IBOR-Reform – Aktueller Stand und Handlungsbedarf

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veröffentlicht am 4. Dezember 2019 / Lesedauer ca. 3 Minuten
 

Vor dem Hintergrund jahrelanger Manipulationen werden die bisherigen Interbanken­zinssätze (Interbank Offered Rates, kurz: IBOR) bis zum 31. Dezember 2021 entweder vollständig abgelöst oder in ihrer Ermittlungsmethodik grundlegend modifiziert. Bereits seit dem 2. Oktober 2019 veröffentlicht die Europäische Zentralbank (EZB) den neuen Referenzzins €STR (Euro Short Term Rate). Bis Ende 2019 soll bei der Er­mittlung des EURIBOR eine neue Berechnungsmethode verwendet werden. Dadurch entsteht grundsätzlich bereits für das laufende Geschäftsjahr Handlungsbedarf.

  

  

Die aktuellen IBOR-Zinssätze nehmen als Referenzgröße eine Schlüsselfunktion auf den Finanzmärkten ein. Sie stellen in einer Vielzahl von Verträgen eine wichtige Referenzgröße dar. Zudem finden sie Eingang in zahlreiche Bewertungsmodelle, z.B. für Finanzinstrumente. Aufgrund der aufgedeckten Zinsabsprachen gerieten die Zinssätze zunehmend in die Kritik. Die EU verabschiedete als Reaktion darauf die EU-Benchmark-Verordnung (Verordnung (EU) 2016/1011 vom 8. Juni 2016), nach der die IBOR-Zinssätze künftig durch neue bzw. neu ermittelte sog. „Risk-Free Rates“ (RFR) abgelöst werden sollen.

 

Bereits seit dem 2. Oktober 2019 veröffentlicht die EZB den alternativen Referenzzinssatz €STR, der den EONIA ablösen soll. Am 2. Juli 2019 hat die belgische Finanzmarktaufsicht (FSMA) dem European Money Markets Institute (EMMI) die Zulassung als Administrator i.S. der EU-Benchmark-Verordnung erteilt und eine neue Berechnungsmethode genehmigt, die von allen beteiligten Banken bis spätestens Ende 2019 bei der Ermittlung des EURIBOR verwendet werden soll. Für bilanzierende Unternehmen gilt es daher, die Folgen der geplanten Zinssatzreform jetzt zu analysieren und den Übergang zu den neuen Referenzgrößen vorzubereiten.

 

Verträge und interne Prozesse

Aufgrund der breiten Verwendung von IBOR-basierten Verträgen werden Auswirkungen durch die IBOR-Reform nicht nur bei Banken erwartet, sondern auch bei vielen anderen bilanzierenden Unternehmen. Bestehende Verträge müssen angepasst werden; bei neu abzuschließenden Verträgen sollte ggf. ein Anpassungs­mechanismus eingebaut werden, der es ermöglicht, flexibel auf die Änderungen der Referenzzinssätze zu reagieren. Insbesondere bei Unternehmen mit einer hohen Anzahl an IBOR-basierten Verträgen sind weit­reichende Effekte auf unternehmensinterne Systeme und Prozesse zu erwarten.

 

Rechnungslegung und Berichterstattung

Außerdem können sich Folgen für die Rechnungslegung und Berichterstattung ergeben. IBOR-basierte Abzinsungssätze werden bei diversen Bewertungsmodellen verwendet, z.B. zur Ermittlung eines beizulegenden Zeitwerts. Insbesondere – aber nicht nur - für IFRS-Bilanzierende können Auswirkungen u.a. auf Rück­stellungen, Leasingverbindlichkeiten, Verbindlichkeiten aus Versorgungsplänen, Sachanlagen oder immaterielle Vermögenswerte folgen. Zusätzlich zu beachten, sind mittelbare Auswirkungen auf in Kredit­verträgen vereinbarte Covenants, falls sich aufgrund geänderter Zinssätze relevante Kennzahlen verändern. Werden durch die Änderung der Referenzzinsätze (Einzel-)Risiken erkannt, müssen sie im Lagebericht erläutert werden.

 

Sowohl nationale als auch internationale Standardsetter befassen sich derzeit mit möglichen Konsequenzen der IBOR-Reform. Das IASB hat am 26. September 2019 erste Änderungen an IFRS 9, IAS 39 und IFRS 7 mit Blick auf die Folgen der IBOR-Reform für die IFRS-Rechnungslegung beschlossen. Sie lassen die bilanzielle Fortführung bestehender Hedge-Accounting-Beziehungen für den Zeitraum vor der Änderung der Referenz­zinssätze zu. Die bilanzielle Abbildung der eigentlichen Umstellung auf die neuen Referenzzinssätze ist Gegenstand der zweiten Projektphase, die im August 2019 begonnen wurde.

 

Zu den Auswirkungen der IBOR-Reform bei der Rechnungslegung nach deutschem Handelsrecht hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) am 17. Oktober 2019 den Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.020 vorgelegt. Er befasst sich mit den Konsequenzen für die Rechnungslegung von originär variabel verzinslichen Finanzinstrumenten, freistehenden Derivaten sowie Bewertungseinheiten nach § 254 HGB. Zudem geht er auf die bilanzielle Abbildung von Ausgleichszahlungen aufgrund der Änderung des Referenzzinssatzes ein.

 

Handlungsbedarf

Die geplante IBOR-Reform zieht materielle Folgen für bilanzierende Unternehmen nach sich – sowohl bei unternehmensinternen Systemen und Prozessen als auch bei Rechnungslegung und externer Bericht­erstattung. Die Unternehmen sollten sich rechtzeitig vorbereiten. Neben den Effekten auf die bestehenden und neuen Verträge, sollten die Bilanzierenden unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die Rechnungs­legung und Berichterstattung im Blick behalten und sich v.a. bei Zweifelsfragen frühzeitig mit ihrem Abschlussprüfer in Verbindung setzen. Auch zu beobachten sind Aktivitäten nationaler und internationaler Standardsetter in Zusammenhang mit der IBOR-Reform.

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