EU-Russland-Sanktionen: Zunehmend Führungsriege im Fokus der Ermittlungs­​behörden

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​veröffentlicht am 5. März 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Mit den kontinuierlich erweiterten Sanktionen der EU gegen Russland – jüngst erneut durch das 13. Sanktionspaket – steigt das Risiko für Sanktionsverstöße in Unter­neh­men. Hinzu tritt, dass gut zwei Jahre nach Kriegsbeginn eine Welle von Ermitt­lungs­verfahren durch die zuständigen Ermittlungsbehörden, namentlich Zoll­fahn­dungen und Staatsanwaltschaften, herangerollt ist. Im Fokus stehen dabei allen voran Mitglieder der Geschäftsführung bzw. des Vorstands. Deren persönliche straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit ist signifikant. Wer Verstöße im eigenen Unter­nehmen verhindern will, muss dringend handeln und laufend am Ball bleiben. Ein Blick durch die Brille der Strafverteidigung und Sanktions-Compliance.


  

Straf- und bußgeldrechtliche Folgen

Verstöße gegen die EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus können in zahlreichen Fällen als Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden. Hinzu tritt die Befugnis der Verfolgungsbehörden, Gegenstände oder Erträge aus der Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit einzuziehen.
  

Straftaten

Maßgebliche Strafvorschrift ist § 18 des Außenwirtschaftsgesetzes, kurz AWG, der eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, wenn z.B. gegen EU-Sanktionen oder die Dual-Use-VO verstoßen wird, solange dies zumindest bedingt vorsätzlich geschieht. Bereits an dieser Stelle zeigt sich, wie ernst es der Gesetzgeber mit den Sanktionsverstößen meint. Eine „bloße“ Geldstrafe kommt bei einem strafbaren Verstoß gegen die EU-Russland-Sanktionen nicht mehr in Betracht, sondern ausschließlich Freiheitsstrafe, die allenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
  
In diesem Zusammenhang ist vor allem § 18 Abs. 1 Nr. 1a) AWG zu beachten. Hiernach wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer einem Verbot (z.B. Ausfuhr-, oder Verkaufsverbot) zuwider­handelt, das in einer EU-Sanktionsverordnung geregelt ist. Typisch für solche Verbote ist die Ausfuhr von Waren, die in den Anhängen der Sanktionsverordnung VO (EU) 833/2014 gelistet sind. 
  
In diesem Zusammenhang birgt nicht nur die mittlerweile beträchtliche Menge an gelisteten Waren, sondern vor allem auch der Umstand Haftungsrisiken, dass bereits der Vertragsabschluss als solcher verbotswidrig sein kann – unabhängig davon, ob die betreffenden Waren anschließend ausgeführt werden oder nicht.
  

Ordnungswidrigkeiten 

Für den Fall, dass ein vorsätzliches Handeln nicht nachweisbar ist, ordnet § 19 AWG zudem Bußgelder für fahrlässige Verstöße gegen die EU-Sanktionen an. Adressat der Geldbuße können sowohl das Unternehmen als auch die für dieses verantwortlich handelnden natürlichen Personen sein (§§ 9, 30, 130 OWiG). Im Fall der vorsätzlichen Straftat im Unternehmen kann eine Geldbuße in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro, im Fall der Ordnungswidrigkeit in Höhe von bis zu 500.000 Euro verhängt werden. 
  
Ein jüngerer Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zur Definition von Straftatbeständen und Sank­tionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union sieht zudem die Verhängung von „Geldstrafen“ gegen juristische Personen vor, deren Höchstmaß mindestens 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes im voraus­gegangenen Geschäftsjahr betragen können soll. Sollte der vorgenannte Vorschlag angenommen und in nationales Recht umgesetzt werden, könnten künftig im Einzelfall also noch deutlich höhere Sanktionen drohen.
  
Daneben bestehen zudem geldwäscherechtliche Risiken, z.B. wenn die Pflichten des GwG-Verpflichteten nicht angemessen erfüllt und dadurch gegen Bereitstellungsverbote verstoßen oder Sanktionen allgemein umgangen werden. 
  

