(BVG-)Verhandlungen und die Geschichte vom Suppen-Kaspar

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veröffentlicht am 15. September 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Erinnern Sie sich noch an die Kinderbücher Der Struwwelpeter und Die Geschichte vom Suppen-Kaspar? Am einprägsamsten dürfte der Spruch vom Suppen-Kaspar gewesen sein: „Ich esse keine Suppe! Nein! Ich esse meine Suppe nicht! Nein, meine Suppe ess’ ich nicht!” Am Ende war der Suppen-Kaspar tot, weil er sich beharrlich weigerte, seine Suppe zu essen – ein ziemlich harsches Ende für ein Kinderbuch.

 

Die Sturheit des Suppen-Kaspars erinnert auch an so manche Verhandlungssituation: bis zum bitteren Ende wird unnachgiebig auf den eigenen Standpunkt gepocht und so mancher Deal scheitert schließlich daran. Dabei geht es doch bei Verhandlungen in der Regel gerade darum, aufeinander zuzugehen.


Verhandlungen sind bei M&A-Deals integraler Bestandteil, über den gesamten Transaktionsprozesses hinweg, auch wenn es manchmal in den Verhandlungen vielleicht eher um das Verhandeln des Ver-handelns willen geht. Schließlich kann man dabei auch einige interessante Spielchen treiben.

Verhandlungen finden – nicht weniger spannend – aber auch außerhalb von den typischen M&A-Deals statt. Konkret vor Augen, und kürzlich erst wieder erlebt, haben wir die Verhandlungen mit dem sog. „Besonderen Verhandlungsgremium” im Rahmen der Umwandlung eines Unternehmens in eine SE. Dabei geht es um die Zukunft des Unternehmens, Veränderungen und unterschiedliche zu berücksichtigende Interessen und auch da gilt es, am Ende eine möglichst für alle Seiten zufriedenstellende Lösung, eben einen Deal, zu finden. Aber zunächst kurz zu den Basics:
 

Kurzabriss – Wege in die SE

Der Weg in die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea - SE), kann auf verschiedene Arten erfolgen. Kurz genannt seien an dieser Stelle zwei sehr gängige Wege:

Zum einen der Formwechsel einer Aktiengesellschaft (AG) in die SE. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist, dass die umzuwandelnde AG seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft hat. Dieser reine Wechsel des Rechtskleides kann unter denselben Voraussetzungen auch bei der GmbH erfolgen. Es handelt sich dann um einen sog. Doppelformwechsel zunächst von der GmbH in die AG und anschließend von der AG in die SE.

Sollte kein EU-Auslandsbezug gegeben sein und es sich um einen rein innerdeutschen Vorgang handeln, kommt alternativ eine Verschmelzung der umzuwandelnden Gesellschaft auf eine Vorrats-SE in Betracht. Auch wenn man es erstaunlicherweise in der Beratungspraxis wiederholt erlebt, dass
Vorratsgesellschaften – völlig zu Unrecht – mitunter ein negativer Ruf zukommt, handelt es sich hierbei um das gebräuchliche und völlig legitime Mittel der Wahl, um die Hürde des fehlenden EU-Auslandsbezuges zu überwinden.


Beteiligung der Arbeitnehmer

Nun aber zurück zu den eingangs erwähnten Verhandlungen: Sind bei der in eine SE umzuwandelnden Gesellschaft Arbeitnehmer beschäftigt, ist in aller Regel ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durch-zuführen. Durch dieses Verfahren soll den Arbeitnehmern ihre erworbenen Rechte auf Beteiligung an Unternehmensentscheidungen gesichert werden. Denn den Arbeitnehmern sollen mit dem Gang in die SE keine Rechte entzogen werden können.

