IRA und Green Deal Industrial Plan der EU – Chance auch für deutsche Unternehmen

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veröffentlicht am 17. Mai 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Der aus Deutschland stammende Automobilhersteller Volkswagen hat vor, in der Zukunft verstärkt in den US-Markt zu investieren. Ein Grund hierfür ist unter anderem der von US-Präsident Joe Biden unterzeichnete „Inflation Reduction Act of 2022” (IRA) – ein Gesetz, das erhebliche Subventionen für grüne Energien bereitstellt. Die Europäische Union (EU) fürchtet nun um die Abwanderung finanzstarker Unternehmen in die USA. Deshalb ließ die Antwort der EU nicht lange auf sich warten. Am ersten Februar diesen Jahres wurde der „Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero-Age” vorgestellt. Darüber hinaus plant die EU ein Freihandelsabkommen „light” mit den USA, damit auch europäische Unternehmen unter den IRA fallen. Sofern die EU ihre Pläne rasch umsetzt, könnten mit dem IRA und dem Green Deal Industrial Plan zwei Förderpakete existieren, die erhebliche Chancen für Investitionen europäischer Unternehmen in grüne Energien bieten.

Im August des letzten Jahres verabschiedete der US-Kongress den „Inflation Reduction Act of 2022” (IRA). Neben dem offensichtlichen Ziel der Inflationsbekämpfung soll das Gesetz vor allem das US-Haushaltsdefizit reduzieren und den Klimaschutz in den USA vorantreiben. Rund 737 Milliarden US-Dollar sollen durch Reformen in der Bepreisung von Medikamenten, durch einen verstärkten Steuervollzug sowie durch höhere Steuereinnahmen in den US-Haushalt gespült werden. Die Steuerreform beinhaltet maßgeblich zwei Steuererhöhungen:
 

(a) Book Minimum Tax: Der IRA führte eine Mindestkörperschaftsteuer von 15 % für große Kapitalgesellschaften für Steuerjahre beginnend nach dem 31. Dezember 2022 ein. Auf den ersten Blick erinnert die Book Minimum Tax an die globale Mindeststeuer (Pillar 2) des BEPS 2.0.-Projekts der OECD. Im Detail zeigen sich jedoch bedeutende Unterschiede (unter anderem hinsichtlich Anwendungsbereich, Berechnung der Bemessungsgrundlage und Ebene der Mindeststeuer). Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Book Minimum Tax als qualifizierte Regelung für Zwecke der globalen Mindeststeuer anerkannt wird, aber sie gilt natürlich unabhängig davon.


(b) Verbrauchsteuer auf Aktienrückkäufe: Ab dem 1. Januar 2023 erheben die USA eine Steuer von 1 % auf Aktienrückkäufe durch U.S.-börsennotierte Aktiengesellschaften.

Weiterführende Informationen zu den Steuererhöhungen in den USA finden Sie hier:
Inflation Reduction Act – Impact on Small to Medium-Sized Foreign Businesses | Rödl & Partner (roedl.us)

 

Gleichzeit legte die US-Regierung mit dem IRA ein umfassendes Klimainvestitionsprogramm auf. Für Investitionen in den Klimaschutz stehen über zehn Jahre hinweg etwa 369 Milliarden US-Dollar vor allem in Form von Steuergutschriften („Tax Credits”) zur Verfügung. Der IRA fördert den Ausbau von erneuerbaren Energien sowohl durch die Unterstützung auf Unternehmens- als auch auf Haushaltsebene. Dabei änderte der IRA zum Teil bestehende Programme, z.B. die Erhöhung des Production Tax Credit der IRC Sec. 45 auf 0,005 US-Dollar/kWh (Basisrate) bzw. auf 0,025 US-Dollar/kWh (Bonusrate), zum Teil wurden neue Programme geschaffen: So sieht der „Advanced Manufacturing Production Credit” der IRC Sec. 45X eine Steuergutschrift für Hersteller bestimmter förderfähiger Komponenten in Abhängigkeit von Masse, Wattkapazität, Verkaufspreis oder Produktionskosten vor. Zu den förderfähigen Komponenten gehören Bauteile für Solar-, Wind- und Batterieprojekte (z.B. Photovoltaikzellen, Rotorblätter) sowie besonders kritische Mineralien (z.B. Lithium, Nickel). Auch die Kombination von Steuergutschriften ist u.U. zulässig, sodass Hersteller die Kosten für Investitionen in erneuerbare Energien im Einzelfall erheblich reduzieren können. Ein Tax Credit kann in der Regel von der festgesetzten Ertragsteuer in Abzug gebracht. Für bestimme Förderungen bzw. Steuerzahler (u.a. steuerbefreite Organisationen) sieht das Gesetz auch eine direkte Auszahlung des För-derbetrages vor.

 

Die Ziele des IRA sind klimapolitisch, aber auch industriepolitisch motiviert, wie z.B. die langfristige Sicherstellung der Vormachtstellung der USA als größter Energieproduzent und die Verringerung der Abhängigkeit von China und Russland, insbesondere im Hinblick auf die Lieferung von Rohstoffen. Hierfür beinhaltet der IRA „Local-Content”-Bestimmungen, die im Mittelpunkt der Debatte in Deutschland und in der Europäischen Union (EU) steht. Um in den Genuss der vollen Steuervergünstigungen (s.o. Bonusrate) zu kommen, muss ein bestimmter Anteil des Produktes in den USA hergestellt worden sein oder aus Ländern kommen, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen geschlossen hat. Die Local-Content-Anforderungen werden im Zeitablauf strikter.