Einziehung

Neben die vorgenannten unmittelbaren Haftungsrisiken tritt ggf. die sogenannte Einziehung. Diese wird von den zuständigen Verfolgungsbehörden beantragt bzw. Gerichten angeordnet, um die wirtschaftlichen Vorteile, die der Betroffene aus dem Sanktionsverstoß zieht, abzuschöpfen. Eingezogen werden können dabei nicht nur die Gegenstände, auf die sich die Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezieht, namentlich die aus- oder einge­führten Güter, sondern auch der Veräußerungserlös. Letztgenannter wird nach dem sog. Bruttoprinzip grund­sätzlich ohne Abzug etwaiger Aufwendungen des Betroffenen eingezogen, was je nach wirtschaftlicher Lage ein erhebliches Liquiditäts- wenn nicht sogar Insolvenzrisiko mit sich bringt. 
  

Verantwortlichkeit

Die Verantwortlichkeit für die genannten Verstöße liegt in Unternehmen grundsätzlich bei der Geschäftsleitung, also z.B. Geschäftsführungs- oder Vorstandsmitglieder. Ihnen wird seitens der Rechtsprechung ein hohes Maß an Sorgfalt abverlangt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist es den am Außen­wirt­schafts­verkehr teilnehmenden Personen zumutbar, sich über den jeweiligen Stand der für ihr Unternehmen einschlä­gigen Bestimmungen zu informieren. Eine Aufgabendelegation, z.B. an einen Ausfuhrverantwortlichen oder Exportkontrollbeauftragten, entbindet die Geschäftsleitung im Übrigen nicht von entsprechenden Kontroll- und Überwachungsaufgaben. Auch ein Organisationsverschulden – in der Regel das sorgfalts­pflichtwidrige Untätigbleiben trotz erkennbarer Sanktionsrisiken – kann insoweit eine straf- bzw. bußgeldrechtliche Haftung begründen.
  

„Selbstanzeige“

Im Außenwirtschaftsrecht existiert schließlich keine strafbefreiende Selbstanzeige. Lediglich im Fall bestimmter Ordnungswidrigkeiten besteht die Möglichkeit der Behörden, gemäß § 22 Abs. 4 AWG von der Verfolgung abzusehen, wenn der Verstoß im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt und der zuständigen Behörde angezeigt wird sowie angemessene Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund getroffen werden. Letztgenannte Compliance-Maßnahmen können sich zudem bußgeldmindernd auswirken.
  

Abschließende Compliance-Schlussfolgerungen 

Die vorgenannten erheblichen straf- und bußgeldrechtlichen Risiken erfordern von der Geschäftsleitung entsprechende Compliance-Maßnahmen. Dies gilt spätestens infolge des 13. Sanktionspakets insbesondere auch für Unternehmen die sich mangels unmittelbarer geschäftlicher Verbindungen nach Russland bisher nicht oder kaum mit den EU-Sanktionen auseinandergesetzt haben. Denn neben weiteren russischen wurden insbesondere auch Unternehmen in Drittstaaten von strengeren Ausfuhrbeschränkungen erfasst, weil sie Russland bei seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine indirekt unterstützen. Betroffen sind dabei Unternehmen in China, Kasachstan, Indien, Serbien, Thailand, Sri Lanka und der Türkei. 
  
Angesichts der erneuten Verschärfungen der Sanktionen sowie der rasant ansteigenden Zahl an behördlichen Ermittlungsverfahren sind Verantwortliche in Unternehmen daher in aller Dringlichkeit dazu angehalten, die für sie geltenden Sanktionsvorschriften sorgfältig zu ermitteln und zu überprüfen. Nur so können Unternehmen eine regelungskonforme außenwirtschaftliche Tätigkeit sicherstellen. Andernfalls riskieren deren Verant­wortliche straf- bzw. bußgeldrechtliche Konsequenzen, die nicht nur das Unternehmen, sondern in erster Linie auch sie selbst persönlich treffen.
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