungen. Darauf müssen im Life Science-Bereich tätige Unter­nehmen ebenso innovativ wie kompetent reagieren. Der herkömmliche Rechts­rahmen muss auf neue Sach­verhalte angewendet werden. Das führt besonders auch die Covid-Pandemie deutlich vor Augen. So gilt bspw. das traditionelle Wettbewerbs- und Kartellrecht unverändert fort; die durch Corona bedingten veränderten Markt­gegeben­heiten sind jedoch bei der Auslegung und Anwendung zu berücksichtigen. Die durch die Ausnahmesituation hervorgerufenen Probleme im Gesundheits­wesen sowie die weltweiten Lockdowns haben den Rückgriff auf digitale Kommunikation notwendig gemacht –  u.a. bei der Patienten­kommunikation. Es sind die bereits bestehenden rechtlichen Rahmen­bedingungen zu beachten, insbesondere der Datenschutz, das Heilmittelwerberecht sowie die herkömmlichen Regeln zum fairen Wettbewerb.

Trotz des exponentiell angestiegenen Bedarfs nach persönlicher Schutzausrüstung, z.B. nach Schutzanzügen und -brillen sowie Medizin­produkten wie Operationsmasken und Covid-19-Tests, dürfen solche Produkte nicht einfach ungeprüft importiert bzw. in der EU in Verkehr gebracht werden. Vielmehr gelten strenge Gesundheits- und Sicherheits­anforde­rungen sowie Qualitäts­vorgaben. Erst kürzlich wurde der Rechtsrahmen für Medizin­produkte reformiert. Auf die Neuerungen müssen sich die Unternehmen, die die wirtschaftlichen Chancen durch die gestiegene Nachfrage an solchen Produkten nutzen wollen, entsprechend einstellen.

Die Komplexität des Life Science-Rechts ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass es sich um eine interdisziplinäre Querschnittsmaterie handelt: Neben regulatorischen Anforderungen sind auch zahlreiche Vorschriften des herkömmlichen Wirtschafsrechts zu beachten. So spielt das Markenrecht für Life-Science-Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Produkte eine große Rolle. Wer innovative Produkte – wie Cannabidiol-Produkte, um nur eines der vielen Beispiele zu nennen – am Markt anbieten und bewerben will, sollten sich vorab neben regula­torischen Fragen auch mit möglichen strafrechtlichen Risiken auseinandersetzen. Aufgrund der Komplexität des Regelungsumfelds im Life Science-Sektor ist es zudem ratsam, zur Vermeidung von Haftungs­risiken die innerbetriebliche Delegation von unternehmerischen Pflichten in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus ist ein angemessenes Compliance Management wichtig, um die Fülle der gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.

Vorausschauend zu berücksichtigen sind bei der Geschäftstätigkeit von Life Science-Unternehmen auch immer Gesetzgebungs­vor­haben auf EU und nationaler Ebene. Abzusehen ist z.B., dass angesichts der im European Green Deal angekündigten Ziele im Abfallrecht neben der derzeit in der Umsetzung begriffenen Reform weitere Maßnahmen zwecks nachhaltiger Ressourcennutzung folgen werden. Das wird gerade für die Life Science-Industrie gesteigerte umweltbezogene Sorgfaltspflichten zur Folge haben. Aber auch hier gilt: Herausforderung und Change gehören zusammen wie zwei Seiten einer Medaille; umweltfreundliches Ver­hal­ten kann gezielt bei der produkt- und unternehmensbezogenen Werbung kommuniziert werden. „Green Claims” sind zulässig, solange sie nicht im „Greenwashing” enden. Diese Grenzziehung ist oftmals eine Gratwanderung, wobei wir wieder bei den Herausforderungen sind, denen Life Science-Unternehmen gewachsen sein müssen, gerade auch mit Blick auf ihre Kommunikation zur Absatzförderung. Das gilt gerade auch für den Pharma- und Lebensmittelsektor. Während für Arzneimittel schon seit langem strenge Werberegeln gelten, wird auch für Lebensmittel die Ernährungs- und Gesundheitsbezogene Werbung zunehmend reguliert. Als aktuelles Beispiel sei die neue freiwillige Nährwertkennzeichnung „Nutri-Score” genannt.

Weitere für den Life Science-Bereich relevante Maßnahmen sind im Lichte des European Green Deal für die Verwendung von Chemikalien in gewerblichen wie Verbraucherprodukten zu erwarten – und das sowohl für den Umwelt- also auch Gesundheitsschutz. Bereits jetzt sind zahlreiche Mechanismen zur Erreichung der Ziele in Kraft. Man denke nur an die neu eingerichtete SCIP-Datenbank für Erzeugnissen, die besonders besorgnis­erregende Stoffe enthalten, um eine geeignete Abfallbehandlung zu gewährleisten. Oder aber an die Reform des Düngemittelrechts, um u.a. im Einklang mit der Kreislaufwirtschaft gewonnenen organischen Düngemitteln den Marktzugang zu erleichtern.

Aus unserer Beratungspraxis wissen wir zudem, welche komplexen Fragestellungen die Internationalisierung mit sich bringt, die in der Life Science-Industrie ein wichtiges Tool für das wirtschaftliche Wachstum darstellt. Denn es müssen nicht nur die sektorspezifischen rechtlichen Anforderungen im jeweiligen Vermarktungsland überprüft werden. Auch Kenntnisse im Außenhandelsrecht, z.B. im Zusammenhang mit der Exportkontrolle sind gefragt. Geht es bei der Internationalisierung um den Erwerb von in Deutschland ansässigen Unternehmen durch ausländische Investoren, ist aufgrund der Corona-Pandemie insbesondere die Ausweitung der Investitions­prüfung auf kritische Bereiche des Gesundheitssektors zu beachten.


Frau Dr. Klaus, wie kann Rödl & Partner Unternehmen der Life Science Branche in ihrer komplexen Arbeit unterstützen?

Wie Sie sehen ist kaum eine Branche so vielfältig wie die der Life Sciences mit ihrer Fülle an Produkten, Dienstleistungen und Wissenschaften. Ebenso vielfältig sind daher die Rechtfragen, denen sich Unternehmen die in dem Sektor tätig sind, stellen müssen, um die notwendige Compliance sicherzustellen. Nicht nur recht­licher Sachverstand, sondern auch technische und wissenschaftliche Kenntnisse sind gefragt, um komplexe Sachverhalte bewerten und lösen zu können. Rödl & Partner ist ein international aufgestelltes Unterneh­men mit langjähriger Beratungserfahrung in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts. Im Themenfeld Life Sciences, das eine Vielzahl von Rechtsgebieten berührt, bündeln wir das Know-how unserer spezialisierten Anwälte und bieten Unternehmen aus dieser Branche eine kompetente und interdisziplinäre Beratung und Rechtsvertretung an. Als globale Rechtsberater mit 109 eigenen Standorten in 49 Ländern stellen wir zudem die grenz­über­schreitende und umfassende Beratung international expandierender Life Science-Unternehmen sicher, indem wir weltweit Expertise in Spezialgebieten anbieten. Praxisnah und aus einer Hand.

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