 

Genau dieser Aspekt des IRA bereitet Deutschland und der EU Kopfzerbrechen. Denn zwischen der EU und den USA besteht kein aktives Freihandelsabkommen. So haben bereits diverse deutsche Konzerne verstärkte Investitionen in den USA angekündigt. Volkswagen soll für eine Batteriezellfabrik in den USA Förderungen und Kredite von umgerechnet 8,5 bis 9,5 Milliarden Euro erhalten. Die Pläne für eine europäische Batteriezellfabrik habe der Autohersteller auf Eis gelegt. Die EU hat als Antwort auf den IRA Anfang Februar den „Green Deal Industrial Plan” angekündigt. Der Plan soll bereits laufende EU-Programme ergänzen und einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der EU erhöhen und andererseits beim raschen Übergang zur Klimaneutralität unterstützen. Der Green Deal Industrial Plan basiert auf vier Säulen: 

  1. Planungssichere und einfachere Regelungen
    Die erste Säule kommt auch der anhaltenden Forderung nach Bürokratieabbau nach. Dafür hat die Kommission bereits Mitte März einen Entwurf des „Net-Zero-Industry-Act” vorgelegt. Die Verordnung soll vereinfachte und beschleunigte Genehmigungen durch beispielsweise kürzere Genehmigungsfristen und „One-Stop-Shops” gewährleisten. Zudem soll die Verordnung strategische Cleantech-Technologien (z.B. Photovoltaik, CO2-Speicherung und Geothermie) fördern. Die Kommission veröffentliche zusätzlich eine europäische Verordnung zu kritischen Rohstoffen, die den Zugang zu seltenen Erden sicherstellen soll. Ergänzt wird das Maßnahmenpaket durch Vorschläge der Kommission zur Reform des Strommarktes. Verbraucher sollen vor Preisschwankungen geschützt und von den niedrigen Produktionskosten der erneuerbaren Energien profitieren können.
  2. Schnellerer Zugang zu Finanzmitteln
    Die zweite Säule des Green Deal Industrial Plan befasst sich mit der Investition und Finanzierung der Produktion von sauberen Technologien in Europa. Die EU erhofft sich einen gravierenden Anstieg der privaten Investitionen, welche für den grünen Übergang erforderlich sind. Um diese zu generieren, sollen einerseits öffentliche Finanzierungen erhöht werden und andererseits sollen Fortschritte bei der europäischen Kapitalmarktunion gemacht werden. Die Kommission prüft die Einrichtung eine europäische Souveränitätsfonds zur Finanzierung von Investitionen in gründe Technologie auf EU-Ebene. Die Vergabe von Beihilfen an Net Zero Industries sollen flexibler möglich sein. 
    Konkret hat die Kommission:
    - einen neuen befristeten Rahmen zur Krisenbewältigung und zur Gestaltung des Wandels angenommen (Erweiterung und Verlängerung des bisherigen Krisenrahmens) und
    - die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung geändert: Darunter fallende Beihilfen müssen nicht vorab bei der Kommission angemeldet und genehmigt werden, sondern können von den Mitgliedstaaten direkt gewährt und im Nachhinein der Kommission mitgeteilt werden.
  3. Verbesserung der Kompetenzen für Arbeitskräfte
    Da ein großer Mangel an qualifizierten Arbeitskräften besteht, sollen mögliche Mitarbeiter an Programmen zur Qualifizierung und Umschulung in strategischen Branchen teilnehmen können. Außerdem sollen Drittstaatenangehörige die Möglichkeit haben, in besonders gefragten Sektoren einen erleichterten Zugang zu den EU-Arbeitsmärkten zu bekommen.
  4. Offener Handel für reißfeste Lieferketten
    Auch der Handel soll einen Teil zum grünen Übergang beitragen. Dies soll nach den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs und des offenen Handels geschehen. So sollen einerseits Freihandelsabkommen und andere Formen einer ähnlichen Zusammenarbeit der EU mit anderen Vereinigungen oder Staaten ausgebaut werden und andererseits soll die Gründung eines Clubs für kritische Rohstoffe sowie die Gründung von Industriepartnerschaften für saubere Technologien geprüft werden.


Die vorgeschlagenen Verordnungen haben nun den üblichen Weg vor sich: Sie müssen vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union erörtert und gebilligt werden. Der Green Deal Industrial Plan erwähnt zwar die Gewährung von Steuervorteilen. Die Ausgestaltung steuerlicher Vorteile obliegt jedoch den jeweiligen Mitgliedsstaaten. Denn die EU verfügt im Bereich der direkten Steuern über keine umfassende Regelungskompetenz. Wie Steuervorteile aussehen können, ist somit noch vollkommen offen. Die EU kann nur die Rahmenbedingungen durch Lockerungen des europäischen Beihilferechts festlegen.


Zwischenzeitlich hat sich der Subventionswettlauf zwischen USA und EU etwas entspannt. In einem Treffen im Weißen Haus am 10.3.2023 zwischen US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, kamen USA und EU einen bedeutenden Schritt aufeinander zu: Beide Seiten wollen eines Abkommens für Mineralien und Autobatterien aushandeln. So sollen auch Elektrofahrzeuge, die in Europa hergestellt wurden, für die Steuergutschriften in den USA in Frage kommen.


Die beschriebenen Vorhaben beinhalten große Chancen für europäische Unternehmen. Denn einerseits können auch EU-Unternehmen von den US-Subventionen des IRA profitieren. Andererseits soll ein wachstumsförderndes Investitionsklima in Deutschland und Europa geschaffen werden. Die ersten Schritte werden durch den Green Deal Industrial Plan eingeleitet. Bisher mangelt es noch an einer konkreten Ausgestaltung des Vorhabens. Es bleibt abzuwarten, wann und in welcher Form die EU ihren Worten Taten folgen lässt.

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Isabell Stöckinger

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