Sozialversicherungsfreiheit von Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern

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veröffentlicht am 3. März 2017

von Corinna Hielscher

 

​Immer wieder stellt sich in Unternehmen die Frage, ob Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH der allgemeinen Sozialversicherungspflicht unterliegen oder Sozialversicherungsfreiheit besteht. Denn anders als bspw. beim Vorstand einer AG ist die Sozialversicherungspflicht im Falle des Geschäftsführers einer GmbH nicht automatisch durch die Organstellung ausgeschlossen.
 

  

Für Unternehmen und die handelnden Organe ergibt sich hieraus eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit, ob die Dienstverhältnisse der als Geschäftsführer beschäftigten Gesellschafter ordnungsgemäß abgewickelt werden und im Rahmen von Betriebsprüfungen unbeanstandet bleiben. Grund dafür ist, dass die Unternehmen für die ordnungsgemäße Abführung der Sozialversicherungsbeiträge haften. Fehler hierbei können daneben sowohl ordnungswidrigkeitsrechtlich sowie strafrechtlich relevant sein. Vor dem Hintergrund sind die richtige sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Geschäftsführerdienstverhältnisse sowie deren ordnungsgemäße Abwicklung von elementarer Bedeutung für die Unternehmen und deren Organe.
 
Bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern wird zunächst zwischen verschiedenen Fallgruppen unterschieden. Bei Mehrheitsgesellschaftern einer GmbH kann eindeutig bestimmt werden, dass sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, da sie aufgrund ihrer Mehrheitsbeteiligung nicht als „abhängig beschäftigt” zu beurteilen sind. Hintergrund ist, dass sie die Entscheidungen der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen und damit selbst nicht den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen.
 

Unsicherheit bei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern

Anders ist es  bei sog. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern, d.h. Gesellschaftern, die weniger als 50 Prozent der Anteile an einer Gesellschaft besitzen und damitkeinen oder zumindest keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft haben.
 
Für Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer gilt i.d.R., dass sie als „abhängig” und damit als sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu beurteilen sind, sofern sie aufgrund ihrer (geringeren) Beteiligung keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung ausüben können. Nur in Ausnahmefällen erkennen Sozialversicherungsträger und Rechtsprechung bei ihnen eine Sozialversicherungsfreiheit an. Zu beachten ist hierbei, dass bei der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status dieser Personengruppe die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren immer restriktiver geworden ist.
 
Maßgebend für die Entscheidung, ob eine Sozialversicherungsfreiheit im Ausnahmefall anerkannt wird, ist die Frage, ob der Geschäftsführer „abhängig” beschäftigt ist, d.h. ob er den Weisungen der Gesellschaft unterliegt, oder als selbstständig beurteilt wird.
 
Bei der Beurteilung dieser Frage ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob der Geschäftsführer bei Ausübung seiner Tätigkeit persönlich abhängig ist. Dabei wird u.a. geprüft, ob er in den Betrieb der Gesellschaft eingegliedert ist, in Bezug auf Ort, Zeit, Dauer und insbesondere Ausübung seiner Tätigkeit dem Weisungsrecht der Gesellschaft unterliegt, oder ob er seine Tätigkeit und Arbeitszeit im Wesentlichen frei gestalten kann und ein eigenes unternehmerisches Risiko trägt.
 
Maßgebend ist das Gesamtbild der Tätigkeit, das sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Das sind zum einen die rechtlich relevanten Umstände, insbesondere die vertraglichen Vereinbarungen, die gesellschaftsrechtlichen Regelungen sowie die gesetzlichen Vorschriften. Zum anderen kommt es auf die gelebte Praxis an. Hier gilt aufgrund der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts („BSG”) immer stärker der Grundsatz, dass zwar die gelebte Praxis nach wie vor noch entscheidende Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung haben kann, jedoch sind die rechtlichen Rahmenbedingungen maßgeblich, innerhalb derer die Praxis gelebt wird. Den rechtlichen Verhältnissen kommt daher immer mehr Bedeutung zu.
 