Das in dem Zusammenhang wichtigste deutsche Arbeitnehmerrecht dürfte die Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) bzw. dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) sein, wonach bei Überschreiten von Schwellenwerten von in der Regel 500 (DrittelbG) bzw. 2.000 (MitbestG) Arbeit-nehmern ein Aufsichtsrat zu bilden und dieser zu einem Drittel (DrittelbG) oder zur Hälfte (MitbestG) mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen ist. Hatte die umzuwandelnde Gesellschaft vor dem Gang in die SE die entsprechenden Vorschriften bereits anzuwenden, ändert sich durch die Umwandlung in die SE daran nichts. Die SE ermöglicht jedoch den zum Zeitpunkt der Umwandlung bestehenden Zustand zu konservieren, einzufrieren, sodass ein späteres oder weiteres Überschreiten der Schwellenwerte zu keiner Veränderung beim Mitbestimmungsstatus mehr führt.

Außerdem sieht das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) vor, dass den Arbeitnehmern grundsätzlich ein Recht auf Unterrichtung und Anhörung zusteht, die Arbeitnehmer im Unternehmen also zu beteiligen sind. Das SEBG geht an dieser Stelle von der Bildung eines SE-Betriebsrates aus. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wie man ihn üblicherweise kennt. Der SE-Betriebsrat hat lediglich Unterrichtungs- und Anhörungsrechte, keine Mitsprache- oder Mitentscheidungsrechte – jedenfalls solange man nicht etwas anderes verhandelt.
 

Verhandlungen mit den Arbeitnehmern

Und damit kommen wir zum Ausgangpunkt dieses Beitrages: das SEBG sieht vor, dass das umzu-wandelnde Unternehmen und dessen Arbeitnehmer über die künftige Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE, über die Ausgestaltung der Befugnisse des SE-Betriebsrates und den Umfang der Rechte der Arbeitnehmer eine Vereinbarung verhandeln und abschließen. Hierfür ist auf Seiten der Arbeitnehmer eigens ein Verhandlungsgremium zu bilden – das sog. „Besondere Verhandlungsgremium” (BVG). Je nachdem, ob es in dem umzuwandelnden Unternehmen einen Betriebsrat gibt oder nicht, wird das BVG entweder von dem Betriebsrat gewählt oder unter Beteiligung aller Arbeitnehmer. Letzteres kann, wie man sich vorstellen kann, mitunter schon eine gewisse Herausforderung darstellen.

Kommt jedenfalls einvernehmlich keine Beteiligungsvereinbarung zustande, gelten zwar in der Regel die gesetzlichen Auffangvorschriften des SEBG, der Vorteil einer individuell auf das Unternehmen und dessen spezifische Bedürfnisse maßgeschneiderten Vereinbarung ist jedoch deutlich größer.

Die Interessen beider Seiten liegen hier naturgemäß in der Regel etwas auseinander. Die Arbeitnehmer möchten sich gerne einen möglichst großen Beteiligungsspielraum sichern, während das Unternehmen oftmals an einem geringeren Beteiligungsumfang interessiert ist. Die Gründe für beide Positionen sind hierbei vielfältig – mögen sie jeweils berechtigt oder unberechtigt sein. Nachvollziehbar dürfte jedenfalls sein, dass jede Seite die jeweils für sich bestmögliche Regelung finden möchte, schließlich hat eine solche Beteiligungsvereinbarung einen gewissen zukunftsweisenden Charakter für die Unterneh-mensführung.

Entscheidend ist, mit der notwendigen Transparenz, Empathie und Kompromissbereitschaft in solche Verhandlungen zu gehen und nicht à la Suppen-Kaspar beharrlich und unnachgiebig auf seinen Standpunkt zu pochen. So auch jüngst bei Verhandlungen in drei Sprachen mit mehreren Arbeitnehmern aus verschiedenen EU-Staaten. Innerhalb kurzer Zeit konnte eine für alle Parteien zufriedenstellende Beteiligungsvereinbarung abgeschlossen werden. Das war zu einem großen Teil der guten Vorbereitung und Durchführung der Verhandlungen durch alle Beteiligten zuzuschreiben, es gab allerdings auch keinen Suppen-Kaspar in der Verhandlungsrunde und das war mit Sicherheit mindestens ebenso förderlich. 

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