Exkurs:

Allein der Umstand, dass einem Geschäftsführer vollkommen freie Hand bei sämtlichen Entscheidungen gegeben wird und er faktisch – ggf. aufgrund seines besonderen Knowhows oder besonderer familiärer Bindungen – keinen Weisungen unterliegt, reicht nach der neueren Rechtsprechung nicht mehr aus, wenn aufgrund der rechtlichen Verhältnisse diese Freiheit theoretisch eingeschränkt werden könnte. Für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers werden daher die rechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten des Betroffenen immer wesentlicher.

Es ist deshalb wichtig, dass sich aus den rechtlichen Verhältnissen, insbesondere dem Gesellschaftsvertrag und dem Geschäftsführerdienstvertrag, ergibt, dass der Geschäftsführer im Wesentlichen weisungsfrei, also nicht abhängig, beschäftigt ist. Das wird immer dann angenommen, wenn der Geschäftsführer die Möglichkeit hat, „nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden”.
 

Umfassende Sperrminorität

Höchstrichterlich anerkannt ist das z.B. in Fällen, in denen der Gesellschafter-Geschäftsführer eine sog. Sperrminorität, d.h. die Möglichkeit trotz Minderheitsbeteiligung bei Abstimmungen einen bestimmten Beschluss zu verhindern, besitzt. Die Sperrminorität darf sich aber nicht nur bspw. auf die Festlegung der Unternehmenspolitik, und/oder die Auflösung der Gesellschaft beschränken, sondern muss sich tatsächlich auf die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen. Wichtig dabei ist, dass auch eine Änderung der entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen im Zusammenhang mit der Sperrminorität nicht ohne Zustimmung des Geschäftsführers möglich sein darf.
  
Nach neuerer unterinstanzlicher Rechtsprechung (SG Reutlingen, Urt. v. 28.06.2016 – AZ. S 8 R 1775/14) soll es hingegen bereits ausreichen, wenn gesellschaftsrechtlich vereinbart ist, dass eine Änderung des Geschäftsführerdienstvertrag sowie die Abberufung des Geschäftsführers der Zustimmung des Gesellschafter-Geschäftsführers bedarf. Wichtig ist aber auch hier, dass diese Regelungen nicht ohne die Zustimmung des Betroffenen geändert werden dürfen.
 
Sollte sich diese Rechtsprechung durchsetzen, könnte es künftig eine Möglichkeit sein, den Weg in die Sozialversicherungsfreiheit für Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer zu vereinfachen, da hier keine umfassende Sperrminorität in sämtlichen wesentlichen Belangen der Gesellschaft erforderlich wäre. Es bleibt abzuwarten, ob es nur eine Einzelfallentscheidung bleiben oder auch höchstrichterlich bestätigt werden wird.
   

Schuldrechtliche Sondervereinbarungen

Schuldrechtliche Sondervereinbarungen, wie z.B. schuldrechtliche Stimmbindungsvereinbarungen oder eine schuldrechtlich vereinbarte Weisungsfreiheit, werden hingegen in der Rechtsprechung nicht mehr als allein ausreichend für die Begründung einer Sozialversicherungsfreiheit beurteilt. Das wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Regelungen ohne Einflussnahmemöglichkeit des betroffenen Geschäftsführers wieder aufgehoben bzw. widerrufen werden können.


Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer die Frage der Sozialversicherungsfreiheit immer stärker von den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen abhängt. Allein eine faktische Weisungsfreiheit wird künftig nicht mehr ausreichen, um eine Sozialversicherungsfreiheit zu begründen. Soll ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerdienstverhältnis demnach sozialversicherungsfrei ausgestaltet werden, muss ein Augenmerk darauf gelegt werden, welche besonderen Rechte dem Betroffenen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene eingeräumt werden sollen. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten und mögliche wirtschaftliche und rechtliche Risiken einer fehlerhaften Abwicklung zu vermeiden, sollte – insbesondere vor dem Hintergrund der immer strenger werdenden Rechtsprechung in diesem Zusammenhang – stets eine Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status eines Gesellschafter-Geschäftsführers nach Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens erfolgen.

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